Das Hivernacle in Barcelona

Eines der zahlreichen modernistischen Gebäude Barcelonas, das jedoch lange Zeit ungenutzt blieb und dabei beinah in Vergessenheit geriet, ist der Wintergarten im Parc de la Ciutadella, l‘Hivernacle. Zwischen der Drachenburg, dem Castell dels Tres Dragons, dem Museu Martorell und dem Umbracle, einem funktionierenden tropischen Wintergarten, eigentlich in bester Gesellschaft gelegen, gab es in den letzten Jahren viele Spekulationen, was mit diesem Bauwerk geschehen solle. Ursprünglich für die Weltausstellung 1888 in Barcelona errichtet, erfüllte es in seinen mittlerweile 135 Jahren viele sehr unterschiedliche Zwecke. Ende 2023 zog endlich wieder ein Wintergarten in das vornehm wirkende Gebäude aus Stahl und Glas ein, sehr zur Freude der Menschen, die in der Nähe der Grünanlage leben und den Park täglich für Spaziergänge, zum Spielen oder einfach um an der frischen Luft zu sein nutzen.

Ich bin natürlich neugierig und plane schon seit ich in der Zeitung von der Wiedereröffnung gelesen habe, einen Blick auf das „neue“ Hivernacle zu werfen. Schließlich ergibt sich beim Besuch einer Freundin ein Abstecher zum Parc de la Ciutadella. Ich staune nicht schlecht. Die sehr zerbrechlich gewirkt habende Konstruktion strahlt geradezu. Statt kaputter Glasscheiben leuchten sogar die lange unter dicken Farbschichten verborgenen Dekorationen im Sgraffito Stil wieder an der Fassade. Die beiden Säle des frisch restaurierten Wintergartens sind wirklich liebevoll bepflanzt. Bunte Blüten, exotische Gewächse und altbekannte Kräuter zieren die kleinen Beete der alten Räumlichkeiten. Im Vergleich zum nur wenige Schritte entfernt liegenden Umbracle, das einen kleinen Dschungel zu beherbergen scheint, ist das Grün im Hivernacle längst nicht so üppig. Diese dezente Begrünung hier passt aber perfekt zu der leicht und vornehm wirkenden Struktur des Gebäudes. Die ganze Konstruktion wirkt feiner und eleganter als sein robusterer Nachbar.

Wenn man bedenkt, dass die Pavillons nicht für die Ewigkeit geplant waren und im Grunde genommen nur für die kurze Zeit der Ausstellung halten mussten, kann man sich vorstellen, welchen Aufwand es bedeuten muss, diese Überbleibsel des vorletzten Jahrhunderts zu erhalten. Die Leichtbauweise des Hivernacles stammte aus der Feder Josep Amargós i Samaranch. Nach dem Abriss der verhassten Ciutadella, der Festung, von der aus König Felipe V Barcelona jahrzehntelang kontrollierte, suchte die Stadt nach einer sinnvollen Nutzung dieser neu gewonnenen Fläche. Man verwarf diverse Ideen und beschloss letztendlich eine Grünanlage einzurichten. Um die Blicke der Welt auf die kleine Provinzstadt zu lenken, gelang es 1888 die Weltausstellung nach Barcelona zu holen. Das leer stehende Gelände, auf dem noch kein Baum gepflanzt war, kam da genau richtig. Es waren turbulente Zeiten. Barcelona war eigentlich gar nicht auf ein solches „Event“ vorbereitet. Nicht einmal ausreichend Hotels gab es in der Stadt. Doch auch wenn das Geld knapp war, gelang am Ende die rechtzeitige Fertigstellung der Bauten des Ausstellungsgeländes, auf dem die modernsten technischen Errungenschaften der Welt einem breiten Publikum vorgestellt werden sollten.

All dies geht mir durch den Kopf, während ich langsam an den Beeten entlang schreite und mich umsehe. Kaum zu glauben, was diese Räume von damals bis heute alles gesehen haben! In der Zwischenzeit fanden hier zunächst Pilz- oder Korallenausstellungen des wissenschaftlichen Museums nebenan statt. Kanarienvogelzüchter hielten ihre Schau ab und wetteiferten um die besten Singvögel. Dann kam der Spanische Bürgerkrieg. Keine gute Zeit für das fragile Gebäude. Bomben fielen auf Barcelona und richteten auch hier Schaden an. Erst in den 60er Jahren wurden Hivernacle und Umbracle umfassend renoviert. Doch Instandhaltung war teuer. In den 80er und 90er Jahren fanden zahlreiche Konzerte in den Hallen des Wintergartens statt. Doch auch diese Phase fand bald ein Ende. Umso schöner, dass nach all diesen vergeblichen Versuchen, den modernistischen Räumlichkeiten neues Leben einzuhauchen, nun endlich wieder ein kleiner Botanischer Garten Einzug halten konnte. Zur Wiedereröffnung entschied man sich die Beete mit einer Mischung aus typischen Pflanzen eines Jardin Botanicos der Jahrhundertwende, wie Philodendron oder Monstera und mediterranen Heil- und Nutzpflanzen zu begrünen. Auch Pitaia, der Drachenfruchtkaktus, Ananas, Mango und Batata haben Einzug ins neue alte Hivernacle gehalten.

Informationen zum Hivernacle

Das Hivernacle befindet sich am Rande des ausgedehnten Parks der Ciutadella.
Adresse des Hivernacle:
Passeig de Picasso, 7
08003 Barcelona

Nahe Bahn- und Metrostationen: Estación de França und Arc de Triomf
Eintritt: Im Augenblick ist der Eintritt noch kostenlos. (Stand Januar 2024)
Website www.barcelonaturisme.com