Im Spätherbst ist die Sierra de Grazalema besonders schön. Ich mag das Licht, das um diese Jahreszeit die kleinen weißen Dörfer wie Olvera, Arcos de la Frontera oder Setenil de las Bodegas besonders schön aussehen lässt. Korkeichen säumen die schmalen Straßen, die sich durch die Sierra winden. Schafe und Ziegen bevölkern die bergige Landschaft. Hier oben ist es deutlich kühler und sehr viel windiger als an der Küste. Und es regnet deutlich mehr. In diesem Gebirgszug kann im Winter sogar Schnee fallen. Durch unzählige Kurven fahre ich in das kleine Dorf Villaluenga del Rosario. Dort liegt die Käserei Payoyo, ein kleines Familienunternehmen, das sich der Herstellung des traditionellen Ziegen- und Schafskäses der Sierra verschrieben hat.
Carlos Ríos, einer der beiden Firmengründer, und seine Tochter Anna erzählen, dass die Schäfer und Ziegenhirten in den Bergen schon seit Jahrhunderten mit der Milch ihrer Herden kleine Mengen Käse produzieren. In den 90er Jahren beschloss Carlos gemeinsam mit einem Freund, dem Schäfer Andrés Piña, eine eigene Käserei zu gründen, um den traditionellen Bergkäse auf die althergebrachte Art, aber in größeren Mengen zu produzieren.
Von dem kleinen Ort Villaluenga del Rosario fahren wir gemeinsam nach Grazalema weiter, wo die Ziegen und Schafe weiden. Die autochthone Payoya Ziegen fühlen sich wohl in diesem eher rauen Klima. Dank des vielen Regens gibt es immer genügend Futter, und die Ziegen können das ganze Jahr über zwischen den Felsen herumspringen. Der Wind wehr den Duft von grünem Gras herüber. Ich atme die frische, saubere Luft der Sierra de Grazalema und beobachte wie die Tiere friedlich im Schatten der Bäume grasen. Die Ziegen und Schafe dieser kleinen Käserei sehen nicht nur gut genährt, sondern auch glücklich aus. Kein Wunder, dass mir der Käse so gut schmeckt!
Nach einer kleinen Verkostung und mit zwei Käselaiben im Gepäck mache ich mich wieder auf den Weg. Bevor ich nach Hause fahre, werfe ich noch einen kurzen Blick auf Grazalema, das Dorf, das in Spanien für seine Wolldecken bekannt ist. Hier entwickelte sich zu Beginn des letzten Jahrhunderts eine ganze Industrie rund um die Wolle der Schafe. Voraussetzung für diese florierende Wirtschaft waren einerseits die vielen Schafe, andererseits aber auch das hohe Wasservorkommen dieser regenreichen Region.
Einer der Gründe warum der heute so beliebte Schaf- und Ziegenkäse ursprünglich nur für den familiären Bedarf hergestellt wurde, war, dass die autochthonen Merinoschafe der Sierra de Grazalema eigentlich Wollschafe sind und nicht besonders viel Milch geben. Wichtig war, dass sie ordentlich viel Fell hatten! Gewebt wurde meist in den Häusern, die Fertigstellung der Wolldecken und auch anderer Textilien erfolgte in einer der zahlreichen Textilfabriken. Lange Zeit lebten fast alle Bewohner Grazalemas direkt oder indirekt von der Wolle ihrer Schafe.
Die Textilindustrie produziert längst anderswo günstiger und nur wenige Fabriken haben hier überlebt. Dafür ist die Sierra inzwischen ein beliebtes Ziel für Touristen und Wochenendausflügler. An den Wochenenden machen sich ganze Scharen an Großstädtern aus Sevilla und Málaga auf den Weg, um ein paar Stunden in der Natur zu verbringen. Mit Freunden oder mit der Familie wandern sie durch diese bezaubernde Naturlandschaft. Wir haben den Fehler gemacht und das Dörfchen Setenil de las Bodegas, dessen Häuser direkt in den Felsen geschlagen wurden, an einem Wochenende zu besuchen. Die malerischen Straßen ziehen jedoch selbst im Herbst noch so viele Besucher an, dass es uns einfach viel zu voll war und wir enttäuscht das Weite gesucht haben. Mein Tipp: unbedingt an einem Wochentag hinfahren! Denn der Ort ist eigentlich wirklich schön, aber wenn sich die Massen durch die Gassen schieben, macht es nicht so wirklich Spaß.
