Endlich wieder in Girona! Ich mag diese Stadt total! Wenn Barcelona im Sommer überläuft von den Massen an Besuchern aus aller Welt, hält sich der Ansturm in Girona noch in angenehmen Grenzen. Ein Geheimtipp ist die Hauptstadt der Costa Brava längst nicht – jedenfalls nicht für Franzosen. Von denen trifft man hier jede Menge. Aber Frankreich ist ja auch nur eine Autostunde weit entfernt. Und gerade weil die Grenze so nah ist, wollen wir morgen mal eben auf die andere Seite, einmal den alten Küstenweg entlang fahren, bis nach Perpignan.
Auf Pflanzensuche in Girona:
Aber vorher habe ich noch was in Girona zu erledigen: Kräuterkunde ist angesagt! Mit Blumen kenne ich mich nicht so aus, aber ich liebe Kräuter und will so viel wie möglich darüber lernen. Evarist, mit dem ich nun schon einige Male unterwegs war (um Ratafia Kräuter zu sammeln und Algen zu kosten), macht heute einen Spaziergang in der Altstadt von Girona. Na, da bin ich doch dabei!
Bevor der „Natural Walk“ losgeht, habe ich noch Zeit, mir ein Eis im Rocambolesc zu gönnen. Eindeutig meine Lieblingseisdiele in Girona! Gemütlich bummle ich über den Onyar, in Richtung Altstadt. Treffpunkt des Kräuterspaziergangs ist heute am Jüdischen Museum. Wo Evarist in diesem steinernen Gassengewirr Kräuter und Pflanzen finden will … Ich bin sehr gespannt!
Pünktlich trudeln alle Kräuterfreaks am Treffpunkt ein. Alles Frauen, aber das kennt Evarist schon. Die Begrüßung ist mehrsprachig. Englisch, Spanisch, Französisch, sogar ein bisschen Deutsch – alles kein Problem und dann geht es los.
Das Thema des Spaziergangs sind heute nicht nur Kräuter, sondern uralte, mediterrane Pflanzen, die schon in der Bibel vorkommen. Unser erster Stopp sind Weintrauben. Daraus macht man Wein. Aber was noch alles? Evarist lässt uns ein bisschen raten, was man aus dieser Pflanze alles machen kann und wozu sie früher benutzt wurde. Ich bin ziemlich erstaunt, als er erzählt, wie alt Weinreben sind. Angeblich haben Menschen schon 8000 Jahre vor unserer Zeit Trauben angebaut! Ganz früher, weiß Evarist, gab es sogar männliche und weibliche Reben. Erst durch jahrhundertelange Züchtung schafften es die Menschen, dass heute alle Weinreben Früchte tragen.
Gleich um die Ecke ranken grüne Blätter an einer steinernen Mauer. Es sind Passionsblumen. Die Geschichte kenne ich schon von unserer Ratafia Kräutersuche! Eine ältere Dame in unserer Gruppe kennt sich offenbar gut mit der Bibel aus und erzählt, woher diese zarte weiß-lila Blüte ihren Namen hat.
Das sind Kapern?
Wir kommen auf eine kleine Aussichtsterrasse. Ein wunderschöner Blick über die Dächer von Girona! Doch Evarist hat längst wieder etwas entdeckt: grüne, längliche Früchte an einem Busch. Keiner von uns hat auch nur eine Ahnung, was das sein kann. Wir raten und liegen total daneben. Endlich löst Evarist das Rätsel: Es ist ein Kapernstrauch! Dabei sind Kapern doch viel kleiner und nicht so länglich, wundere ich mich.
Evarist pflückt eine Knospe vom Strauch. “Das, was wir als Kapern essen, sind die Blüten dieser Pflanze.” Er öffnet die Knospe ein wenig und eine wunderschöne Blüte kommt zum Vorschein. Das sollen Kapern sein? Alle blicken etwas ungläubig drein. Doch unser Botaniker ist vorbereitet und zaubert ein Glas eingelegte Kapern aus der Tasche. Jede von uns kriegt eine in die Hand. Ich gucke mir das stark nach Essig riechende grüne Ding genauer an. Als ich etwas drücke, öffnet sich die Kaper und eine Blüte, wie die der frischen Pflanze, kommt zum Vorschein! Meine in Essig eingelegte Blüte ist natürlich nicht mehr so schön, wie die frische Kaper, aber ansonsten sind sie identisch. Unglaublich!
