Figueres kennt man außerhalb Kataloniens eigentlich nur, weil hier der berühmte Salvador Dalí geboren wurde und auch hier starb. Der kleine Ort im Empordà, kurz vor den Pyrenäen wirkt auch heute noch recht verschlafen. Ein paar enge Straßen schlängeln sich durch die Altstadt, bis man plötzlich vor dem Museum steht, dessen Dach und Wände mit zahlreichen Broten verziert sind.

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Angeblich soll der Bürgermeister von Figueres dem exzentrischen Künstler vorgeschlagen haben, dem Museum seiner Geburtsstadt doch ein Gemälde zu spenden. Dalí wäre nicht Dalí, wenn er darauf nicht gleich eine pompöse Antwort parat hätte. Er beschloss, gleich ein ganzes Museum bauen zu lassen. Der Ort dafür war schnell gefunden. Die Ruinen des bereits in den zwanziger Jahren abgebrannten Theaters von Figueres faszinierten den damals bereits weltbekannten Sohn der Stadt. Dort, wo mittlerweile die Fischhändler von Figueres ihre Ware verkauften, sollten also bald Dalís Werke ausgestellt werden.

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Vor dem Museum bin ich heute mit Mercè verabredet. Sie weiß so ziemlich alles über Dalí und ist ein echter Sonnenschein. Ich war schon öfter mit ihr unterwegs  und freue mich jedesmal drauf, sie wieder zu treffen. Irgendwann haben wir mal festgestellt, dass wir beide früher Politikwissenschaften studiert haben und die Welt verbessern wollten. Beide haben wir lange Zeit im Ausland gelebt und sind dann irgendwann an der Costa Brava gelandet. Allerdings ist Mercè in Cadaqués geboren und aufgewachsen, sie ist ein waschechter local guide.

Und wenn man in Cadaqués lebt, kommt man um den berühmten Nachbarn nicht herum, denn in dem kleinen Fischerort hat Salvador Dalí die meiste Zeit seines Lebens verbracht. Sein Haus in der Bucht Portlligat, das Museum in Figueres und das Schloss, das er seiner Frau Gala in Púbol gekauft hat, sind die drei Eckpunkte, die die Katalanen das Dalí Dreieck* nennen.

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Dalí Museum

Dalí selbst hat also das Gebäude des Museums ausgesucht, in dem er sich selbst eine Art Denkmal setzte, erzählt Mercè. Er hat sogar die letzten Tage seines Lebens hier verbracht und ist im Museum begraben. Die unscheinbare Grabplatte, über die ich beinah unachtsam hinweggeschritten wäre, befindet sich mitten in einem der großen Säle, dort wo früher die Bühne des Theaters war. Sein Name und eine Art Gedenktafel findet man erst, wenn man sich durch mehrere dunkle kleine Räume einen Weg bis in den Saal bahnt, der von Äskulap Schlangen umringt ist, die ihm ewiges Leben sichern sollten. Was für eine Inszenierung.

Überhaupt waren Leben und Tod, beziehungsweise die Angst vor dem Sterben, Urkräfte, die Dalí Zeit seines Lebens antrieben. Dalís Eltern hatten vor Salvador Dalí  bereits einen ersten Sohn und später noch eine Tochter. Salvadors älterer Bruder war bereits vor der Geburt des späteren Künstlers gestorben. Als der kleine Salvador dann das Licht der Welt erblickte, gaben ihm die Eltern denselben Namen, wie dem toten Kind: Salvador Dalí Domenech. Für Dalí eine traumatische Last, die man in vielen seiner Bilder wiederfindet.

