Vom Zentrum der Stadt aus scheinen die schneebedeckten Hügel der Berge zum Greifen nah. Gut geschützt in einem großen Tal zwischen dem Witoscha-, dem Ljulin- und dem Losen-Gebirge liegt Sofia.
Ein Bummel durch faszinierende Geschichte Bulgariens:
Schon die Römer wussten die strategische Lage des Örtchens zu nutzen und gründeten die Siedlung auf einem kleinen Hügel zwischen den Bergen. Doch die Römer waren bei Weitem nicht die Ersten, die hier ihre Hütten errichteten. Mazedonier, Thraker, ja sogar in der Steinzeit lebten schon Menschen hier. Immer wieder stoßen die Bulgaren daher bei Bauarbeiten auf archäologische Funde. Erst vor ein paar Jahren entdeckten sie wieder Teile einer alten Römerstraße, die zusammen mit den Resten römischer Wohnhäuser und Thermen freigelegt und zugänglich gemacht wurden.
Ausgrabungen an der Metrostation Serdika
Nach den Römern kamen die Osmanen, die der römischen Stadt Serdica, oder Sredez, wie sie später hieß, ein ganz anderes Gesicht verliehen. In der orientalischen anmutenden kleinen Ortschaft gab es im sechzehnten Jahrhundert fast hundert Moscheen. Sweta Sofia bestand damals aus kleinen Holzhütten, Wasserleitungen gab es nicht und auch die Wege waren ungepflastert. Aber die Stadt lag strategisch günstig, nahe an den Handelswegen zwischen Europa und Asien. Bis zur Befreiung Sofias durch die Russen lebten nur rund 12 000 Menschen in dem kleinen Ort. Erst nach der Befreiung von den Osmanen 1879 wurde Sofia neue Hauptstadt des bulgarischen Reichs.
Wie ein Schulkind versuche ich laut lesend die einzelnen Buchstaben auf den Schildern zu entziffern. Nur mühsam gelingt es mir Straßennamen oder Werbebotschaften an den Wänden zu verstehen. In Bulgarien schreibt man Kyrillisch und ich habe meine liebe Not damit. Irgendwie finde ich es vor allem sehr spannend: Mitten in Europa fühle ich mich abenteuerlich herausgefordert und freue mich wie ein Schneemann, wenn ich eines der „Rätsel“ lösen kann – selbst wenn es nur eine Werbebotschaft ist. Aber zum Glück bin ich aber nicht allein unterwegs. Ohne Jordina, meine Reiseführerin, hätte ich wohl wesentlich länger für meinen Spaziergang durch Sofia gebraucht.
Alexander Newski Kathedrale
Wir stehen vor der Alexander-Newski-Kathedrale, die sich inmitten eines großen Platzes in den fast wolkenlosen blauen Himmel erhebt. Die prachtvolle Kirche ist das größte Gotteshaus und mittlerweile auch eines der Wahrzeichen Sofias.
„Kannst du dir vorstellen, warum die Bulgarien für den Schutzheiligen des russischen Zaren so viel Aufwand betrieben haben“, fragt mich Jordina. Kann ich natürlich nicht. Aber ich weiß auch nicht wirklich viel über die Beziehung zwischen Russland und Bulgarien, außer dass sie dasselbe Alphabet benutzen, das von einem Bulgaren namens Kyrill entwickelt wurde, wie ich erst vor ein paar Tagen gelernt habe. Und dass die russische und die bulgarische Sprache ziemlich eng miteinander verwandt sind, das habe ich auch schon mitgekriegt. Vermutlich lässt das auf eine irgendwie verbundene Vergangenheit schließen. Aber ob gemeinsame Wurzeln der Grund sind, so einen Prachtbau zu errichten? Jordina erklärt es mir.
Die Alexander-Newski-Kathedrale wurde nach der Befreiung Bulgariens von den Osmanen errichtet. 1882 legte man den Grundstein der Kirche, 1912 war sie bereits fertiggestellt. (Das ging ziemlich schnell, wenn ich bedenke, dass sie an der Sagrada Familia schon über hundert Jahre bauen.) Viele Jahrhunderte lang hatten die Bulgaren vergeblich versucht, die ungeliebten Besatzer abzuschütteln. Doch alle Erhebungen und Revolten waren fehlgeschlagen. Schließlich planten sie einen letzten, großen Aufstand. Dieses Mal wollten sie sich absprechen und in vielen Dörfern zur gleichen Zeit losschlagen. Die Bulgaren hofften, dass die Osmanen die notwendigen Truppen nicht so schnell aus dem Hauptland hierher holen konnten, und sie nur wenige Wochen Widerstand leisten mussten, bis Rettung aus Europa kam.
