Über vierzig Jahre lang hatte nur eine exklusive Gruppe zahlender Mitglieder Zutritt zu einem der schönsten Küstenabschnitte im Naturpark Cap de Creus. Zu Beginn der sechziger Jahre war das private Grundstück des Paratge de Tudela nämlich ein Club Med. Mitten hinein in die Natur, wurden eine Rezeption, ein großer Swimmingpool, ein Restaurant und viele kleine Apartments gebaut. Sogar ein Krankenhaus errichtete man für die Touristen.

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Pelayo Martinez, ein Architekt aus Figueres, hatte lange mit sich gerungen, ob er den Auftrag annehmen sollte. Doch schließlich entschied er sich dafür, einen Entwurf zu erarbeiten. Lieber wollte er selbst, der dieses Stück Natur kennt und liebt, bebauen, als den Job jemandem zu überlassen, der vermutlich nicht so behutsam vorginge. Salvador Dalí, für den dieses Fleckchen Erde ein kleines Heiligtum darstellte, war den Bebauungsplänen gegenüber zunächst noch sehr kritisch eingestellt. Er schickte dem Architekten Anweisungen und Ratschläge für dessen Entwurf und versuchte ihm klar zu machen, dass einige der Felsen absolut unantastbar seien. Schließlich aber erschien Dalí mit seiner Frau Gala nicht nur bei der großen Einweihungsparty des Club Med, sondern er rührte sogar fleißig die Werbetrommel für das künstliche Ferienparadies.

Und so stand viele Jahrzehnte lang mitten in dieser einmaligen Naturlandschaft, mit Pflanzen und Tieren, die es sonst nirgendwo auf der Welt gibt, eine dicke Apartmentanlage.

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Nach der Eröffnung des Clubs im Jahr 1962 dauert es noch eine ganze Weile, bis bei den Verantwortlichen in den Ämtern endlich die Alarmglocken schrillten. Plötzlich wurden sich die Leute aus der Gegend bewusst, wie wichtig es ist, ihre Umwelt zu bewahren. Bis dahin schien ihnen die Landschaft nichts Besonderes zu sein, denn sie war ja immer schon da gewesen. Doch nun stellte man fest, dass Geld verdienen doch nicht alles ist und dass einmalige Naturparadiese für immer verschwinden können, wenn man sie nicht gut behandelt.

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Die Natur war wirklich in Gefahr, und so erkannte man zwar spät, aber zum Glück noch rechtzeitig, dass die Landschaft um das Cap de Creus geschützt werden muss. 1998 ernannte man eine Fläche von fast 14.000 Hektar zum Naturpark. Zur höchsten Schutzstufe gehören die Zonen, in der man nur spazieren gehen darf. Hier darf man nicht einfach wild durch die Landschaft laufen, und gebaut werden darf natürlich auch nicht. Eine zweite Stufe betrifft die Zonen, die landwirtschaftlich genutzt werden, aber nicht bebaut werden können. Die dritte und letzte Stufe beinhaltet die Flächen, die zwar auch zum Naturpark gehören, aber bereits seit Jahrzehnten urbanisiert sind.

Das endlich erwachte Bewusstsein für die Schönheit der Natur sorgt dafür, dass die Menschen hier ihre Landschaften mehr zu schätzen wissen. Besonders in den Sommermonaten, wenn die Strände von Besuchern aus aller Welt überlaufen werden, dann ziehen sich die Einwohner gern in die Stille der Natur am Cap de Creus zurück. Und an Orten wie dem Pla de Tudela finden sie einen Platz ohne Menschen, ohne Lärm, wo sie einfach nur in der Natur sein können.

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Zu Beginn des neuen Jahrtausends kam dann das Aus für den Club Med. Die Geschäfte liefen schlecht und so wurde 2003 die letzte Saison des Ferienclubs am Cap de Creus eingeläutet. Die Stadt kaufte den Betreibern den Grund und Boden wieder ab und begann damit, die Anlagen zurückzubauen. Eine Heidenarbeit! Aber die Natur im Cap de Creus sollte so gut nur irgendwie möglich wieder hergestellt werden. Viel Zeit und viel Geld wurden aufgewandt, doch nach drei Jahren ging der Plan auf. Die Arbeit hat sich ganz offensichtlich gelohnt!

Ich gehe auf der alten Straße, die noch vom Club Med angelegt worden war, hinunter zur Küste. Den Weg hat man als Markierung für die Spaziergänger hier so gelassen, denn im Park darf man nicht einfach querfeldein laufen. Besonders für die einheimischen Pflanzen ist es wichtig, dass die Besucher auf den vorgegebenen Wegen bleiben.

