Osuna liegt ziemlich in der Mitte Andalusiens. Mit dem Auto ist es mehr oder weniger auf halber Strecke der Autobahn zwischen Sevilla und Córdoba und mit der Bahn ist auch kein Problem von hier aus schnell nach Málaga und Granada zu kommen. Ein perfekter Ausgangspunkt also, um mir das Hinterland Andalusiens ein paar Wochen lang genauer anzusehen.
Als wir in Osuna ankamen, war ich dann doch ein wenig überrascht. Das Städtchen war weder weiß, wie viele der Orte an der Küste oder in den Sierras, noch gibt es eine richtige „Altstadt“. Stattdessen erwarteten uns elegante barocke Prachtbauten in den endlos langen Straßen der kleinen Provinzstadt. Gefühlt ist Osuna schon mehr Kastilien als Andalusien, jedenfalls wenn man mit den typischen Andalusienbildern im Kopf unterwegs ist. Passend zur großen Stierkampfarena lag schräg gegenüber unserer Unterkunft eine kleine Bar mit Fotos von Toreros und Stieren, und sogar einem echten Stierkopf an der Wand.
Aus dem Fenster unseres Arbeitszimmers blickten wir direkt auf einen hübschen kleinen Platz mit einer Kirche. Kirchen gibt es in jedem Ort richtig viele. Der sonntägliche Kirchgang ist hier genauso eine Selbstverständlichkeit, wie er es für meine Großeltern früher war. Davor oder danach scheint es für die Männer durchaus üblich zu sein, am Sonntag auf die Jagd zu gehen. Gegen Mittag waren die Bars stets voll mit kleinen Männergruppen in Tarnkleidung. Frauen waren eher selten dabei.
Was uns am meisten verwundert hat, waren die Menschen. Wir waren ja schon oft in Andalusien unterwegs, allerdings fast immer in Küstennähe oder in einer größeren Stadt. Daher hatten wir auch in Osuna offene, herzliche Menschen erwartet, mit denen man ins Gespräch kommt, wenn man länger da ist. Aber weit gefehlt. Dieser Ort blieb uns gegenüber sehr verschlossen. Natürlich haben wir ein paar (wenige) nette Menschen kennengelernt, aber das Grundambiente der Stadt war einfach stocktrocken und erzkonservativ.
Außer einer angeblichen Prachtstraße, der Calle Sant Pedro, an der weder Michi noch ich etwas Besonderes finden konnten, zählt die Kirche oben auf dem Hügel zu den wenigen Sehenswürdigkeiten Osunas. Geht man von dieser Klosterkirche ein Stückchen weiter, kommt man zu einem alten Steinbruch, den das clevere Marketing als ein tolles Highlight anpreist.
Natürlich bin ich dort hinspaziert, war aber nach den vorab hochgeschraubten Erwartungen etwas enttäuscht. Hätte ich vorher nicht die Werbesprüche, à la dies sei das “Petra Andalusiens” gelesen, wäre es gar nicht so schlecht gewesen. Denn in dem verlassenen Steinbruch hat ein einheimischer Künstler verschiedene Skulpturen und Wandbilder geschaffen, die an vergangene Kulturen erinnern, die in früheren Epochen in dieser Gegend siedelten.
Lange bevor die Römer sich auf der Iberischen Halbinsel niederließen, sollen schon die Phönizier auf diesem Hügel Steine abgebaut haben. Halb Osuna wurde mit Sandsteinquadern errichtet, die aus diesem Steinbruch stammen. Besonders im 16. Jahrhundert, zur Blütezeit Osunas, entstanden unzählige der prächtigen Barrockbauten, für die die Stadt heute bekannt ist.
Nachdem man den Steinbruch in den 70er Jahren stillgelegt hatte, dienten die großen Hohlräume, die im Laufe der vielen Jahre durch den Abbau entstanden waren, eine Zeit lang als Garage für große Transportfahrzeuge und als Lagerhalle. Doch irgendwann schien man diesen Ort am Rande der Stadt einfach vergessen zu haben. Kinder spielten im Sand und Francisco Valdivias, der lokale Künstler, begann Skulpturen in den weichen Stein zu hauen.
