Es ist Frühling, die beste Zeit des Jahres, um in den Pyrenäen wandern zu gehen. Die Wasserfälle sprudeln üppig, die ersten Blüte zeigen sich an den Bäumen und Sträuchern und es ist noch nicht zu warm. Wir fahren nach Castellar d’en Hug, zu den Fonts del Llobregat. In dem kleinen Bergdorf, das zum nördlichsten Zipfel der Provinz Barcelona gehört, will ich meine kleine Wanderung starten. Von Ripoll aus führt eine einsame Landstraße mit einem fantastischen Blick auf den Pedraforca in das Dorf, in dem keine zweihundert Menschen leben. Bis heute sieht der kleine Ort genauso aus, wie er vermutlich schon vor vielen hundert Jahren aus sah. Steinerne Häuser und Gassen schmiegen sich an den Berg und blicken ins Tal hinab.

Aussicht Castellar d'en Hug

Castellar d'en Hug

Von dem großen Parkplatz am Ortseingang führen breite Treppen zur Quelle des Llobregats hinunter. Der Weg ist nicht lang, aber doch recht steil. Die Menschen, die mir entgegenkommen, schnaufen jedenfalls. Immer dem Plätschern des Wassers folgend bin ich schließlich an der Quelle. Das Wasser sprudelt hier direkt aus den Felsen, denn der Kalkstein trifft hier auf eine darunterliegende Schicht wasserundurchlässige Tonerde, und so sucht sich das kühle Nass einen Weg durch die Risse in den Felsen nach draußen. Es sieht schon schön aus, wenn es gleich an mehreren Stellen so kräftig und energiegeladen aus dem Gestein gesprudelt kommt. Kaum vorstellbar, dass das saubere, frische Wasser dieser kleinen Quelle weiter unten zu einem richtigen Fluss wird, an dessen Ufern sich viele Industriebetriebe angesiedelt haben, und beim Flughafen in Barcelona ins Meer mündet.

Quellen des Llobregats
Quellen des Llobregats

An den Wochenenden sind zahlreiche Ausflügler und Familien mit Kindern unterwegs. Doch sobald ich die Quellen ein paar Schritte hinter mir gelassen habe, wird es ruhiger und ich bin mit dem Rauschen des Waldbächleins allein. Mal leiser, mal lauter, ab und zu als kleiner Wasserfall, begleitet mich das Plätschern. Der Wald um mich herum besteht aus Kiefern, Eichen und Sträuchern. Haselnuss, Buchsbaum und Wildrosen gedeihen prächtig. Später im Sommer wachsen hier auch wilde Erdbeeren, Brombeeren und Himbeeren am Wegesrand. Manchmal hört man von irgendwo aus dem Dickicht eine Amsel ihre kleine Melodie trällern. Ich folge den Schildern Richtung La Pobla de Lillet ins Tal und komme schon ziemlich bald an die Moli de les Fonts, ein hübsch gelegenes, kleines Rasthaus, das nach einer Mühle benannt ist, die vermutlich hier bei den Quellen stand. Der Weg ist an dieser Stelle wie eine richtige Straße ausgebaut.

Wandern am Llobregat

Kurz hinter einer Koppel, auf der ein paar Pferde grasen führt der Weg an der Pont de la Farga Vella, einem Hotel neben einer alten Eisenschmiede vorbei und kreuzt die Landstraße. Es geht ein paar Treppenstufen hinunter und schon stehe ich wieder im Wald. Der Weg entfernt sich hier ein bisschen vom Fluss, doch der Wald ist angenehm hell, mit viel Licht.

Pony  GR 270 Wanderweg Llobregat

Neben den rot-weißen Markierungen des GR 270 finden sich auf diesem Teilstück auch gelbe Wegmarkierungen einer anderen Route. Alles ist extrem gut ausgeschildert und alle paar hundert Meter versichern mir die Kennzeichnungen an den Bäumen und auf großen Steinen, dass ich noch auf dem richtigen Weg bin. Nur einmal bin ich an einer Gabelung einem gelben Pfeil nachgelaufen, der groß und deutlich mitten im Weg stand, nur um nach wenigen Metern zu merken, dass es keine rot—weißen Markierungen mehr gab. Ein paar Schritte zurück zur Kreuzung, nochmal gesucht und dann die GR-Kennzeichnung entdeckt, die hinter einer Kurve verborgen war.

Nach einer halben Stunde kommt mir ein wanderndes Pärchen entgegen. Die ersten Menschen, seit ich die Quellen des Llobregat hinter mir gelassen habe. Sie sind in Sant Vicenç de Rus gestartet und wollen nach Castellar d’en Hug hinauf. Ich bin ganz froh, dass ich den Weg bergab gewählt habe. Kurz nachdem die beiden hinter mir im Wald verschwunden sind, komme ich an eine Stelle, an der die Bäume weniger werden und die Erde eine rote Farbe annimmt. Ob der Boden hier eisenhaltig ist? Vermutlich reagieren die Mineralien irgendwie mit dem Kalkstein (hätte ich in Chemie doch besser aufgepasst). Im Zickzack folge ich weiter den rot-weißen Markierungen.