Mercè ist in Cadaqués geboren und aufgewachsen, hat unter anderem in Norwegen studiert, aber ist irgendwann doch wieder zurück in die Heimat gekommen. 2012 hat sie die Rutes de Cadaqués ins Leben gerufen, geführte Spazierwege durch Cadaqués und das Cap de Creus, auf denen sie den Besuchern wie mir die lange und spannende Geschichte der Gegend näher bringt.

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An der Stelle, an der früher das Krankenhaus stand, erinnern zwei Quader an die Gebäude des Club Med. Das Denkmal wiederholt zwar die Formen der alten Gebäude, wirkt aber eher wie ein Bilderrahmen aus rostigem Metall, der sich im Laufe der Zeit immer mehr an seine Umgebung anpasst. Angeblich war das Krankenhaus des Clubs so modern, dass es sogar die erste eigene Druckkammer für Taucher hatte. In ganz Spanien gab es damals so etwas nicht, nur das Militär verfügte in den sechziger Jahren über solche modernen Anlagen. Da haben die Betreiber damals wirklich keine Mühen und Kosten gescheut, um ihren Besuchern ein unbeschwertes Urlaubserlebnis zu sichern.

Am Wegesrand zeigt Mercè mir immer wieder Blumen und Pflanzen. So erfahre ich, dass hier Seefenchel und wilde Karotten wachsen und Llentiscle, das ist dieser harzige Mastixstrauch (auf Deutsch wilde Pistazie), den ich schon bei einem Spaziergang mit Evarist kennengelernt habe. Und hier erfahre ich auch, woher der Name Cadaqués kommt: Juniperus oxycedrus ist eine besondere Wacholderart, die hier sehr häufig vorkommt. Auf Katalanisch heißt so ein Strauch Càdec und die Orte an denen viele dieser Wachholdersträuche wachsen, nennt man Cadaquers.

Cap de Creus Cadec Wachholder Freibeuter reisenWachholder – Juniperus
seefenchel cap de creus naturpark freibeuter reisenSeefenchel – Crithmum 

wilde karotte bluete naturprk cap de creus freibeuter reisenBlüte der wilden Karotte – Daucus carota

Aber ich entdecke auch Blumen mit ganz kleinen lilafarbenen Blüten. „Das ist Limonium, eine Art Strandflieder“, erklärt Mercè. Und dann zeigt sie mir noch eine besondere Blume, eine die nur hier in der Gegend wächst. „Das ist eine Armeria ruscinonensis“ sagt sie und zeigt mir eine sehr zerbrechlich wirkende kleine Blüte. Weißlich durchscheinend, als sei sie aus dünnem Seidenpapier, so sieht sie aus.

limonium naturpark cap de creus pla de la tudela freibeuter reisenStrandflieder – Limonium

einheimische pflanzen armeria rossellonensis cap de creus naturpark freibeuter reisenGrasnelke – Armeria ruscinonensis

Die Leute des Club Med hatten natürlich auch einen schicken Garten angelegt. Leider pflanzen sie jedoch einige nicht-einheimische Pflanzen, die sich hier schnell vermehrten. Eine recht hübsch anzusehende rote Blume war jedoch leider so invasiv, dass sie die einheimischen Arten verdrängte. Bei der Dekonstruktion der Ferienanlage mussten diese Pflanzen Hektar für Hektar mit den Wurzeln aus dem Boden gezogen werden. Ein sehr langwieriges Unterfangen! Auch wenn ich bei meinem Spaziergang heute keine einzige dieser Blüten entdecke, versichert Mercè mir, dass nach wie vor jedes Jahr Truppen von jungen Freiwilligen durch den Naturpark Cap de Creus ziehen, die diese Invasoren rausreißen, um sie an der Ausbreitung zu hindern.

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Der Weg, auf dem wir durch den Park spazieren, nennt sich R17. Es ist ein linearer und sehr einfach zu laufender Weg. Dabei kommen wir immer wieder an bizarren Steinformationen vorbei.

Beeindruckende 250 000 Millionen Jahre ist es her, dass diese Felsen durch unvorstellbare Kräfte aus der Erde geformt wurden. Viele Jahrtausende lang gestalteten dann der Wind der Tramontana und das Salz des Meers gemeinsam diese karge, felsige Landschaft.

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Mercè kennt sich nicht nur mit den Pflanzen, sondern auch mit den Steinen prima aus. Sie zeigt mir Pegmatit-Ströme, die bei der Entstehung der Pyrenäen gebildet worden sein müssen, Migmatit und jede Menge Schiefer. Schon die geologische Entstehung dieser Landschaft ist ein echtes Abenteuer! Welche Kräfte hier gewirkt haben, als sich die afrikanische Platte an die europäische näherte, die Pyrenäen schuf und durch den Druck ganze Steinschichten einfach schmolzen und sich wie Lava über andere Gesteinsschichten ergossen. Genau hier an dieser Stelle hat sich die Erde gefaltet, wurde gequetscht, angehoben, geschmolzen und wieder ausgespuckt.