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rainy taxi salvador dali figueres museum Dalí(Mannequin Rotting in a Taxi-Cab)

Doch zunächst zeigt mir Mercè den Innenhof des Museums, den Ort, an dem das eigentliche Spektakel beginnt. Das erste Werk, vor dem wir stehen, sobald wir das Museum betreten, ist das Car Naval wie Mercè das Taxi nennt. Schon der Name ist ein Wortspiel, denn Dalí hat hier das spanische Wort für Karneval „carnaval“ in zwei völlig abstrakte, unzusammenhängende Bestandteile zerlegt: Auto (engl. car) auf Muscheln (naval= marine). Wie bei einem Kaugummiautomaten oder bei den Spielzeugautos für Kinder, die manchmal vor Kaufhäusern stehen, kannst Du einen Euro in eine kleine Maschine einwerfen und sofort beginnt es in diesem Taxi zu regnen. Dalí wollte, dass hier Dinge passieren, dass die Besucher sein Museum aktiv erleben.

Durch die zerbrochene Scheibe werfe ich einen Blick auf die „Mannequins“, die Schaufensterpuppen, die da in aller Ruhe zu vergammeln scheinen. Auch wenn ich mir den kleinen Obolus spare und kein Geld einwerfe, sehe ich dass andere Besucher vor mir den Regenknopf gedrückt haben, denn den Puppen laufen die Tropfen noch immer von der Nase. Die erste, originale Version dieses Regentaxis soll Dalí bereits 1938 in Paris für eine surrealistische Ausstellung geschaffen haben, weiß Mercè. Mich erinnert dieses Rainy Taxi irgendwie an Bonnie und Clyde, das berüchtigte Räuberpärchen aus den dreißiger Jahren.

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Die ein bisschen wie überdimensionale Film-Oscars aussehenden Figuren, die den gesamten Innenhof und auch schon die Außenfassade des Museums in Figueres zieren, heißen mit ihren ausgestreckten Armen die Besucher willkommen. Es wirkt fast so, als würden sie etwas wie „Hereinspaziert! Nur hereinspaziert! Gleich geht die Vorstellung los!“ rufen. Dazwischen kann man noch deutlich die Überreste der verbrannten Balken erkennen, die einst das Theater getragen haben. Dalí war es wichtig, diese alten Elemente zu erhalten. Immer wieder zeigt Mercè mir bei dem Gang durch das Museum solche Überbleibsel, die an die Geschichte des Theaters erinnern.

Danach geht es durch die verschiedenen Schaffensstufen des Künstlers. In jungen Jahren probierte der begabte Junge aus Figueres einfach alles aus. Seine frühen Werke erinnern an Picasso und Marcel Duchamps, oder auch an die Werke der Impressionisten und Kubisten. Dalí sucht in den zwanziger Jahren noch seinen ganz eigenen Stil. Doch bald schon beginnt er mit den ersten surrealistischen Versuchen. Er will vor allen Dingen eine Reaktion im Zuschauer erzeugen. Man soll seine Bilder nicht einfach nur ansehen und schön oder interessant finden. Er will provozieren. Blut, Zersetzung, vereinzelte Körperteile, seine Gemälde sind voller Elemente, die den Zuschauer überraschen und Ekel auslösen sollen.

Vielleicht gerade weil Salvador Dalí viele Jahre im Ausland lebte, spielte die Landschaft des Empordà, besonders die skurrilen Felsen des Cap de Creus bei Cadaqués, eine immer wichtigerer Rolle in seinen Werken. In fast allen Bildern Dalís kommen die Felsformationen irgendwo im Hintergrund vor. Oft kann man sogar die genaue Stelle erkennen, die Dalí beim Malen des Bildes vor Augen gehabt haben muss.

Heute sind im Dalí Museum viele Kunstwerke aus den verschiedensten Schaffensphasen zu sehen. Zur Einweihung jedoch musste Dalí extra für das Museum viele Bilder erst produzieren. Wie zum Beispiel das mit echter Tinte vom Tintenfisch gemalte Porträt Beethovens. Dalí konnte sich seinen aufwendigen Lebensstil nur durch den permanenten Verkauf seiner Bilder leisten. Er selbst hatte keine, die er hätte ausstellen oder dem Museum schenken können. Besonders in den USA genoss er schon in den sechziger Jahren Ruhm und Anerkennung, als im damals noch rückständigen Spanien. Die konservative spanische Gesellschaft hatte oft nur Spott und Unverständnis für die Surrealisten übrig. Erst nach dem Tode des Diktators 1975 öffnete sich das Land und fand langsam Anschluss an die kulturellen Entwicklungen Europas.

