Schmale Gleise einer alten Bahn führen mitten durch den kleinen Ort. Sie sind praktisch die Straße. Rechts und links ist kein Zentimeter Platz übrig, denn die Mauern der Wohnhäuser reichen bis fast an die Schienen heran. Wir passen gerade so dazwischen. Sind wir hier überhaupt richtig? Der Weg zu den Jardins Artigas ist schon ein kleines Abenteuer. Unsicher und etwas ängstlich (was tun, wenn uns hier wer entgegenkommt?) erreichen wir schließlich eine Papierfabrik. Hier endet die Straße, mitten im Wald. Ob wir doch falsch abgebogen sind? Ein schwitzender Arbeiter macht sich an einem LKW zu schaffen. Gerade werden Stapel gepressten Altpapiers entladen. Wir gucken vermutlich etwas dumm. Doch dann entdecken wir ein kleines Schild, das alles aufklärt.

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Wir sind richtig. Die Schienen, auf denen wir hergekommen sind, dienten früher dazu, die Kohle aus den Minen in die nahe gelegenen Fabriken zu transportiert. Heute fährt hier nur noch eine kleine Bummelbahn des Fremdenverkehrsamtes. Wer die Jardins Artigas besuchen will, kann also entweder mit dieser Bahn herkommen oder – wie wir – mit dem Auto bis zur Papierfabrik fahren. Von dort aus geht es dann zu Fuß weiter in den Wald.

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Der Weg ist nicht weit. Nach einem kleinen Spaziergang, immer den Schienen nach, stehen wir schließlich am Eingang des Gartens, den Antoni Gaudí vor über Hundert Jahren entworfen hat. In einem kleinen Tal, das zwischen zwei steilen Hängen ruht, liegt dieses wundersame grüne Fleckchen, eine Oase im Gaudí Stil. Seine Bauwerke erkennt man ziemlich schnell an den merkwürdig organisch wirkenden Formen, die stets an Knochen, Schuppen oder irgendwie zerfließend wirken.

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Es ist echt still hier oben. Keine Erfrischungsstände, Andenkenverkäufer oder Touristen mit Selfiesticks. Aber ganz allein sind wir auch nicht. Zwei Familien haben sich heute dazu entschieden, die Jardins Artigas zu erkunden. In der kleinen, sich durch das Tal windenden Anlage, geht es entspannt und beschaulich zu. Ganz gemütlich steigen wir die Treppe zum Garten hinab, bummeln über die Brücken, die den Fluss überqueren und bestaunen die vielen Symbole, die überall versteckt sind.

Natürlich gibt es in diesem Garten eine kleine Grotte, einen Wasserfall, mehrere Quellen und besondere Bänke und Sitzecken zum Ausruhen. Als überzeugter Christenmensch hat Gaudí auch in den Jardins Artigas wieder Symbole seines Glaubens hinterlassen und die vier Evangelisten in Form eines Ochsen, eines Löwen, eines Engels und eines Adlers dargestellt.

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Aber wie kommt es, dass dieses Werk Gaudís so weit von Barcelona entfernt, hier oben in den Pyrenäen entstanden ist? Eusebi Güell, dem reichen Mäzen und Freund Antoni Gaudís, gehörte eine große Zementfabrik nahe den Kohleminen von Castellar de n‘Hug. Als er den Architekten 1905 mit dem Bau einer Unterkunft für die Ingenieure und Arbeiter beauftragte, das Xalet de Catllaràs, kam Gaudí für ein paar Tage hier hinauf in die Berge. Während dieser Zeit in Pobla de Lillet war Gaudí Gast im Haus des Senyor Joan Artigas, ebenfalls ein wohlhabender Industrieller. Zum Dank für die freundliche Unterbringung schenkte Gaudí der Familie die Pläne zum Bau eines Gartens. Und so entstand auf einem ungenutzten Grundstück zwischen Wohnhaus und Fabrik des Herrn Artigas, dieser kleine Park.

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Während ich durch diesen Zaubergarten bummle und mir die flanierenden Damen und Herren des vergangenen Jahrhunderts vorstelle, wird mir plötzlich klar, dass das rauschende Wasser des Llobregats und das Gezwitscher der Vögel die einzigen Geräusche sind, die uns hier umgeben. Das Fehlen jeglichen Lärms der Zivilisation, an den wir so gewöhnt sind, wirkt richtig beruhigend. Ich atme tief ein und meine Lungen füllen sich mit frischer Waldluft. Gaudí war ein wahrer Meister darin, Natur und Architektur harmonisch zu verbinden. Ob man seinen Stil nun immer schön findet oder nicht, ist sicherlich Geschmackssache, aber auf jeden Fall sind seine Bauwerke ziemlich einzigartig.

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Infos Jardins Artigas

Jardins Artigas
Carrer del Ferrocarril
08696 La Pobla de Lillet (Barcelona)

Website: www.turismelillet.cat

Eintritt: 4,20 Euro für Erwachsene
Kinder zwischen 6 und 13 Jahre: 2,10 Euro
Kinder bis 5 Jahre: gratis

Anfahrt:
Von Bagà aus, wo wir zwei Nächte verbrachten haben, sind es ungefähr 20 Minuten Fahrt mit dem Auto. Von Barcelona aus fährst Du ungefähr 2 Stunden hierher. Entweder über die Autobahn bis Berga, das geht etwas schneller, oder über Vic durch die Berge, das dauert ein paar Mintuten länger.

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