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Ein paar Meter weiter findet Mercè plötzlich einen roten Punkt in einem der Felsen. Das ist ein echter Granatstein. Das, was in der Sonne so glitzert wie Fischschuppen, ist Muskovit, auch Katzensilber genannt. Damit hat man früher die Heiligenbilder verglast, erzählt Mercè. Zwei Brüder aus Cadaqués sollen zu Beginn des letzten Jahrhunderts ganz in der Nähe eine Stelle entdeckt haben, an der besonders viele Muskovite vorkamen. Sie dachten, diese glitzernden Steine seien wertvoll und bewachten ihren Schatz. Abwechselnd schliefen sie sogar an der Fundstelle, bis man sie irgendwann für verrückt erklärte und in ein Heim einwies. Was für eine traurige Geschichte! Aber sie soll echt wahr sein.

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liegendes Kamel 

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Seelöwe

Immer wieder kommen wir zu bizarren Felsformationen, die bei genauem Hinsehen an das eine oder andere Tier erinnern. Wir raten um die Wette, wobei Mercè natürlich Heimvorteil hat, denn sie kennt ja jeden Stein hier im Park. Manchmal muss ich meine Fantasie allerdings schon ein wenig anstrengen, um die Figuren zu erkennen. Salvador Dalí lebte nicht weit von hier in Portlligat. Kein Wunder, dass sich der Surrealist von dieser unwirklichen Landschaft inspirieren ließ! Immer wieder kommen die Buchten, die Hügel und Felsen seiner Heimat in seinen Gemälden vor.

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Der Große Masturbator zum Beispiel, eines der berühmten Gemälde Dalís, das auch heute noch auf Millionen Postern in der ganzen Welt zu sehen ist, steht gerade direkt vor mir. Im Gegensatz zu der verzerrten Figur des Gemäldes, in dem Dalí offenbar versuchte, seine Angst vor Sexualität und seine merkwürdige Beziehung zum Vater zu verarbeiten, ist der Felsen hier nicht übermäßig groß. Eher klein wirkt der Große Masturbator aus Stein, aber die Form ist ganz eindeutig exakt dieselbe.

Dann finden wir noch den Pferdekopf, einen dicken Gorilla, den Adler, die Meeresschnecke und andere Tiere. Noch mehr als die Felsen beeindrucken mich jedoch die Buchten. Kristallklar schimmert das Wasser im Sonnenlicht. Zu gern würde ich mich jetzt direkt in das stille, kühle Nass hineinwerfen!

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In einer der kleinen Buchten haben drei Segeljachten angelegt. Eigentlich sollten die nicht hier sein. Denn wenn sie hier ihre Anker werfen, reißen sie dabei die Posidonia heraus, eine Pflanze, die vom Land zurück ins Meer gewandert ist. Und dort ist das Neptungras, wie die Posidonia auch genannt wird, für das Ökosystem extrem wichtig, denn in den Unterwasserwiesen brüten nicht nur viele Meeresbewohner. Die Posidonia kann auch extrem viel CO2 speichern, schützt die Küste vor Erosion und hält das Wasser klar und sauber.

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hummel gelbe blume cap de creus naturpark freibeuter reisenSenecio Flaccidus – Greiskraut

Ich bin echt total verliebt in diese wilde Natur. Es ist so unglaublich friedlich hier. Fast ein wenig wie in Trance laufe ich durch diese Landschaft, die so arm und doch so reich ist. Gerade durch ihre Kargheit, schlicht und gleichzeitig so komplex, ist sie so unendlich beeindruckend.

Infos zu Cap de Creus

Der Pla de Tudela ist nur ein kleiner Teil des Naturparks am Cap de Creus. Die Landschaft dort ist nicht nur biologisch, sondern auch geologisch ein schützenswertes Paradies. Insgesamt umfasst der Park eine Fläche von fast 14.00 Hektar – an Land und als marines Naturschutzgebiet.

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faro blumen hummel cap de creus freibeuter reisenFaro Cap de Creus – Leuchtturm 

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Es gibt auch ein Restaurant neben dem Faro. Eigentlich sollte so ein privat betriebener Laden ja nicht in einem Naturpark stehen, aber vermutlich stand es da schon, bevor die Gegend zum Schutzgebiet erklärt wurde. Die Aussicht ist spektakulär, das Essen geht so.

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lila strauch cap de creus freibeuter reisenTamariu – Französische Tamariske

Mein Besuch im Naturpark wurde unterstützt vom Patronat Girona Costa Brava. Die hier dargestellte Ansicht, drückt einzig und allein meine persönliche Meinung aus.