Am Strand von Tamariu liegt in einer kleinen Bucht, ganz versteckt, eine alte Fischerhütte. Früher kamen die Leute an Sonntagen oder zu Festen hier her, um gemeinsam zu essen zu feiern und den Tag am Strand zu verbringen. Es gab damals noch viele dieser Hütten. Jeweils mehrere Leute, Freunde, Familien, fanden sich in einer Art Verein zusammen, um so eine Hütte zu bauen und sie gemeinsam zu nutzen. In der Regel hatten diese Gruppen nicht mehr als zwanzig Mitglieder. Jedem von ihnen wurde genau ein Schlüssel ausgehändigt. Diese Schlüssel und der Besitzanteil an der Hütte wurden und werden von einer Generation an die nächste weitergegeben. So eine Hütte kann man nicht kaufen, oder einfach einen Anteil daran erwerben. Außerdem gibt es heute leider nicht mehr viele dieser Fischerhütten.
Marta ist eine der wenigen Glücklichen, die einen solchen Schlüssel hat. Und ich bin eine der Glücklichen, die heute bei einem Festessen am Strand dabei sein darf. Traditionelle Fischgerichte soll es geben. Das hört sich doch schon mal vielversprechend an. Als wir in der kleinen Bucht ankommen, warten schon mehrere Leute auf uns: Köche aus Calella, Tamariu und Llafranc – das sind die zu Palafrugell gehörenden Buchten an der Küste. Als wir ankommen, ist das Essen schon fertig! Stolz präsentieren die Küchenchefs uns ihren Suquet de Peix. Mir läuft das Wasser im Munde zusammen. Bevor wir loslöffeln dürfen, trinken wir noch ein Weinchen, dann nehmen alle in der kleinen Hütte Platz.
Der Himmel zieht sich ein wenig zu und es ist fast schon etwas frisch. Aber eine kleine Brise ist ganz angenehm, sonst würde ich jetzt glatt ins Meer springen und einen klitzekleinen Moment baden gehen.
An der langen Tafel sitze ich zwischen Quim und Marc, zwei der fünf Köche, die heute für uns das Mittagessen zubereitet haben. Bevor wir den Suquet de Peix essen, kommen aber noch andere traditionelle Spezialitäten auf den Tisch: Escalivada, Favetes, gefüllte Tintenfische. Quim und Marc erklären mir ganz genau, was was ist und wie es zubereitet wird. Als ich den ersten Löffel der Favetes, das sind die dicken hellgrünen Bohnen, im Mund habe, kann ich nicht anders. Ein lautes Mmmmmh entströmt ganz instinktiv und ungesteuert meinen Lippen. Mein Gott ist das köstlich! “Wer hat das denn gemacht? Was ist da denn drin? Ich will das Rezept haben, bitte bitte!” Quim neben mir lacht. “Das, was Du da raus schmeckt ist Menta und Marduix.” Menta ist Minze, so weit komme ich noch. Das andere Kraut kenne ich nicht, nie gesehen oder gehört, geschweige denn gegessen. Prompt steht Quim auf und holt eine Schachtel. Das ist Marduix*. Ich probiere ein Blättchen. Stimmt. Das macht viel vom Geschmack der Bohnen aus. Fantastisch. Außer den Kräutern sind natürlich noch weitere Zutaten in den Favetes, aber die werden nicht alle verraten. Ich koste hier und probiere da während Quim und Marc kleine Geschichten und Tipps aus ihren Küchen preisgeben. Sie erzählen von ihren Restaurants und wie das hier im Winter und im Sommer so ist. Anscheinend schließen die meisten Hotels und Restaurants während der ruhigen Wintermonate und öffnen erst wieder, wenn im Frühjahr die Saison los geht.
Es macht Spaß, zwischen zwei Chefs an dieser Tafel zu sitzen. Ich merke meinen beiden Nachbarn an, wie sehr sie das Kochen lieben und leben. Sie sind mit einer ansteckenden Leidenschaft dabei, kennen jedes Gewürz, jeden Fisch mit Vor- und Nachnamen und jeden Bauern, von dem sie Käse oder Fleisch kaufen. Koch zu sein ist nicht nur ein Beruf, es ist eine Berufung.
Dann kommt der Suquet de Peix, unser Hauptgang. Während wir hemmungslos schlemmen und die köstlichsten Köstlichkeiten der katalanischen Küche probieren, quatschen alle fröhlich durcheinander. So mag ich das. Essen als Gemeinschaftserlebnis. Es fühlt sich an, als würden wir uns alle schon ewig kennen. Sicher, der gute Wein hat bestimmt auch ein wenig dazu beigetragen, dass sich dieses Wohlgefühl in mir breitmacht.
