Mein bisheriges Wissen über Korsika beschränkte sich auf die Lektüre von Asterix und Obelix und die Tatsache, dass ein gewisser Napoleon Bonaparte auf der Insel geboren wurde. Das war so ziemlich die Vorbereitung, mit der ich mich auf den Weg machte, echte Korsen zu treffen. Doch wo sollte ich sie finden? Und kommt man überhaupt mit so wortkargen Menschen ins Gespräch? Ich bin zwar sehr spontan und rede eher viel, aber ich bin auch relativ schüchtern, wenn mir jemand grimmig dreinblickend in den Weg tritt. Dann dreh ich normalerweise um. Aus Respekt, aus Vorsicht und sicher auch ein bisschen aus Schiß.

Die Korsen

Doch ich hatte Glück. Gleich an meinem ersten Abend auf Korsika trafen wir Pierre. Ein ehemaliger Lehrer der asiatischen Kampfkünste, der irgendwann seinen Job an den Nagel gehängt hat und nun jeden Abend mit seinem kleinen Pizzawagen am Rande der N198 steht.

pierre pizza antica korsika

korsika pizza holzofen

Einen echten Holzbackofen hat er in dem kleinen Lieferwagen und zeigt ihn uns stolz. Sehr schnell kommen wir ins Gespräch. Hübsch unter einem einzelnen Baum auf einer grünen Wiese gelegen, hat Pierre vor seinem kleinen Lieferwagen noch ein paar Tische und Stühle aufgestellt. Absolut einfach, aber sehr kultig. Die Pizzen, meine war mit Schafskäse und Honig, waren alle megalecker und Pierre ist ein echter Schatz. Er ist ein liebenswerter und gutmütiger Mensch, den ich sofort ins Herz schließe. Sein ehrliches Lachen macht gute Laune und steckt einen richtig an. Und so unterhalten wir uns lange über Gott und die Welt, mampfen unsere Pizzen und versprechen bald wiederzukommen.

unter korsen - pierre der pizzabaecker

korsen Pierre korsika pizza

Pierre ist waschechter Korse, ein grundpositiver Mensch und er redet gern und viel. Aber dem Klischee der Korsen entspricht er nun so gar nicht.

Der zweite Korse den wir auf unserem Wegen über die Insel kennenlernen ist José. José betreibt eine Bar am Straßenrand, auf dem Weg nach Calvi. Er ist schon eher das, was ich wortkarg nennen würde. Aber er serviert uns sehr freundlich einen Espresso, obwohl sein Restaurant eigentlich noch geschlossen ist. Als ich ihn nach ein paar Zeitungsausschnitten an der Wand frage, erfahre ich sogar, dass sein Sohn bei der französischen Ausgabe der Fernsehshow The Voice mitgemacht hat. Er und seine Kumpel haben zwar nicht gewonnen, aber sie sind relativ weit gekommen und sind nun natürlich total angesagt auf der heimatlichen Insel. In der Show sind sie durch die polyphonen Gesänge aufgefallen, eine traditionelle korsische Art zu singen, die sogar zum immateriellen Weltkulturerbe der Menschheit zählt.

Für mich hört sich das zunächst etwas ungewohnt an, weil die Männer (es singen glaube ich immer nur Männer) irgendwie versetzt singen, jeder für sich, und das auch noch jeweils in einer anderen Stimmlage. Aber es ist sehr faszinierend und erinnert ein wenig an gregorianische Gesänge.

Die Gruppe, in der Josés Sohn auftritt heißt übrigens Incantèsimu – hier kannst Du reinhören, wenn Du neugierig bist:

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Ganz klassische, korsische Gesänge sind das hier:

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In der Bar Océane in dem kleinen Bergdörfchen Cervione verkehren vorwiegend Einheimische. Sie sitzen vor der Tür im Schatten, parlieren auf Korsisch und beobachten die umher irrenden Touristen, also uns. Wir werden von der Tochter der Chefin bedient, eine Frau auch schon im mittleren Alter. Ein Familienbetrieb offenbar. Océane ist der Name ihrer Tochter erzählt uns die nette Kellnerin stolz. Und ihre Mutter, Véronique, steht in der Küche und führt ein strenges Regiment.

Während Oceánes Mutter uns gut gelaunt bedient, steigt sie zwischendurch auch mal auf eine Bank an der Straße, um lauthals nach einem Stammgast zu pfeifen, dessen Mittagessen fertig ist. Er soll sich beeilen, denn wenn das Essen kalt wird, ist Mama in der Küche sauer! Vor Véronique kuschen sie hier alle. Eine sehr korsische und sehr, sehr nette Familie! Und das Essen ist natürlich auch lecker und vor allem günstig. Ein Glas korsischer Pastis aus dem Haus Damiani kostet hier nur einen Euro, ein üppiger Teller Fromage Corse, bestehend aus einem dicken hausgemachten Burger mit korsischem Käse und Pommes, nur sechs Euro. An der Küste wird so ein Mahl deutlich teurer!

bar cervione korsika

cervione korsika pasquale paoliPasquale Paoli – Cervione

Die einzige schlecht gelaunte Korsin, die ich auf der Insel getroffen habe, war eine Oma in Prunet Plage. Genau genommen habe ich sie gar nicht getroffen, denn sie brüllte einfach etwas aus dem Fenster im ersten Stock auf die Straße hinunter. Wir kamen gerade vom Strand und waren dabei uns die Schuhe wieder anzuziehen, als sie lautstark von oben zu lamentieren anfing. „Immer vor meiner Tür. Das ist doch kein Keller. Das ist eine Eingangstür.“

