Call nannte man früher die Straßenzüge der Dörfer und Städte, in denen die jüdischen Familien lebten. Im Mittelalter gab es überall in Katalonien zahlreiche jüdische Gemeinden. Auch in Girona lebten viele Familien jüdischen Glaubens. Bis ins vierzehnte Jahrhundert hinein lebten Christen, Juden und Moslems eigentlich mehr oder weniger friedlich miteinander. Es gab sogar von allen Religionen ein gemeinsam genutztes Badehaus.
Wenn ich frühmorgens, bevor die Touristenströme erwachen, durch die jahrhundertealten Gassen wandere, ist es überhaupt nicht schwer, sich vorzustellen, wie das Leben hier damals ausgesehen haben mag. Wahrscheinlich ist das einzige was sich wirklich verändert hat, der Mensch, die Einwohner Gironas. Die Mauern stehen zum großen Teil noch genauso wie sie das schon vor vielen vielen Jahren getan haben, stumme, schweigende und doch faszinierende Zeugen der Vergangenheit.
Das jüdische Viertel erstreckte sich ungefähr vom Platz vor der Kathedrale bis zur Plaça Correu Vell, im Westen reichte es bis an die Ballesteries, im Osten bis ungefähr bis Bell Mirall. Im Call de Girona befindet sich ein Museum, das Museu d’Història dels Jueus. Ich bin sehr neugierig und gehe natürlich rein. Da der erste Sonntag des Montas ist habe ich auch noch Glück, denn der Eintritt ist heute frei.
Das Museum ist sehr klein, aber die Ausstellung ist liebevoll und mit vielen kleinen Details ausgestattet. Der Besucher soll einen Einblick in den Alltag der jüdischen Familien damals kriegen. Wie zogen sich die Leute an? In welcher Beziehung standen die Familienmitglieder zueinander? Was und wie feierten sie? Ich merke schnell, es geht darum, diese Kultur zu verstehen, um die Rolle der Frau in der Familie, die Bedeutung der reinigenden Bäder oder die Beerdigungszeremonien. Alltagsgegenstände aber auch religiöse Gegenstände werden ausführlich erklärt. Es gibt sogar einen kleinen Film über den Call, wie er früher wahrscheinlich ausgesehen hat.
Aber auch außerhalb des Museums stößt man auf Überreste des jüdischen Lebens damals: An manchen Hauseingängen sieht man zum Beispiel eine mehr oder weniger senkrechte Rille an der Seite der Haustür. Dort wurde früher eine kleine Kapsel aufbewahrt, in der sich eine besondere Schriftrolle, die Mesusa, befand. Bevor jemand über die Schwelle des Hauses trat, musste er diese Mesusa berühren.
Die Altstadt Gironas ist ein beeindruckendes Labyrinth aus steinernen Gassen. Ein Spaziergang wird zu einer Reise in die Vergangenheit. Hier und da findet man immer wieder stille und stumme Zeugen, uralte Mauern, Steinblöcke, Inschriften, die seit Jahrhunderten unverändert hier stehen. Genau da, wo ich jetzt gehe, sind im Mittelalter vielleicht tobende Kinder vorbeigerannt, hat vielleicht ein alter Mann seinen Holzkarren vorbeigeschoben oder eine Marktfrau ihre Körbe mit Obst und Gemüse zum Markt getragen… und nun stehe ich hier und träume einfach so vor mich hin.
Nützliche Tipps zum Call de Girona:
Museum für jüdische Geschichte
C. de la Força, 8
17004 Girona
Jeden ersten Sonntag im Monat ist der Eintritt ins Museum frei.
Eintritt Erwachsene: 4 €
Eintritt Kinder: 2 €
Website: www.girona.cat
Schade das konstruktive Kritik hier nicht gern gesehen ist.
Ich habe dazu ein passendes Zitat:
Der Kluge lernt aus allem und von jedem,
der Normale aus seinen Erfahrungen und der Dumme weiß alles besser.
Sokrates (470 – 399 v. Chr.), griechischer Philosoph
Liebe Claudia, keine Ahnung warum Du denkst, dass Kritik hier nicht gern gesehen sein könnte. Ich veröffentliche auch kritische Kommentare. Oder auf was möchtest Du Dich mit dem Zitat beziehen?
Falls Du sauer bist, dass ich nicht alle Kommentare sofort am Tag ihres eingangs veröffentliche, das liegt daran, dass ich manchmal auf Reisen bin und währenddessen nicht immer Zeit oder/und Internetzugang habe, um alles zu aktualisieren. Mails, Anfragen, Kommentare etc. werden, wie Du siehst, umgehend beantwortet, wenn ich zurück am Schreibtisch bin.
Liebe Grüße
Nicole
Schöne Stadt und cool ist der Film gemacht. Da müsste ich mal hin. Ein Costa Brava Urlaub wäre eigentlich auch nichts schlimmes. 🙂
na klaro, die Küste ist super schön und das Hinterland noch mehr!