Ganz behutsam malt Diogo eine blaue Linie auf den Stein. Mit dem kleinen Pinsel zieht er die schon etwas verblasste Wegmarkierung nach. In regelmäßigen Abständen müssen Diogo und seine Kollegen nämlich die Kennzeichnungen der Rota Vicentina erneuern, Wegweiser reparieren und aufpassen, dass die Wanderpfade in guten Zustand sind.
Da der Verein der Rota Vicentina nur aus wenigen Leuten besteht, organisieren sie immer wieder Wandertouren, auf denen Freiwillige wie wir heute, dabei helfen können, die Wanderwege instand zu halten und von Müll zu befreien, den manche Leute leider immer noch einfach in die Natur werfen.
Der acht Kilometer lange Rundweg, den wir heute laufen, ist Teil des großen Wegenetzes der Rota Vicentina, die sich an der südwestlichen Küste Portugals erstreckt. Als wir an der Praia do Amado loslaufen, ist es noch früh am Morgen. Die ersten Surfer erscheinen am Strand, um die Wellen zu inspizieren. Während sie auf ein paar Felsbrocken steigen und konzentriert auf das Meer hinaus blicken, wandern wir mit Pinsel und Farbe bewaffnet los.
Zunächst geht es auf einem schmalen Pfad parallel zum Strand entlang. Der erste Teil unseres Weges verläuft entlang des Fishermen’s Trails, einer der beiden Langstrecken, die zur Rota Vicentina gehören. Das Meer rauscht und braust und frischer Wind weht uns um die Ohren. In der Ferne verstecken sich die Felsen in einem Nebel aus sprühender Gischt. So viele feine Wassertropfen schwirren dort in der Luft, dass die Klippen hinter dem Dunstschleier fast verschwinden. An einem kleinen Hügel trennt sich unser Rundweg vom Pfad der Fischer. Von nun an sehen wir keine grün-blauen, sondern nur noch die gelb-roten Markierungen. Und die führen jetzt landeinwärts und bergauf. Doch der Abschied von der Küste fällt nicht schwer, denn der Blick auf die hügelige Landschaft, die sich direkt hinter der Küste verbirgt, ist atemberaubend schön. Von den tiefstehenden Morgensonne angestrahlt, leuchten die grünen Hügel sanft im diesigen Nebelschleier.
Meistens marschiert Diogo als unser Guide voran. Sobald er eine abgewetzte Markierung entdeckt, halten wir an. Vorsichtig dürfen wir dann die bunten Striche neu malen, damit sich niemand verläuft. Doch die meisten der alle paar Hundert Meter zu findenden Kennzeichnungen sind noch gut in Schuss. Auch Plastikmüll finde ich zum Glück relativ wenig. Zunächst landet lediglich ein einzelner Schuh in meinem extra mitgebrachten Beutel.
Wir kommen an einer Ruine vorbei. Ein altes Bauernhaus aus Lehm, das schon lange nicht mehr bewohnt wird und nun langsam zerfällt. Früher muss hier einmal eine Familie von Viehzucht gelebt haben. Vermutlich hatten sie Schafe oder Zeigen und einen kleinen Garten. Da wir uns in einem Naturpark befindet, ist es zum Glück nicht erlaubt, neue Gebäude zu errichten. So kann diese wunderschöne Natur der Küstenlandschaft vor Immobilienspekulationen, Bauboom und anderen einträchtigen Geschäften bewahrt werden.
Immer wieder geht der Weg über karge Wiesen und durch dicht bewachsenes Buschwerk, bergab und bergauf. Insgesamt vier Hügel müssen wir erklimmen, ehe wir wieder den Strand erreichen und unser Rundweg wieder auf den Fishermen‘s Trail trifft. Sobald wir uns der Küste nähern, pfeift der Wind wieder und peitscht die Wellen ans Ufer. Nach ungefähr dreieinhalb Stunden und vierhundert Höhenmetern strahle ich mit rot glühenden Wangen über das ganze Gesicht. Der Rest des Weges führt direkt am Strand entlang zurück zur Praia do Amado. Da wir hier am Atlantik sind und nicht am Mittelmeer, gibt es natürlich Gezeiten. D. h. man muss schon darauf achten, ob der Weg am Strand passierbar ist. Wenn nämlich die Flut zu hoch steigt, sollte man besser den höher gelegenen Pfad nehmen!
Am Surfer Beach angekommen haben die mutigen Wassersportler bereits mit ihrem Ritt auf den Wellen begonnen. Die kalten Wassermassen scheinen ihnen nichts auszumachen, immer wieder stürzen sie sich in die eiskalten Fluten. Mehr als 13 oder 14 Grad Celsius kann das Wasser jetzt im Dezember nicht haben. Wenn man so in der winterlichen Mittagssonne hier am Strand entlang läuft, könnte man fast denken, es sei Sommer.
Am Ende unserer Wanderung haben wir zahlreiche Markierungen erneuert und insgesamt zwei Beutel mit Plastikmüll eingesammelt, den wir jetzt in einer der großen Tonnen an der Praia do Amado entsorgen. Auf eine wohlige Art verausgabt, fühle ich mich nicht nur wegen der körperlichen Betätigung so gut. Es fühlt sich noch mal ganz anders an, wenn man nicht einfach nur wandert, sondern gleichzeitig ganz bewusst mithilft, Wegweiser in Ordnung und die Natur sauber zu halten.
