Das kleine Dorf Saint Enimie liegt ganz unten, eingeklemmt von hohen Felswänden, in den Gorges du Tarn. Von hier oben sieht die Straße schwindelerregend aus. Abenteuerlich schlängelt sie sich hinunter ins Dorf. Früher muss dieser stille Ort wirklich total abgeschnitten von der Welt gewesen sein, denn erstaunlicherweise gibt es diese Straße, auf der wir fahren noch gar nicht allzu lange. Gerade mal hundert Jahre ist es her, dass die Franzosen Felsen sprengten und Saint Enimie an das Verkehrsnetz anschlossen. Vorher gab es nur ein paar steinige Wege, die man gefälligst zu Fuß erklimmen oder herabsteigen musste. Das macht wirklich keiner „einfach mal so zum Spaß“. Da brauchte man schon einen triftigen Grund, um diese Anstrengung auf sich zu nehmen.

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Selbst die Brücke ist gerade mal um die hundert Jahre alt, erzählt mir Céline. Bis heute ist sie die einzige Brücke im ganzen Ort. Vorher hatte man jahrhundertelang alle Waren, Güter und Personen per Boot über den Tarn transportiert. Der Fluss versorgte die Orte an seinen Ufern nicht nur mit frischem Wasser, sondern war lange Zeit auch so etwas wie eine Straße, die Hauptverbindung zur Außenwelt.

Überhaupt hat der Tarn hat diese mächtigen Schluchten dereinst erst geschaffen. Tag für Tag, Jahr um Jahr grub sich sein Wasser einen Weg durch das kalkhaltige Gestein und die Sedimente des Zentralmassivs, bis letztendlich diese unglaublichen Kluften, die Gorges du Tarn, zwischen den Felsen entstand.

wege-gorges-du-tarn-tal-schlucht-freibeuter-reisenBlick auf den Tarn und die Schlucht

saint-enimie-kapelle-gorges-du-tarn-freibeuter-reisen-lozereSainte Enimie – Kapelle 

Saint Enimie
Das kleine Dorf mit nur rund 500 Einwohnern wurde der Legende nach von einer echten Prinzessin gegründet. Angeblich war sie die Schwester des merowingischen Königs Dagobert I, der im siebten Jahrhundert gelebt hat und in Frankreich ziemlich bekannt ist.

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Doch die schöne Prinzessin hatte ein Problem. Sie litt nämlich an Lepra. Irgendwie hörte sie von einer geheimnisvollen Quelle im Tal des Tarn. Folglich machte sie sich dorthin auf den Weg, badete in dem Wasser der Quelle und war geheilt. Doch sobald Enimie sich wieder auf den Heimweg machen wollte, brach die Krankheit erneut aus. Abermals stieg sie in die Quelle und badete in dem heilenden Wasser der Quelle. Wieder wurde sie gesund und wieder brach das Übel über sie herein, als sie das Tal verlassen wollte. Schließlich verstand die Prinzessin das Zeichen Gottes. Er wollte, dass sie für immer hier blieb. Also baute sie eine kleine Kapelle und lebte dort fortan als Eremitin.

legende-quelle-saint-enimie-gorges-du-tarn-freibeuter-reisenDie Quelle

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Die gute Enimie hat nie geheiratet und ihr Leben Gott gewidmet. Diese Geschichte zog besonders im Mittelalter natürlich viele Pilger an. Die Quelle wurde eine Wunderquelle, dabei stammt der grünliche Farbton des Wassers von seinem hohen Kupfergehalt und hat keinerlei nachweisbare heilende Wirkung. Aber im Mittelalter versetzte der Glaube noch Berge. Und so wurde aus dem Kloster bald ein Dorf und das Dorf wurde immer größer. Naja viel größer als heute war es wohl auch damals nicht. Obwohl Saint Enimie nicht gerade riesig ist, gehört es dafür aber zu den schönsten Dörfern Frankreichs. Das haben sie sogar schriftlich, denn Frankreich verteilt da richtig offizielle Titel.
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Und es ist wirklich ein sehr niedliches, schönes Dorf. Enge Gassen, mit Stein gepflastert, umgeben von hohen Felswänden. Mal abgesehen, von der kleinen Fläche, auf der die Häuser am Ufer des Tarn entlang gebaut wurden, ist hier im Tal nicht viel Platz, um große Felder anzulegen. Doch von irgendetwas mussten sich die Menschen ja ernähren. Also legten sie fleißig Terrassen an und eroberten sich jedes nur mögliche Gelände von den Hügeln und Bergen, um die kleinen Flächen zu beackern. Kühe waren definitiv zu groß, aber Ziegen konnten sie hier prima halten. Was an Nahrungsmitteln fehlte, wurde mit den Nachbardörfern, die gar nicht so weit weg, nur eben oben auf dem Hochplateau lagen, getauscht.

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Von Saint Enimie aus fahren wir am Tarn entlang Richtung Süden. In St-Chély-du-Tarn fahren wir über eine wunderschöne alte Brücke, während ein Pärchen mit einem Kanu unter uns entlang paddelt. Céline führt mich zu einer in den Felsen gehauenen Kapelle. Vor dieser winzigen Kirche sind jede Menge Steine zu kleinen Türmchen aufgestapelt. Ein ganzes Meer davon. In dem einzigen Raum der Kapelle riecht es nach feuchtem Stein. Nur wenig Licht fällt durch die einzige Tür. Langsam gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit und ich erkenne eine Marienstatue, vor der sich unzählige Zettelchen mit Wünschen der Gläubiger und Pilger sammeln.

