Zu Hause fängt die Jahreszeit der Mandarinen gerade erst an. Hier in Aotearoa, in Neuseeland, tragen die Zitrusbäume ihre letzen Früchte. Wenn bei uns im Dorf alle zur Ruhe gehen, fängt bei mir der neue Tag an. Am anderen Ende der Welt ist alles umgekehrt.

Neuseeland

 

Auf den Busfahrten, bei denen ich noch immer jedes Mal einen kleinen Herzinfarkt kriege, wenn der Busfahrer falsch herum in den Kreisverkehr einbiegt, beobachte ich die Landschaft, wie sie an mir vorbeizieht. Im Norden der Nordinsel Neuseelands ist sie besonders ungewöhnlich. Anders als in Europa, scheint es hier kaum Äcker und Felder zu geben, alles ist etwas wilder. Manchmal, wenn die Straße gerade mitten durchs grüne Nirgendwo führt und links und rechts auf den Hügeln Schafe oder Kühe grasen, erinnert mich die Umgebung ein wenig an die schottischen Highlands. Dann aber, hinter der nächsten Kurve, verbergen sich Palmen, Bananenstauden und die buntesten, tropischen Blumen. Ein ganz ungewöhnlicher Landschaftscocktail.

neuseeland

Sowohl in Auckland als auch in Whangarei, einer Stadt, die etwas nördlicher liegt, ist mir noch etwas anderes aufgefallen. Städte und Wohnsiedlungen scheinen völlig planlos entstanden zu sein. Die Gebäude, meist einstöckige, kleine Fertigbauten, wirken wie willkürlich nebeneinander geklatscht, wo gerade Platz war. Wege für Fußgänger und Fahrradfahrer sucht man vergeblich. Bislang fand ich die Städte nicht besonders schön.

Fährt man aber ein wenig hinaus, dauert es nicht lange, bis man von wildem Grün umgeben ist. Die Natur ist voll mit unzähligen Wasserfällen, Vögel zwitschern ununterbrochen (zum Beispiel der Tui, ein Vogel, der sich anhört wie R2D2) und die Glühwürmer sind hier echte Würmer, keine Fliegen (glowing worms), die bei Nacht im Wald wie weihnachtliche Lichterketten funkeln.

neuseeland wasserfall neuseeland

neuseeland wasserfall

Das Grün der Erde und das Blau des Himmels scheinen hier lebendiger als woanders. So lebendig, dass die Maori sie als Gottheiten betrachten. In ihrem Glauben haben Papatūānuku, Mutter Erde, und Ranginui,Vater Himmel unsere Welt geschaffen.

neuseeland

Die Leute in Neuseeland sind entspannt. In den Hostels treffen verschiedenste Menschen aufeinander: Woofer (workers on organic farms), die gerade einen Zwischenstopp machen, m ein wenig von der Gegend zu sehen, Landarbeiter, die hier die ganze Saison über leben oder Working Holiday Touristen auf der Suche nach kleinen Jobs. Dann gibt es noch Vanlifer, die sich entweder mal wieder eine anständige, warme Dusche gönnen oder denen es im Van zu einsam geworden ist und Hiker, die sich auf der Fernwanderroute Te Araroa die Füße platt gelaufen haben und neues Schuhwerk brauchen. Ab und zu trifft man sogar Maoris oder Kiwis, die auf ihren Inseln unterwegs sind.

Mir wird bewusst, dass es nicht die großen Dinge sind, die mich wirklich glücklich machen. Nicht die großen Abenteuer, nicht die erstaunlichen Orte, oder die Tatsache am anderen Ende der Welt zu sein. Wirklich glücklich macht es mich, wenn ich eine Chirimoya vom Baum pflücke, oder wenn ein duftender Apfelcrumble frisch aus dem Ofen auf mich wartet. Oder wenn ich am Fluss liegen und lesen kann, und das Buch so gut ist, dass es mir ab und zu ein Grinsen ins Gesicht zaubert.

neuseeland