Travel slower and deeper
Wenn Diogo und seine Kollegen der Rota Vicentina ihre Touren organisieren, arbeiten sie immer mit den Einheimischen zusammen. Es ist ihnen wichtig, dass die Hiker und Biker nicht nur lokale Unterkünfte und Restaurants finden, sondern wirklich ein wenig mit ins Leben der Menschen hier eintauchen. Deswegen kannst Du außer den Wanderungen und Mountainbike Touren auch einen Tag mit einem Schäfer, einer Fischerfamilie oder einem Weinbauern verbringen.
Trotz der Glücksgefühle im Bauch bin ich jetzt langsam hungrig. Also bringt uns Diogo zu einem nahe gelegene Restaurant. Dort hat Diogo, der Koch und Inhaber des Cato, schon lecker für uns gekocht. Während wir auf der kleinen Terrasse des Restaurants frisches Gemüse und einen leckeren Fischeintopf genießen, setzt er sich einen Moment zu uns. Gut gelaunt erzählt er von den bunten Veranstaltungen, die er hier organisiert und zeigt uns sogar noch seinen Gemüsegarten.
Infos zum Rota Vicentina Wandern:
Die insgesamt 740 km Wanderwege der Rota Vicentina verteilen sich auf den Historischen Weg, den Fischerpfad und viele kleine Rundwege entlang der beiden Fernwanderwege. Von der Europäischen Wandervereiniung ist die Rota Vicentina sogar als einer der leading quality trails ausgezeichnet worden. Es lohnt sich unbedingt nicht nur die Langstrecken zu wandern, sondern etwas mehr Zeit einzuplanen, um die kleinen Rundwege zu erkunden und Land und Leute besser kennenzulernen.
Als gemeinnütziger Verein hat sich die Rota Vicentina voll und ganz dem nachhaltigen Tourismus verschrieben und macht noch viel mehr als die Natur sauber zu halten und lokale Anbieter zu finden. Auf der Website findest Du jede Menge Tipps, wie Du sanft reisen und dabei die Gegend und die Menschen besser kennenlernen und unterstützen kannst.
- Die Rota Vicentina ist Teil des Fernwanderwegs E9.
- Neben den Wanderpfaden gibt es noch mehr als 1000 km Mountainbike Trails.
- Video Tipp: Unbedingt angucken solltest Du auf Youtube „Amor a esta Terra“ – Fall in Love with this Land.
Website: www.rotavicentina.com
Cato Restaurant und Bed and Breakfast
Horta do Rio
8670-230 Carrapateira
nahe Praia Bordeira
Aljezur Faro District
Latitude / Longitude: 37.190707657667716, -8.895235061645508
Website: cato-guesthouse
Eine angenehm entspannte Gute-Laune-Atmosphäre herrscht bei Diogo nicht nur im Sommer. Es scheint, als würden echte Surfer, die auch im Winter nicht auf die Wellen verzichten können, hier im Guesthouse unterkommen und bei der Arbeit helfen. Irgendwas zu tun findet sich bei all den anfallenden Reparaturen, Umbauten, Veranstaltungen und anderen Projekten immer. Diogos ganzer Stolz aber ist der große Garten, den er freudestrahlend präsentiert. Hier hegt und pflegt er das Gemüse, aus dem er später dann leckere Gerichte für seine Gäste kocht.
Unterkunft Rota Vicentina:
Am Rande der Rota Vicentina haben wir in einer ganz besonderen Unterkunft übernachtet. Die Aldeia da Pedralva ist ein altes Dorf inmitten einer Talsohle. Als Anónio Ferreiera und seine Frau Felipa das Dorf eher durch Zufall entdeckten, war Pedralva schon fast verlassen. Von den vielen Familien, die einst hier lebten, waren 2006 nur noch neun Einwohner übrig geblieben. Um die Siedlung wieder mit buntem Leben zu füllen, tat sich eine Gruppe engagierter Leute um António Ferreira zusammen, und begann die verfallenen und zerstörten Bauernhäuser aufzukaufen und behutsam zu renovieren. So entstand kein neues Luxushotel, sondern ein richtiges neues Dorf. Statt langweiliger Hotelzimmer reihen sich hier einfache, rustikale Bauernhäuser an der kleinen Dorfstraße auf. Fast wie vor hundert Jahren steht hier nun wieder ein kleines Häuschen neben dem anderen.
Zum Projekt der Aldeia da Pedralva gehören neben dem Erhalt des altehrwürdigen Dorfes auch zahlreiche nachhaltige Aktivitäten. Zusammen mit der Rota Vicentina organisieren sie außer Wanderungen und Mountainbike Trails auch Massagen, Eselsreiten oder Kajaktouren. Du kannst sogar Surf- und Tauchkurse machen.
Aldeia da Pedralva
Rua da Baixo – Casa da Pedralva
8650-401 Vila do Bispo
Website: www.aldeiadapedralva.com
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Pressereise. Meine Begeisterung ist davon wie immer unbeeinflusst und beruht auf meinen persönlichen Erfahrungen und Überzeugungen.
Wirklich guter Artikel.
Hier ist ein kleiner Reisetipp.
Herzliche Grüße 🙂