Heute werden in den riesigen Hallen des einstigen Steinbruchs Hochzeiten gefeiert und Konzerte abgehalten. In einer Ecke ist sogar ein kleines Museum eingerichtet, das daran erinnert, wie hier viele Jahrhunderte lang mit einfachsten Werkzeugen, viel Schweiß und Muskelkraft, Sandstein abgebaut wurde.
Auf meinen Erkundungsgängen durch die Stadt, habe ich auch dem kleinen Heimatmuseum einen Besuch abgestattet. Das Gebäude ist einer der vielen schönen Paläste Osunas, die hier im 18. Jahrhundert errichtet wurden. Im Keller befindet sich eine rekonstruierte Bodega aus dem 16. Jahrhundert, die an die Epochen erinnert, als man hier Wein, Öl, Fleisch oder gesalzenen Fisch in riesigen Tonkrügen lagerte. Rund um den hübschen Innenhof zeigen die Säle klassische und zeitgenössische Gemälde lokaler Künstler wie Rodríguez Jaldón und Rodolfo Álvarez Santaló und im zweiten Geschoss ist der komplette Nachbau eines alten Hutgeschäfts zu bewundern.
Im obersten Stockwerk sind zwei kleine Säle einem besonderen Ereignis gewidmet, das Osuna nachhaltig beeindruckt zu haben scheint. Vierzehn Tage lang war Hollywood mit seinem Glanz und Glamour in Osuna zu Besuch, als im Oktober 2014 Dreharbeiten für die Fernsehserie Game of Thrones stattfanden. Viele Einwohner durften als Statisten bei dem Kampf in der Stierkampfarena, im Film die Arena von Daznak, dabei sein, als der Drache Drogon auftauchte, um die schöne Daenerys zu retten, die auf seinen Rücken stieg und mit ihm verschwand.
Im fertigen Film dauert die Szene der fünften Staffel gerade Mal 17 Minuten, aber hier in Osuna ist man stolz und erinnert gern an diese aufregende Zeit. Kleine Figuren von John Snow, den Lannisters und Daenerys, viele Autogramme, ein paar Requisiten, Schwerter, Wappen, Bilder und auch die Dracheneier sind Teil der liebevoll zusammengetragenen Sammlung. Besonders beeindruckend fand ich jedoch neben den goldenen Helmen und glitzernden Kronen jedoch die Vitrine mit dem Weißen Wanderer.
Ich muss zugeben, ich habe die Serie gar nicht im Fernsehen gesehen, weil ich schon vor Jahren die Bücher George R.R. Martins verschlungen habe und eigentlich seine Version zu Ende lesen wollte, bevor ich mir die Filme ansehe. Aber so langsam zweifele ich daran, dass er die Saga je zu Ende schreiben wird…
So schmeckt Osuna
Absolutes Highlight sind die Aldeanas, ein luftig, fluffiges, längliches Gebäck, das dick mit Puderzucker bestreut und mit einer besonderen Creme gefüllt wird. Da die Pasteleria keine 10 Meter von unserer Haustür entfernt lag, konnten wir täglich die langen Warteschlangen vor der kleinen Konditorei beobachten. Schließlich habe ich einen günstigen Tag abgepasst, an dem es dort ruhig zuging und durfte einen Blick in die Backstube werfen. Konditormeister Antonio Álvarez Ortega wird oft von regionalen Fernsehsendern und lokalen Journalisten besucht, um seine Aldeanas vor der Kamera zuzubereiten. Das streng geheime Rezept verrät er jedoch niemandem.
Die kleine Konditorei wurde bereits 1750, vor beinah dreihundert Jahren gegründet. Antonio war erst 13 Jahren alt, als er hier zu arbeiten begann. Von seinem Meister lernte er die Herstellung der Aldeanas, sowie der sie zuvor von seinem Meister gelernt hatte. Seit Antonio dann irgendwann die Pasteleria übernahm, hütet er gemeinsam mit seiner Familie das streng geheime Rezept.