Ungefähr an dem Punkt, an dem die drei Provinzen Málaga, Sevilla und Cádiz aufeinandertreffen, liegt ein Ort, der mir persönlich viel besser gefallen hat als Setenil de las Bodegas: Olvera. Wenn man sich über die Landstraße diesem kleinen, weißen Dorf nähert, bieten die imposante Burg und die Kirche, die weit über die Dächer Olveras hinausragen, einen beeindruckenden Anblick. Leider konnte ich dort nicht anhalten, um ein Foto zu schießen, aber wenn man mehr Zeit hat, lohnt es sich sicher, dort nach einer Parkmöglichkeit zu suchen, denn der Blick aufs Dorf war einfach wunderschön.
In Olvera selbst habe ich das Auto abgestellt und bin zu Fuß zum höchsten Punkt spaziert, an dem sich die Burg und die Kirche befindet, die man von Weitem sehen kann. Die Aussicht über die Ebene ist der Hammer. Leider fanden dort oben gerade Bauarbeiten statt und einige Zuwege waren abgesperrt, sodass ich nicht alles ansehen konnte. Aber in einem Gebäude nahe der Kirche ist ein kleines Museum „La Cilla” untergebracht, das die Geschichte Olveras erzählt. Wo heute friedlich die drei Provinzen Sevilla, Cádiz und Málaga aufeinandertreffen, verlief lange Zeit die Grenze zwischen maurischer und christlicher Welt. Es war eine heftig umkämpfte Region, in der muslimische Taifas und katholische Königreiche um die Vorherrschaft stritten. Stadt um Stadt wurde erobert, bis die maurische Bevölkerung 1492 endgültig von der Iberischen Halbinsel vertrieben wurde.
Seit dem Mittelalter ist Olvera natürlich längst über die Festungsmauern hinausgewachsen. Ich wandere zwischen den weißen Häusern wieder bergab, in die neueren Ortsteile. Auf einer kleinen Anhöhe, dem Peñón del Sagrado Corazón, thront seit 1929 eine Erlöserstatue, die mit ihren ausgebreiteten Armen an den berühmten Cristo Redentor in Rio de Janeiro erinnert. An dem Hügel zu Füßen der Statue wächst und gedeiht jedoch ein üppig wuchernder Garten, der sich eng an den felsigen Hang schmiegt. Als erstes erreicht der unverwechselbare Duft eines Feigenbaums meine Nase. Mein absoluter Lieblingsduft, den ich immer sofort erkenne. Der Jasmin erstrahlt in weißen Blüten und ein malerischer alter Brunnen erinnert mich an die Märchen der Gebrüder Grimm. Dieser hängende Garten ist zwar nicht groß, aber dafür einfach ein echter Lieblingsplatz.
Infos zur Sierra de Grazalema
Die Fabrik in Grazalema, in der heute noch Wolldecken hergestellt werden, habe ich leider nicht mehr besucht, aber die Verkostung des Payoyo Käses und die lustigen Ziegen fand ich mega 🙂
Mantas de Grazalema
Carretera de ronda,
11610 Grazalema, Cádiz
www.mantasdegrazalema.com
Queso Payoyo Sl,
Calle Ermita, 14 Nave,
11611 Villaluenga del Rosario, Cádiz
www.payoyo.com
Museo de la Cilla
Plaza de la Iglesia
11690 Olvera, Cádiz
www.turismolvera.com
Hängender Garten/ Jardin colgante
Zugang von der Plaza Andalucia aus, auf der sich auch ein nettes Restaurant (Neotaberna Tarara) befindet
Pl. Andalucía
11690 Olvera, Cádiz
Peñon del Sagrado Corazón
Setenil de las Bodegas:
(bereist im November 2023)
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