Doch die Osmanen erfuhren vorzeitig von dem Plan der Rebellen. Der Aufstand war verraten worden. Gnadenlos verfolgten die Besatzer nun die Aufrührer und ließen ihre Widersacher kaltblütig und grausam hinrichten. Tausende Tote, unzählige, niedergebrannte Dörfer, viel Leid, Elend und Zerstörung waren das Ergebnis der misslungenen Revolte. Das einzige Positive war, dass die europäischen Medien endlich von den furchtbaren Zuständen in Bulgarien Kenntnis nahmen und darüber berichteten.
Reiterstandbild Zar Alexander II – der „Befreier“
Kurze Zeit später griffen russische Truppen die Osmanen an und vertrieben sie aus Bulgarien. In blutigen Schlachten ließen viele russische Soldaten ihr Leben für die Freiheit der Bulgaren. Nachdem Russland die osmanischen Besatzer besiegt und vertrieben hatte, besetzten sie Bulgarien jedoch nicht, sondern überließen das Land den Bulgaren und ermöglichten ihnen eine eigene Entwicklung. Aus Dank dafür errichteten die Befreiten diese mächtige Kathedrale. Und trotz der teilweise recht komplizierten Beziehungen der beiden Länder, haben die Bulgaren bis heute nicht vergessen, dass es die Russen waren, die ihnen damals in der Not halfen, als ganz Europa wegschaute.
Ein sehr spannendes Stück Geschichte, das ich noch im Kopf habe, während wir die neobyzantinische Kathedrale betreten. Während die Kirche von außen sehr „russisch“ wirkt mit ihren bunten Zwiebeltürmchen, erinnert sie mich innen eher an orientalische Paläste. Feine Holzschnitzereien, üppige Marmor- und Golddekorationen schmücken den Altar und den Thron des Patriarchen. Von den Wänden blicken streng die Heiligen in den großen Saal herab. Trotz ihrer Größe finde ich die Alexander-Newski-Kathedrale, im Gegensatz zu den meisten katholischen Kirchen, fast schon gemütlich.
Sweta Sofia
Fast schüchtern erhebt sich auf einem Hügel in der Nähe der großen Kathedrale, die Sweta Sofia. Diese eher unscheinbare Kirche, beziehungsweise die Hagia Sofia, der sie gewidmet ist, hat der Hauptstadt Bulgariens ihren Namen gegeben.
Als die erste Kirche an dieser Stelle gebaut wurde, lag dieser Platz noch außerhalb der Stadtmauern. Im Laufe der Zeit wurde das Gotteshaus mehrfach zerstört und wieder aufgebaut, war zwischendurch eine Moschee, dann wieder Kirche, ein Lagerhaus und sogar eine Feuerwache. Im unteren Geschoss der Kirche befindet sich heute ein Museum. Dort kann man sowohl die Überreste des ersten Gotteshauses, das die frühen Christen an dieser Stelle errichtet hatten als auch archäologische Funde aus der Zeit der römischen Nekropole bewundern.
Geschichte Bulgariens
Während Jordina und ich weiter durch Sofia bummeln, erzählt sie mir, wie die Geschichte Bulgariens weiterging, nachdem die russischen Truppen die Osmanen vertrieben hatten.
Die europäischen Großmächte hatten sich in den Berliner Verträgen darauf geeinigt, dass Bulgarien geteilt werden sollte. So entstanden das Fürstentum Bulgarien im Norden, die osmanische Provinz „Ostrumelien“ im Süden und die Region Makedonien, die jedoch vollständig in den Händen der Osmanen verblieb.
Das Fürstentum Bulgarien sollte laut der neuen Verfassung eine konstitutionelle Monarchie werden. Da jedoch die alten bulgarischen Adelsgeschlechter unter der osmanischen Herrschaft ausgerottet worden waren, mussten sich die Bulgaren sich 1879 auf die Suche nach einem passenden Regenten machen. Jung, orthodox und ledig sollte er sein, das waren die Bedingungen, die die Thronanwärter erfüllen sollten.