Wandern am Llobregat

Der Llobregat ist jetzt wieder lauter zu hören. Schon kurz darauf erreiche ich einen kleinen Wasserfall, den Salt d’en Guillem. Immer wieder führt mein Weg über kleine, hölzerne Brücken oder zu hübschen Wasserfällen. Dieses Mal durchquere ich das plätschernde Nass auf großen, trockenen Steinen. Auf der anderen Seite geht es zur Abwechslung ein Stück bergauf. Oben angekommen, stehe ich auf einer Lichtung. In der Ferne ist noch der letzte Schnee auf den höhere gelegenen Gipfeln der Pyrenäen zu sehen. Die ersten Blüten sprossen. Zwischendrin kommt immer wieder eine dicke Rohrleitung in Sicht, die wie eine Pipeline von den Quellen hinab zur Zementfabrik führt.

schnee auf den Gipfeln
Pipeline für das Wasser zur Zementfabrik

Wieder führt mich die Strecke zu einem Stück mit roter Erde und ich bahne mir an dem welligen Hang einen Weg. Die kleine Kirche von Sant Vincenç de Rus ist schon zu sehen und ich folge einfach der Pipeline. Kurz vor der kleinen Kirche versperrt ein Weidezaun den Pfad. Ich hake vorsichtig den Draht aus und wieder ein, dann stehe ich auch schon vor der hübschen romanischen Kapelle. Innen sollen trotz diverser Restaurierungsmaßnahmen noch original gotische und romanische Wandmalereien zu sehen sein. Doch die Tür ist leider verschlossen. Neben der kleinen Kirche liegt La Farga de Sant Vicenç de Rus, früher eine Eisenschmiede, heute ein Hotel mit Gaststättenbetrieb und einem Picknickplatz. Weiter geht es den Berg hinab, wieder durch einen Weidezaun zum Wasser hinunter.

Sant Vicenç del Rus

Brücke Wandern am Llobregat

Wandern am Llobregat

Der Pfad überquert das Bächlein und führt ein Stück hinauf zu einer Schotterpiste, wo erneut ein Weidezaun den Weg versperrt. Auf der Schotterstraße geht es bis zu einem großen, offenen Kuhstall, an dem die Rindviecher mich laut muhend begrüßen. Links an den Kühen geht der Weg nun direkt am Llobregat auf einem schattigen Waldweg weiter, immer den rot-weißen Markierungen folgend. Dieser Abschnitt der Strecke führt in eine kleine Schlucht und ist für mich einer der schönsten. Der Untergrund kann teilweise steinig und rutschig sein, aber ist gut zu laufen. Mein Handy meint, ich sei am Pas del Os, dem Durchgang des Bären angekommen. Ich sehe mich um, aber entdecke kein Schild, das mir mehr verraten würde. Ist der Pas del Os die Felsformation über mir oder die Schlucht unter mir? Nach einer Weile erreicht der Pfad wieder einen Waldweg und ich höre schon, dass die kleine Landstraße von hier nicht mehr weit sein kann.

wegstück zum Pas del Os

Wandern am Llobregat

Pas del Os wanderweg

Kurz darauf erreiche ich die Straße und sehe schon die Kreuzung, die zur Zementfabrik führt. Die Wegkennzeichnung lenkt mich die letzten paar hundert Meter auf der asphaltierten Landstraße zum Museu del Ciment. Bei der alten Zementfabrik wartet Michi, der während meiner Wanderung das Museum erkundet und den Ruinen einen Besuch abgestattet hat. Er weiß jetzt alles über die Herstellung von Zement und dass sogar schon die Römer etwas Zementähnliches erfunden hatten. Doch das Rezept des antiken Zements war schon lange verloren gegangen, als man gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Amerika ein Verfahren entwickelte, mit dem aus Kalkstein und Wasser (und Kohle zum Erhitzen) der sogenannte Portlandzement hergestellt wurde. Dabei wird der Kalkstein gemahlen, stark erhitzt und unter Zugabe von ein paar anderen Zutaten zu Zement verarbeitet.

wandern

In Katalonien erkannte ein reicher Industrieller schnell, dass dieses neue Produkt bald von großer Bedeutung sein würde. Sein Name war Eusebi Güell i Bacigalupi, der Freund und Mäzen des Architekten Antoni Gaudí. Man kopierte die in England entwickelte Technik und patentierte sie hier unter dem Namen Asland Ciment. Eine Gruppe einflußreicher Männer um Güell setzten sich für den Bau einer Fabrikanlage am Clot del Moro ein. 1901 war die Asland-Ciment-Fabrik die erster dieser Art in Katalonien. Viele Jahrzehnte lang produzierte man aus dem Kalkstein Zement, mithilfe dessen in den Städten große Bauten wie das Hospital de Sant Pau oder das Hotel Ritz errichtetet werden konnten. Die Fabrik gab vielen Menschen Arbeit. Es war keine leichte, oft sogar gefährliche Arbeit, aber ein guter Brotverdienst. Im Laufe der Jahrzehnte entstanden in Katalonien andere Zementfabriken, näher an Barcelona und den üblichen Transportwegen. Die alte Fabrik in den Bergen war zu kostspielig und musste 1975 ihre Tore schließen. Heute ist in dem modernistischen Gebäude ein Museum eingerichtet. Die eigentliche Fabrik ist nur noch eine Ruine.