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Diese kleine Kapelle hat etwas Verwunschenes, wie aus einem der Grimms Märchen. Passend dazu höre ich auch noch das leise Klappern einer alten Wassermühle ganz in der Nähe. Doch wir machen uns wieder auf den Weg, denn ich darf gleich noch mit dem Boot fahren!

Bevor wir jedoch in La Malène ankommen, wo die kleinen Tarn-Boote ablegen, zeigt Céline mir einen winzigen Ort auf der anderen Uferseite. Eine Brücke gibt es hier gar nicht. „Wenn du dort hin willst, musst du das kleine Boot da nehmen. Einen anderen Weg gibt es nicht“. „Und das Gepäck?“, will ich wissen, denn irgendwie müssen ja vielleicht auch mal größere Sachen transportiert werden. Céline zeigt auf ein dickes Drahtseil, das einmal quer über den Tarn gespannt ist. „Das muss per Seilbahn ans andere Ufer geschickt werden.“ Hammer!

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St-Chély-du-Tarn

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Schließlich sind wir in La Malène. Nach der Einsamkeit und Stille bisher kommt mir dieser Ort mit ein paar Autos nun richtig belebt vor. Obwohl La Malène nicht mehr als 150 Einwohner hat, scheint es so etwas wie das Zentrum der Gorges du Tarn zu sein. Wahrscheinlich, weil hier die Boote abfahren.

Doch bevor wir aufs Wasser gehen, gibt es erst einmal Mittagessen. In einem schicken Manoir, so einem alten, umgebauten Gutshaus, stärken wir uns. Ich kann endlich zumindest so etwas Ähnliches wie den Aligot probieren, ein traditionelles Käsegericht im Lozère, das es aber leider nicht in jedem Restaurant gibt. Auch wenn es kein echter Aligot, sondern eine wohl eher freie Interpretation des Küchenchefs ist, schmeckt mir dieses Käse-Kartoffelpüree recht gut. Auf die echte Version bin ich aber dennoch gespannt.

la-malene-la-tendelle-gorges-du-tarn-freibeuter-reisenHotel Restaurant in La Malène

Bootfahren in den Gorges du Tarn

Die Boote in den Gorges du Tarn werden von speziellen Bateliers, so etwas wie Gondolieri, nur eben auf der Tarn, gelenkt. Mein Batelier ist schon seit vierzig Jahren dabei und kennt den Fluss wie seine Westentasche. Er hat den Beruf von seinem Vater gelernt, erzählt er mir. Auch sein Bruder war bis vor Kurzem Batelier, aber jetzt ist er Bürgermeister geworden und hat das Kahnfahren aufgegeben.

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Wir legen ab. Ganz gemütlich schippern wir inmitten der hoch aufragenden Felswände dahin. Ich bin total begeistert und entdecke auch gleich ein paar Fischchen neben uns im Wasser.

Unterwegs erzählt uns Batelier von den verschiedenen Tieren, den Fischen, den Bibern und Vögeln, die in den Gorges du Tarn leben. Wir kommen an lustigen Felsformationen vorbei, an jungen Männern, die sich im Schlauchboot – mit Hund – gemütlich auf dem Wasser treiben lassen, und sogar an ein paar ganz Mutigen, die in Ufernähe baden.

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Etwas vor uns ist ein Pärchen im Kanu unterwegs. An einer flachen Stelle laufen sie auf Grund, mitten im Fluss. Er muss aussteigen und schieben, um das Kanu wieder los zu bekommen. Es ist zwar angenehm sonnig warm heute, aber das Wasser ist eiskalt! Der Arme! Unserem Batelier passiert so etwas natürlich nicht, denn er weiß ganz genau, an welchen Stellen der Tarn tief und an welchen er flach ist. Zwar sieht es meistens so aus, als hätten wir mal gerade eine Handbreit Wasser unterm Kiel, aber an einigen Stellen ist der Fluss durchaus mehrere Meter tief. Man muss halt nur wissen, wo. Insgesamt gilt der Tarn als ziemlich schwer beschiffbar. Das heißt auch, dass selbst diese flachen kleinen Bötchen, die Bateliers, nur in eine Richtung, nämlich flussabwärts fahren können.
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Nach einer Stunde müssen wir aussteigen. Ab hier darf niemand mehr auf der Tarn fahren, weil weiter vorn Stromschnellen und Felsen im Fluss kommen. Das sei viel zu gefährlich. Nachdem wir an Land geklettert sind, wird auch das Boot ans Ufer gezogen und auf einen Anhänger verladen. Alle zusammen machen wir uns dann auf der Straße auf den Weg zurück nach La Malène. Ich bin wie immer sehr neugierig und frage unseren Kahnführer, wie man das denn wohl früher gemacht hat, wenn man auf der Tarn gar nicht stromaufwärts fahren kann. Schließlich ist die Straße ja noch nicht so alt, und der gesamte Transport habe doch über den Fluss stattgefunden. „Früher zog man die Boote mit Pferden zurück. Die trabten am Ufer neben dem Fluss entlang“, erklärt er mir. Das hört sich nach einer ganz schönen Knochenarbeit an. Wie praktisch ist da doch so ein Anhänger.

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Infos zu den Bateliers des Gorges du Tarn

Bateliers des Gorges du Tarn
Le Pont
48120 la Malène
Website: www.gorgesdutarn.com

Die Fahrt geht über acht Kilometer und dauert circa eine Stunde. Der Preis beträgt 22 Euro pro Person, aber es müssen mindestens vier Personen zusammenkommen, damit so eine Fahrt stattfindet. Insgesamt passen maximal sechs Leute in einen Kahn.

Restaurant
Manoir de Montesquiou
48210 La Malène

restaurant la-malene Gorges du Tarn freibeuter reisen Hinweis: Dieser Artikel entstand im Rahmen eines Blogtrips durch das Lozère.