Wir stehen vor einem Porträt Picassos, den Dalí sehr schätzte. Das Bild ist voller Symbole, die auf die hohe Intelligenz, das große rednerische Talent und den andalusischen Ursprung Picassos hinweisen. Doch Picasso hielt sich zu dieser Zeit schon aus den unterschiedlichsten Gründen von seinem einstigen Freund fern. Man sagt, er habe dem noch jungen katalanischen Künstler einst sogar das Geld für die Überfahrt nach USA ausgelegt. Der wiederum habe es aber nie zurückgezahlt.

Das Überleben im franquistischen Spanien erforderte von Dalí viele Zugeständnisse, die bei den meisten seiner Wegbegleiter der Anfangsjahre wie Miró, Picasso, Breton und andere Surrealisten auf Unverständnis trafen. Bei Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs waren viele spanische Künstler und Intellektuelle nach Frankreich geflohen, so auch Dalí. Sechs Monate lang lebte er im Haus von Coco Channel. Doch im Gegensatz zu Picasso, der in Paris blieb, zogen Dalí und Gala weiter in die USA. Als 1936 Dalís geliebter Freund García Lorca, ein berühmter spanischer Dichter, vom Francoregime ermordet wurde, und angesichts der Entwicklung in Deutschland der Zweite Weltkrieg auszubrechen drohte, floh das Paar in die USA, wo Dalí schon eine gewissen Bekanntheit genoss. Ende des vierziger Jahre kehren sie ins immer noch von Franco beherrschte Spanien zurück. Dalí war Monarchist durch und durch und arrangierte sich mit dem Diktator, was ihm viele Kollegen nicht verziehen.

Zu den Highlights des Museums gehört die Installation der Sala Mae West, einer kurvenreiche amerikanische Schauspielerin, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts vor allem wegen ihrer sexuellen Freizügigkeit bekannt war. Der junge Salvador Dalí soll von dieser Marilyn Monroe der zwanziger Jahre dermaßen fasziniert gewesen sein, dass er 1937 ein rotes Sofa nach der Form ihrer Lippen bauen ließ.

Zunächst siehst Du nur dieses Sofa in einem Raum, der ein wenig an ein bizarres Wohnzimmer erinnert. Die Installation, in deren Mittelpunkt das Sofa steht, kannst Du erst richtig verstehen, wenn Du sie von oben siehst. Eine kleine Treppe an der Wand führt auf ein Podest. Erst von dort oben aus erscheint der gesamte Raum plötzlich als Bildnis der üppigen Schönheit.

Das Herzstück der Ausstellung ist die große Bühne mit der unscheinbaren Grabplatte in der Mitte. Die Rückwand ziert ein überdimensionales Gemälde. Der nackte Kopf und der leere Körper waren ursprünglich von Dalí als Hintergrund für eine Ballettaufführung geschaffen worden und bilden nun das perfekte Bühnenbild seines Theaters.

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Ein echter Hingucker ist die Kuppel, fast schon ein Wahrzeichen der Stadt Figueres geworden, bringt sie nicht nur Licht ins Museum. Sie erinnert mit den acht dort oben platzierten Figuren an die Architektur der italienische Renaissance, an Fliegenaugen, an ein Prisma und verbindet Innen und Außen.

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Zum Schluss kommen wir in die Torre Galatea, den Teil des Museums, in dem Dalí eine Zeitlang lebte. Er änderte den Namen des alten Turms, der früher ein Bestandteil der Stadtmauer und Figueres war und nun ein Teil seiner künstlerischen Hinterlassenschaft werden sollte. Aus der Torre Gorgot wurde so die Torre Galatea, in Gedenken an Dalís verstorbene Frau Gala. Dalí ließ sie bunt bemalen und von außen mit Broten und riesengroßen Eiern verzieren.