Ganz höflich habe ich sie gefragt, ob wir sie stören, da ich mir nicht vorstellen konnte, was wir denn Schlimmes gemacht haben könnten. Schuhe anziehen ist soweit ich weiß weder verboten noch unanständig und macht auch keinen Lärm. Doch die alte Dame regte sich weiter auf, ohne sich überhaupt auf mich einzulassen. Es hörte sich an wie ein Programm, das sie schon hundert tausendmal abgespult hat. Sie brabbelte einfach immer weiter immer die selben Worte vor sich hin. Vermutlich ziehen hier im Hochsommer ganze Horden an Touristen ihre Schuhe vor ihrer Tür an und dann kommt sie nicht mehr raus und rein? Ob es das ist? Ich weiß es nicht. Im Juni war dort jedenfalls herzlich wenig los. Außer uns gab es vielleicht noch drei weitere Menschen am Strand, der übrigens auch nicht so besonders toll war. Prunet Plage kann man getrost umfahren.

Tête de Maure – der Korsenkopf

Der Korsenkopf, oder wörtlich übersetzt ja eigentlich Maurenkopf, ist das korsische Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit. Er ziert nicht nur die korsische Flagge, sondern ist auf der Insel wirklich omnipräsent. Auf Handtüchern, Aschenbechern, Aufklebern, Bierflaschen und Kaffeetassen – überall begegnet man der Silhouette eines schwarzen Kopfes mit einem weißen Stirnband. Meist zeigt der Kopf nach links, in seltenen Fällen auch mal nach rechts. Über den Ursprung des Tête de Maure, des Maurenkopfs, gibt es viele Theorien. Eine davon besagt, dass ein Maure aus Al-Andalus, dem heutigen Spanien, kam und eine korsische Jungfrau rauben wollte. Ihr Bruder, oder ihr Verlobter, verfolgte den Mauren, rettete sie natürlich und köpfte den Entführer.

kopf des korsen korsikaEine andere Geschichte besagt, dass der schwarze Kopf früher eine Augenbinde statt eines Stirnband getragen habe. Die Augenbinde und der Ohrring des Krauskopfs waren ein Symbol der Sklaven, aus dem der korsische Unabhängigkeitskämpfer Pasquale Paoli dann 1755 ein Symbol der Unabhängigkeit schuf, indem er ein Stirnband daraus machte. Bis heute steht der Maurenkopf jedenfalls für die Unbeugsamkeit der Korsen.

kopf des korsen freibeuter reisen korsika

Eine unspektakuläre aber doch recht logische Theorie erklärt, warum Korsika nicht allein ist, mit dem schwarzen Kopf im Wappen. In der Flagge Sardiniens kommen nämlich gleich vier dieser Köpfe vor. Es wäre also naheliegend anzuehmen, dass sie einen gemeinsamen Ursprung haben. Pere el Gran, Graf von Barcelona und König von Aragón hatte bei seinen zahlreichen Eroberungszügen im Mittelmeerraum auch Sardinien zeitweise unter seine Herrschaft gebracht. Das Wappen Aragóns enthielt seit 1095 als Pere I in der Schlacht von Alcoraz 1095 über die Mauren siegte, diese vier schwarzen Köpfe, die die besiegten und vermutlich enthaupteten, maurischen Herrscher symbolisieren. (Ein Antrag auf Entfernung der Köpfe im Wappen wurde vor einigen Jahren mit der Begründung abgelehnt, sie seien ein Teil des historischen Kulturguts.)

Flagge Aragón (links unten im Wappen: Cruz de Alcoraz)

Allerdings gibt es auch in Deutschland und der Schweiz ein paar Orte, die einen Maurenkopf (einen „Mohrenkopf“) im Wappen haben, wie zum Beispiel Coburg oder Eisenberg. Und die Coburger haben nun wirklich nichts mit der Flagge von Aragón zu tun.

Mehr Lesestoff über die Korsen und ihre Insel:

Absolut lesenswert ist dieser Korsika Krimi – Ich warte schon ganz gespannt darauf, ob es bald einen zweiten Teil gibt:

Der Kopf des Korsen
von Jean Renard / emons Verlag

Wir sind anderswo: Korsika – Wandern mit Kindern

Travelita: Mit dem Drahtesel durch die Balagne

Website über Korsika: www.korsika.com

und natürlich nicht zu vergessen Asterix und Obelix: Asterix auf Korsika 

Meine Korsika Tipps:

Für unseren Mini-Roadtrip haben wir bei Auto Europe einen Dacia Duster gemietet, mit dem wir kreuz und quer über die Insel gedüst sind. Was wir außer den wenigen, aber echten Korsen, die wir kennengelernt haben, noch alles auf Korsika gesehen und erlebt haben, erzähle ich in einem anderen Artikel.

Océane
(Madame Véronique Raffalli)
Casale la Traverse
20221 Cervione
Korsika

Pierre – Pizza Antica
an der Nationalstraße 198, in der Mitte zwischen Bastia und Porto Vecchio
Abzweigung nach Marines de Bravone
20230 Linguizzetta
Korsika
auf Facebook: pizz.antica

José Bar Brasserie
Ponte Novu
20235 Castello di Rostino
Korsika

Hinweis: Für unseren Mietwagen wurde uns von Auto Europe ein Rabatt eingeräumt.