Einer der bedeutendsten zeitgenössischen Maler und Bildhauer Barcelonas ist Antoni Tàpies. Zeit seines Lebens war der links-intellektuelle Boheme ein Künstler, der sich auch politisch engagierte.
Tàpies ist einer der Lieblingskünstler meiner Freundin Ines, die mich heute in sein Museum, die Fundaciò Antoni Tàpies, führt. Sie kennt sich prima mit seinem Leben und seinem Werk aus und erzählt mir zum Beispiel, dass Tàpies Autodidakt war. Nie hat er eine Kunstakademie besucht, war aber schon in jungen Jahren mit vielen einflussreichen Köpfen, Künstlern und Intellektuellen befreundet. Schon früh haben Picasso und Miró Tàpies Talent erkannt und gefördert. In den sechziger Jahren stellte er seine Werke bereits in Stockholm, Manchester, New York oder auch auf der Documenta in Kassel aus. Während die politische Lage in Barcelona immer kritischer, und die Stimmen gegen die Diktatur Francos immer lauter wurden, war auch Tàpies in seiner Heimat aktiv. Unter anderem schuf er 1974 eine Reihe Lithographien, die Assasins, mit denen er gegen die Exekution des Salvador Puig Antichs und gegen die Todesstrafe protestierte.
Informelle Kunst:
Tàpies Kunst bricht mit konventionellen Regeln, will sich absetzen von den vorhergehenden Strömungen. Statt mit schrillen, bunten Farben arbeitet er mit einer sehr reduzierten Farbpalette. Seine Bilder und Kollagen sind meist in grau, schwarz, weiß und vor allem braunen Erdtönen gehalten. Vielfalt findet man aber bei den verwendeten Materialien. Schon lange vor den heute angesagten Recycling-Trends, setzt Tàpies unterschiedliche Stoffe ein, die teilweise aus dem Müll zu stammen scheinen. Neben Sand, Beton oder Erde arbeitet er mit Plastik, Scherben, Fäden oder groben Textilien. Dabei lässt er die verschiedenen Materialien immer in irgendeiner Weise miteinander verschmelzen. Ines meint, Tàpies lässt auch das Material selbst sprechen: Oft findet man scheinbar zufällig entstandene Unebenheiten, Kleckse, Fäden oder Schattierungen, die dann bei genauerem Hinsehen doch von Bedeutung für die Wirkung der Komposition sind.
Völlig fasziniert erklärt mir Ines wie die Gegensätze, die eines der hier ausgestellten Bilder ausmachen, überhaupt zustande kommen. Die Kollage wirkt gleichzeitig massig und fest, aber auch transparent und leicht. Es ist ein meisterhaftes Spiel mit Formen, Farben und den Materialien selbst. Langsam beginne ich diese informelle Kunst zu verstehen. Jedenfalls bin ich jetzt wie hypnotisiert. Minutenlang starre ich dieses Werk an, und versuche herauszufinden, warum ich es sowohl als weich und zart als auch hart und kalt empfinde.
Auch wenn es alles andere als schön ist, gefällt mir ein Werk besonders gut. Es ist eine braune Leinwand, aus der reliefartig eine Ausstülpung hervortritt, wie ein hängender Kartoffelsack. Irgendwie erinnert es mich an eine Hängematte, oder einen riesigen Kängurubeutel oder an einen Babybauch.
Bild für Bild laufen Ines und ich guckend und staunend durch das Museum. Die Fundaciò ist nicht besonders groß aber in einem wunderschönen, modernistischen Gebäude untergebracht, das Lluís Domènech i Montaner Ende des neunzehnten Jahrhunderts entworfen hatte. Antoni Tàpies war bei der Einweihung der Stiftung dabei. Von ihm selbst stammt auch die markante Skulptur Núvol i cadira (Wolke und Stuhl) auf dem Dach des Gebäudes.
Als wir am Schluss unseres Rundgangs noch die wirre Drahtwolke auf der Dachterrasse sehen wollen, ist der Zugang leider versperrt. Die Terrasse ist bis auf Weiteres geschlossen. Wie schade. Aber Antoni Tàpies hat mich neugierig gemacht. Ich finde, das Museum ist eine prima Alternative zu dem leider immer überfüllten Picasso Museum. Natürlich ist Picasso ein genialer Künstler, aber seine Werke kann ich mir auch in Malaga oder Paris ansehen. Ein Tàpies Museum gibt es nur hier in Barcelona. 🙂
Infos zu Antoni Tàpies:
Antoni Tàpies i Puig (1923 bis 2012) war ein Vertreter der Informellen Kunst.
In der Fundaciò werden wechselnde Kunstwerke ausgestellt:
Fundació Antoni Tàpies
Carrer Aragó 255
08007 Barcelona
Website: www.fundaciotapies.org
Eintritt: 7 Euro
Artikel in der FAZ: zum-tod-von-antoni-tapies-bis-zum-allerletzten-augenblick
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