So ganz nebenbei erfahre ich, dass Quim sich schon einen Michelin-Stern erkocht hat. Das wundert mich nicht die Bohne :-). Wenn ich Sterne verteilen könnte, dann hätten diese Fünf (die anderen drei Köche sitzen am anderen Ende der Tafel) heute von mir die allerhöchste Punktzahl gekriegt. Sie haben mir die Sterne vom Himmel gekocht, in einer kleinen Fischerhütte, ganz unprätentiös, mal so eben nebenbei.
Als nach gefühlten zwei Stunden endlich alles aufgegessen ist, kriegen wir Besuch. Noch mehr Gäste? Nein, es sind Musiker, denn wie mir Marta erklärt, gehören zu einem traditionellen Fest der Fischer von Palafrugell die Havaneres einfach mit dazu. Havaneres – Havanna – Kuba : Havaneres (oder auch Habaneras) sind spanische Lieder von Sehnsucht und Liebe, von der fernen Heimat und von der See. In vielen Dörfern an der Costa Brava gibt es noch Traditionen und bis heute sichtbare Spuren der “Indianos”, der ausgewanderten Dorfbewohner, die in Lateinamerika als Händler reich geworden und dann in die Heimat zurückgekehrt sind. Diese Rückkehrer nennt man hier Indianos oder Americanos. Jedenfalls diejenigen, die als Glücksritter Geld und Ansehen erworben hatten. Da viele der ausgewanderten Katalanen in Kuba ihr Glück gemacht hatten, nennt man diese Lieder aus Havanna eben Havaneres.
Wir lauschen also den sehnsüchtigen Klängen der Seeleute und Auswanderer. Währenddessen sehe ich, dass da noch etwas für uns vorbereitet wird. Marc sagt, zum Abschluss müsse ich unbedingt noch den Cremat probieren. Der gehöre zu den Havaneres einfach dazu. Cremat? Einen “Verbrannten”? Was kann das denn sein? In einer Tonschale schwimmen Zitronen- und Apfelsinenschalen, eine Zimtstange und andere Gewürze in einer dunklen Flüssigkeit, die gerade angezündet wird. Bläuliche Flammen züngeln vor sich hin. “Das ist ein Cremat.”, erklärt Marc. Ah, ich verstehe. Es ist Café mit irgendetwas Schnapsigem drin, das dann flambiert wird. Als der Alkohol verdampft ist, dürfen wir probieren. Es schmeckt wie eine Mischung aus Glühwein und Kaffee. Damit haben sich die Fischer bestimmt gut warmgehalten, wenn es kalt wurde.
“Und der Abwasch?” “Den machen wir schon”, meint Marc und zeigt auf einen alten Brunnen, versteckt hinter einer Tür auf der Rückseite der Hütte … Ich liebe die Costa Brava, ihre Küche und ihre Köche!!
Die Fotos von den leckeren Gerichten sind leider nicht so gut geworden, wie sie geschmeckt haben. In der Hütte war es angenehm frisch, aber nicht besonders hell … und ich war zugegeben sehr mit Essen beschäftigt, aber so ungefähr sah das aus:
Nützliche Tipps zum Nachreisen:
Später herausgefunden: *Marduix ist nichts anderes als frischer Majoran. Angeblich soll die griechische Göttin der Liebe, also Aphrodite, dieses unscheinbare, grüne Kraut ein Symbol der Glückseligkeit genannt haben. Wie passend.
Um in so eine Fischerhütte zu kommen, muss man schon jemanden kennen, der einen Schlüssel hat. Aber die fünf Köche, die uns so lecker bekocht haben, kannst Du hier finden:
Quim Casellas – Restaurant CASAMAR, Llafranc
Marc – Restaurant El Clot dels Mussols, Tamariu
Quique Serra – Hotel Garbí, Calella de Palafrugell
Barbara Hallé – Hotel Sant Roc, Calella de Palafrugell
Carme i Pep Farrarons – Hotel Llevant, Llafranc
Hinweis: Dieses fantastische Essen fand im Rahmen der TBEX Costa Brava statt. Vielen Dank an alle!
Wunderbarer Bericht! Ich habe direkt Hunger bekommen. Und großes Kompliment für deinen tollen Blog. Ich liebe auch die Costa Brava!
Danke Dir! In die Costa Brava muss man sich einfach verlieben, wenn man sie näher kennenlernt!