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Mercè erzählt, dass Dalí eigentlich in Púbol bleiben wollte. Doch schließlich überredete man den egomanischen Exzentriker doch nach Figueres zu ziehen, wo er tagtäglich die langen Schlangen der Menschen beobachten konnte, die geduldig warteten, um die Ausstellung seiner Werke zu sehen.

Gegen Ende der Ausstellung wartet noch eine Überraschung auf mich. Ich bleibe staundend vor dem Film zu einem Hologramm stehen, das Dalí 1973 mit einem Rockmusiker aufgenommen hat: Alice Cooper, mit teurem Glitzerschmuck behangen, einer dalianischen Version der Venus von Milo als Mikrofon und einem Gehirn, über das kleine Ameisen krabbeln, dreht sich in einem gespenstisch grünen Licht als bizarres Hologramm.

Infos Dalí Museum Figueres

Dalí wollte ein aktives Museum. Einen Raum der gleichzeitig die Geschichte dieses Ortes und seine eigene Geschichte erzählt. Der Besuch des Museums ist wie ein Ausflug in eine andere, skurrile Welt, in der sich alles bewegt und dreht und nichts so ist, wie man es erwartet. Im Museum gab es so viel zu sehen und Mercè hat mir noch so viel mehr erzählt, als ich in einen Artikel überhaupt unterkriegen kann…. Aber so bleiben Dir noch ein paar Überraschungen, die Du erst entdeckst, wenn Du selbst in die verrückte Welt des Salvador Dalí eintauchst 🙂

Tickets: 14 Euro für Erwachsene

Seit einiger Zeit werden auch im Museum Dalí Tickets nur noch mit einem Zeitfenster verkauft, innerhalb dessen man das Museum dann betreten muss. Drinnen darf man sich so viel Zeit lassen wie nötig. Durch die Einführung dieser Tickets mit Zeitfenster bilden sich keine langen Schlangen mehr vor dem Museum.

Adresse Dalí Museum:
Plaça Gala i Salvador Dalí, 5
17600 Figueres
Website Museum

Anreise mit der Bahn (zum Beispiel von Barcelona aus): bis Bahnhof Figueres, dann noch ungefähr 10 Minuten zu Fuß weiter.
Anfahrt mit dem Auto: auf der A7 bis Autobahnabfahrt 3, wenn Du aus nördlicher Richtung kommst, Abfahrt 4 wenn Du aus dem Süden kommst. Dann noch ein bisschen auf der Nationalstraße weiter bis ins Zentrum. Parkplätze findest Du gleich hinter dem Museum. In den Seitenstraßen bei dem großen Park von Figueres ist normalerweise immer irgendwo ein Platz frei. Von dort sind es nur noch ein paar Meter zu Fuß.

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* Das Dalí Dreieck besteht aus dem Museum in Figueres, dem Museum Casa Dalí in Portlligat und dem Schloss seiner Frau Gala in Púbol. Der kleine Ort Cadaqués und die felsige Landschaft am Cap de Creus gehören natürlich auch irgendwie zur Welt des Salvador Dalí dazu.

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MEIN TIPP: Mercè habe ich vor ein paar Jahren über ein paar gute Freunde in Cadaqués kennengelernt und bin seitdem schon oft mit ihr unterwegs gewesen. Auf ihrer Website Rutes de Cadaques bietet sie unterschiedliche Führungen in und um Cadaqués an. Neben Salvador Dalí hat sie viele spannende Geschichten über die Piraten (besonders für Kinder!) und andere Legenden zu erzählen. Ich kann Dir echt nur empfehlen, ganz privat ohne Kommission oder so, mit ihr auf Entdeckungstour zu gehen. Einfach nur, weil ich sie mag und ihre Arbeit echt toll finde.