Tren del ciment

Gegenüber der Ciment Asland befindet sich ein kleiner Bahnhof. Die Bahnlinie führt hinunter nach La Pobla de Lillet und wurde damals extra für den Transport des Zements angelegt. Heute fahren Ausflügler damit vom Tal hinauf zur Fabrik oder steigen unterwegs an den Jardins Artigas aus, denn die von Gaudí entworfene Gartenanlage ist eine der Haltestellen des Tren del Ciment. Meine Strecke geht jedoch über eine freie Fläche weiter ins Tal. Kurz hinter dem Museum komme ich an einem Kanal zu den Überresten einer alten Mühle. Hier zögere ich kurz, entscheide mich dann aber an der Kreuzung für die linke Abzweigung, einen schmalen Pfad, der direkt an den Ruinen des alten Gebäudes entlang weiter nach links führt.

alte Mühle blüten

Der Wald duftet nach Ginster, Pinien und Waldboden. Für die Jahreszeit ist es erstaunlich heiß. Auf jeden Fall ist es deutlich wärmer als die angekündigten 22 Grad. Obwohl der Weg wirklich leicht zu laufen ist, komme ich auf diesem Stück kurz gegen Ende der Strecke ins Schnaufen. Die Bäume haben noch kein dichtes Blätterdach gebildet, das mich vor der Sonne schützen könnte und mein Wasser ist leer. Als es dann ein kleines Stück bergauf geht, werde ich immer langsamer und fluche leise vor mich hin. Doch hey, La Pobla de Lillet kann jetzt nicht mehr weit sein.

wandern in den Pyrenäen

Ginster Wandern am Llobregat

Ein Stück des Weges führt oberhalb eines gemauerten Kanals entlang. Unter mir müssen irgendwo die Jardins Artigas liegen, aber durch das dichte Buschwerk ist der Garten von oben nicht zu sehen. Allerdings komme ich bald an eine Mauer. Das könnte die obere Begrenzungsmauer des Grundstücks sein. Immer an der Mauer entlang komme ich zu einer moosbewachsenen Quelle. Gleich ist es geschafft! Der letzte Teil der Strecke führt noch mal durch ein Stück Wald und über ein Lichtung, dann ist La Pobla de Lillet zu sehen. Schon höre ich auch die kleine grüne Bahn näher kommen, die zwischen hier und der Zementfabrik pendelt. Auf der linken Seite führt ein großes, nicht zu übersehendes Schild zum Jardins d’Artigas. Doch meine Schritte führen mich jetzt schnurstracks durch das Dorf in die Bar Rosalia, wo Michi mit Wasser und Käsebrot auf mich wartet.

WAndern in den PyrenÄeb

Quelle moosbewachsene

La Pobla de Lillet

Nützliche Informationen Wanderweg Llobregat GR 270:

Der GR-270 verläuft als Fernwanderweg von den Quellen bis zur Mündung des Llobregats. Die erste Etappe ist die Strecke von Castellar d’en Hug über La Pobla de Lillet bis Guardiola de Bergueda. Mein Streckenabschnitt ist nur ein Teil dieser ersten Etappe. Der Weg den ich gelaufen bin, war ziemlich genau 10 km lang und einfach zu gehen. Mehr Infos über den Wanderweg auf Deutsch findest du hier: www.barcelonaesmoltmes.cat/de/llobregat-weg

Blüten am WEgesrand

Das Museu del Ciment hat einen eigenen Youtube Kanal. 

Auch wenn es selbstverständlich sein sollte:

Unbedingt festes Schuhwerk tragen, genügend Wasser einpacken und an eine Kopfbedeckung gegen die Sonnenstrahlen denken. Erstaunlicherweise hatte ich unterwegs ziemlich guten Handyempfang und konnte Michi ein paar Whatsapp-Nachrichten schicken. Allerdings nicht überall, also wenn du mit einer App wanderst, den Weg vorher downladen.

Bitte respektvoll mit der Natur umgehen, keinen Müll hinterlassen und die Weidezäune wieder ordentlich verschließen.

Wandern am Llobregat ist das ein triton?(ist das vielleicht ein kleiner Triton? … oder nur eine normale Eidechse?) 

Das Wasser aus dem Llobregat sollte man besser nicht trinken (keine Ahnung warum- vielleicht wegen des Tritons?), aber es gibt eine Quelle am Anfang und am Ende des Weges.

Falls du Gaudís besonderen Architekturstil magst und keine Lust auf lange Wartenschlangen hast, dann solltest du unbedingt in den Jardins Artigas vorbeischauen 🙂

jardins artigas el poblet de lillet