Jeden Morgen steht er um fünf Uhr in der Frühe in seiner Backstube, rührt den Teig an, knetet mit beiden Händen gleichzeitig die Kugeln und bereitet die spezielle Füllung zu. Wenn die Aldeanas goldbraun gebacken aus dem Ofen kommen, werden sie seitlich aufgeschnitten und mit der süßen Masse gefüllt und mit einer dicken Schicht Puderzucker bestäubt. Damit der feine Zucker nicht wegfliegt, und man die Aldeanas leichter essen kann, wickelt Antonio sie in spezielles Papier ein, die seine Küchlein auch noch so hübsch altmodisch aussehen lassen. Eine einzige Information kann ich ihm während unseres Gesprächs dann doch noch entlocken, nämlich dass Süßkartoffeln eine entscheidende Rolle bei der Füllung spielen!
Salzig geht es ganz am anderen Ende Osunas, in der Käserei Quesi, zu. In dem kleinen Industriegebiet liegt die Molkerei, deren Fassade eine überlebensgroße Ziege ziert. Die Geschwister Rúben und Gema stellen dort wirklich unglaublich leckeren Ziegenkäse her. Die Frauen der Familie, Großmutter und Urgroßmutter, hätten immer schon Käse für den häuslichen Bedarf produziert. Vater Manuel war es dann aber, der 2019 eine eigene Käserei gründete. An die Tausend Tiere leben inzwischen auf dem Gelände des Bauernhofs vor den Toren der Stadt und futtern dort frisches Futter und echte Körner. Rúben legt großen Wert darauf, dass in der kleinen Käserei ausschließlich Milch der eigenen Ziegen verarbeitet wird, denn nur so können sie den Geschmack und die hohe Qualität des Käses garantieren. Zweimal am Tag werden die Tiere gemolken. Ein Tankwagen transportiert die Milch dann hierher, wo sie zu Käse weiterverarbeitet wird.
Die inzwischen als autochthone Rasse anerkannte Florida, eine Kreuzung aus pyrenäischer Bergziege und nubischer Steppenziege, ist besonders wegen ihrer wohlschmeckenden und proteinreichen Milch beliebt. Den Namen „Cabra Florida“ verdanken diese Ziegen übrigens ihrem rötlichen Fell mit weißen Sprenkeln. Man sagt, es erinnere an die blühenden Blumen auf der meist rötlichen Erde in dieser Gegend.
In dem kleinen Laden, in dem man die verschiedenen Sorten kaufen kann, darf man den leckeren Käse auch probieren: Es gibt ganz frischen Ziegenkäse, wenige Monate gereiften „Semi-Curado“ und „Curado“, der mindestens drei Monate herangereift ist. Manche Käselaibe werden während ihrer Ruhezeit noch mit Thymian, süßem oder scharfen Paprikapulver oder mit gemahlenem Pfeffer eingerieben. Das verleiht dem Käse zusätzlich eine besondere Note, denn da es bei der Produktion ganz natürlich zugeht, ist auch die Kruste genießbar. Alles, was ich hier probiert habe, war wirklich lecker, aber mein absoluter Lieblingskäse war der ganz frische Ziegenkäse – da war ich echt im Käsehimmel!
Informationen zu Osuna
Quesi
Avenida de Málaga, 22
41640 Osuna, Sevilla
www.quesosquesi.com
Pasteleria-Confitería Santo Domingo
Calle Carrera 63,
41640 Osuna,Sevilla
Coto de las Canteras
Vía Sacra
41640 Osuna, Sevilla
www.elcotolascanteras.com
Museo de Osuna
Calle Sevilla, 37
41640 Osuna, Sevilla
Hinkommen:
Mit der Bahn: Am Bahnhof Osuna (Estación de tren Osuna) halten die RENFE Züge der Linie MD, die zwischen Sevilla und Málaga pendeln
Mit dem Bus: Autocares Valenzuela, Estación de Autobuses Osuna
(bereist im November 2023)
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