Bulgarien war damals nicht unbedingt einer der angesagtesten Orte Europas. Das Land war arm und galt als rückständig. Viel hatte man den potenziellen Kandidaten nicht zu bieten. Die jungen Adeligen stritten sich nicht gerade um den Posten auf dem bulgarischen Thron. Doch bald wurde man fündig: Alexander von Battenberg schien der ideale Herrscher zu sein. Er hatte bereits im russisch-türkischen Krieg für die Bulgaren gekämpft und war eng mit dem russischen Zaren verwandt. Alexander der I. verliebte sich prompt in das kleine Land und alles schien prima. Doch der Zar war nicht zufrieden mit der Regierungsweise des jungen Alexanders. In den folgenden Jahren konnten die beiden Teile Bulgariens zwar wiedervereinigt werden, doch Alexander hatte die Gnade des russischen Herrscherhauses verloren und wurde schließlich abgesetzt.
Da der junge Fürst noch keine Nachkommen gezeugt hatte, ging die Suche nach einem Regenten erneut los. Es war nicht einfach, in den europäischen Adelshäusern jemanden zu finden, der bereit war, die Verantwortung für das junge Bulgarien zu übernehmen. Die Bulgaren mussten Zugeständnisse machen und krönten einen Deutschen: Ferdinand von Coburg-Gotha war zwar nicht mehr ledig und auch nicht orthodox, aber immerhin adelig und willig, den Job als neuen Landesvater anzunehmen. Doch leider machte der Luxus liebende Ferdinand mehr Schlagzeilen mit seiner Verschwendungssucht, als durch gute Arbeit.
Sweta Nikolai
Mittlerweile sind wir auf einer dritten kleinen Kirche angelangt, der Sweta Nikolai. Diese russisch-orthodoxe Sankt Nikolaus Kirche steht praktisch im Garten der russischen Botschaft. Da die Bulgaren lange Zeit keinen eigenen Patriarchen hatten, bestanden die russischen Gläubigen auf einer eigenen Kirche. Und die haben sie dem Heilige Nikolaus gewidmet, dem Beschützer der Seeleute und der Bänker. Warum der Nikolaus hier eine ganz andere Bedeutung hat, als der Geschenke bringende Mann mit dem weißen Bart bei uns, erzähle ich aber ein anderes Mal.
Noch mehr Tipps und Infos zu Sofia:
Alexander Lewski Kathedrale:
Der Eintritt ist zwar frei, aber wenn Du fotografieren willst, musst Du zehn Lew zahlen, also rund fünf Euro. Das Geld ist eine Art Spende zum Erhalt der Kirche, den sie dringend brauchen. Die Quittung für die Fotoerlaubnis muss man gut sichtbar bei sich tragen, denn im Innenraum gibt es strenge Kontrolleure, die genau aufpassen!
In dem schönen Haus befindet sich der Sitz der Heiligen Synode, die die bulgarisch-orthodoxe Kirche leitet. An ihrer Spitze steht der Patriarch.
Die Sankt Georg Rotunda Kirche – dort finden noch Gottesdienste statt!
die Sveta Petka Kirche – inmitten der Ausgrabungen an der Metrostation Serdika
Hagia Sofia – wo heute die Dame in Schwarz und Gold thront, befand sich früher ein Lenin-Denkmal. Das befindet sich mittlerweile im Museum. Der Kranz in der Hand der Hagia Sofia steht übrigens für Glauben, die Eule bedeutet Weisheit.
Sankt Georg ist ein wichtiger Heiliger in Bulgarien. Da die orthodoxe Kirche sich aber nach einem anderen Kalender richtet als die katholische Kirche, wird der Georgstag in Sofia am 6. Mai, nicht wie in Barcelona am 23. April, gefeiert.
Nationalversammlung Bulgariens
Denkmal Stefan Stambolov (1854-1895) – Der Premierminister Bulgariens war einer der bedeutendsten Politiker des Landes. Das Denkmal steht auf dem Crystal Garden genannten Platz, auf dem Stambolov ermordet wurde. Früher befand sich hier das Café Crystal, ein bekannter Treffpunkt der Künstler und Intellekturellen.
Das neoklassizistische Nationaltheater am Stadtgarten
Übrigens: Mittlerweile werden die Straßennamen in Bulgariens Hauptstadt längst in kyrillischen und lateinischen Buchstaben auf die Schilder gedruckt. In den kleinen Dörfern auf dem Land ist das allerdings nicht immer so.
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Pressereise zu der ich von Bulgarien Eden eingeladen wurde. Die hier dargestellten Ansichten beruhen ausschließlich auf meinen persönlichen Erlebnissen und geben meine private Meinung wieder.
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