Schon in der Antike haben Menschen Kapern zum Würzen und als Heilmittel verwendet. Im Alten Testament wird die Kapernblüte als ein Symbol der Vergänglichkeit und des Verfalls verwendet, erzählt Evarist.
“Und was sind dann die grünen, länglichen Früchte?”, fragt jemand aus der Gruppe. Auf Katalanisch heißen sie Taperots (Kapern sind Taperes) und werden ebenfalls in Essig eingelegt als Vorspeise serviert. Neugierig pflücke ich mir so ein Ding. Von innen sieht es fast wie eine Feige aus, ganz anders als die Kapern. Frisch vom Strauch kann man weder die Frucht noch die Blüte genießen, warnt Evarist, bevor jemand auf die Idee kommt, sich etwas in den Mund zu stecken. Dazu seien sie viel zu bitter. Erst in Essig eingelegt, werden Kapern zu einem unverzichtbaren Bestandteil der mediterranen Küche.
Kapern wachsen zwischen den anderen Pflanzen an trockenen Stellen der Mauer
Uralte Pflanzen aus der Bibel
Auf unserem Spaziergang finden wir noch viele andere spannende Pflanzen, wie die Llentiscle zum Beispiel, den Mastix-Pistazienbaum. Irgendwie wurde aus den Blättern und dem Stamm dieser Pflanze ein Harz gewonnen, aus dem man Balsam, antiken Kaugummi und natürlich wertvolle Öle für Salbungen herstellte. „Heute kennt kaum noch jemand diese Pflanze.“ Ich verreibe ein Blatt in der Hand und rieche dran. Der Geruch erinnert mich an etwas, aber ich weiß nicht, an was. „Dann probier ein Stückchen“, mein Evarist. Vorsichtig stecke ich ein Stück Blatt in den Mund. Jetzt weiß ich es! Es erinnert mich an dieses komische Getränk in Athen, Mastiqua! Damals konnte ich mit den Erklärungen meiner griechischen Freunde nicht viel anfangen. Nun weiß ich also, woraus dieses muffig schmeckende Wasser gemacht wird. Sehr gewöhnungsbedürftig würde ich mal sagen.
Mastix-Pistazienbaum
Myrte: die Beeren gaben der italienischen Mortadella ihren Namen
Bevor man den früher sehr teuren Pfeffer in die Wurst tat, war Myrte eine wichtige Zutat für Mortadella
Evarist zeigt uns noch Myrte, einen Judasbaum, Zypressen, Oliven und den Strauch, aus dem angeblich die Dornenkrone gefertigt wurde. Jede dieser Pflanzen hat ihre ganz eigene Geschichte und alle sind schon so unglaublich alt! Doch dann beginnt die Stunde der Mücken. Ganz plötzlich, wie auf ein Kommando, beginnen sie mich zu attackieren. Ich kann mich gar nicht mehr konzentrieren. Überall beißt und juckt es. Hilfe suchend frage ich Evarist, ob er nicht ein Kraut gegen die Viecher kennt.
Gewöhnlicher Judasbaum: die Schoten wachsen direkt am Ast
Zypressen – mythische Bäume: Symbol für Tod, Trauer oder ein langes Leben
Natürlich weiß er Rat. Er blickt sich nur kurz suchend auf dem Boden um und schon hat er etwas entdeckt. Wilde Minze, die soll ich auf der Haut verreiben. “Und wenn es nicht hilft, riecht es zumindest gut”, lacht er. Minze ist zwar keine klassische Mückenabwehr, aber es lindert auf jeden Fall den Juckreiz. Ich schnappe mir gleich ein paar Blätter und reibe meine geschundenen Knöchel ein. Andere aus der Gruppe greifen ebenfalls nach der Minze und tun es mir gleich. Na immerhin war ich nicht die Einzige, die vergessen hat, sich einzucremen.
Blätter der wilden Minze – meine Rettung!
Aber unser Spaziergang neigt sich dem Ende. Nach fast zwei Stunden sind wir auf einem kleinen Platz hinter der Kathedrale angelangt. Langsam geht die Sonne unter und taucht Girona in ein wunderschönes Licht.
Infos zu Kapern und anderen Kräutern:
Natural Walks – auf dieser Website findest Du alle Kräuter-Aktivitäten, die Evarist organisiert: naturalwalks.com
Zu dem Spaiergang durch Girona wurde ich eingeladen. Die hier dargestellten Ansichten geben meine ganz persönliche Meinung wieder!
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