Die Casa Vicens:
Endlich hat Manuel Vicens es an der Börse zu Geld gebracht. Ein kleines Vermögen, genug, um sich auch ein schickes Sommerhaus bauen zu lassen, wie es die meisten wohlhabenden Bürger Barcelonas gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts besitzen. Vicens erwirbt ein Gründstück in dem kleinen Dörfchen Gràcia, nördlich von Barcelona. Als Architekten stellt er einen sehr jungen, noch relativ unerfahrenen Mann namens Antoni Gaudí ein. Der arbeitete als Technischer Zeichner mit verschiedenen renommierten Architekturbüros zusammen. Unter anderem wirkte der junge Gaudí zu dieser Zeit am Entwurf des Brunnens im Parc de la Ciutadella, wo 1888 die Exposición Universal eröffnet wurde, und bei der Neugestaltung der Plaça Reial mit. Auf dem Platz im Gotischen Viertel stammen die Laternen (1888) von ihm. In Mataró hatte der erst dreißig Jahre alte Architekt sogar bereits die Werkshalle für eine Genossenschaft entworfen.
Herr Vicens beschließt also, dem jungen Talent den Auftrag für sein Sommerhaus zu erteilen. Bald entsteht in kurzer Zeit ein hübscher kleiner Palast mit wunderschönem Garten. Schon 1885 zieht Manuel Vicens mit seiner Frau Dolores ein.
Die für den späteren Gaudí so typischen organischen, runden Formen und organischen Elemente sucht man hier noch vergebens. Gaudí fängt gerade erst an, seinen ganz eigenen Stil zu entwickeln. Bei der Casa Vicens sieht man noch die maurischen Einflüsse, arabisch-orientalische Muster und Formen, die auch viele andere Vertreter des Modernisme damals in ihren Werken nutzten. Bunte Kacheln, gerade Linien und ein Spiel mit Licht und Schatten bilden eine sehr komplexe geometrische Harmonie. Zwischen den vielen Fenstern, Türen, Ein- und Ausgängen, findet man zahlreiche kleine bunte Details. Viele der Elemente, die später zum Markenzeichen Gaudís werden sollen, sind hier aber schon zu erkennen.
Nach dem Tode Manuel Vicens verkauft seine Witwe 1899 das Haus an Antoni Jover. Nach dem Höhenflug um die Jahrhundertwende, gilt der Modernisme Anfang der zwanziger Jahre schon als überladen und ist dabei, vom Noucentisme abgelöst zu werden. Die Familie Jover braucht mehr Platz und lässt das Haus 1925 umbauen. Für die Arbeiten zur Erweiterung fragt man zunächst Gaudí selbst an. Doch der mittlerweile recht kauzig gewordene Künstler lehnt ab, ist er doch mit dem Bau der Sagrada Familia vollauf beschäftigt. Die Umsetzung des Meisterwerks fordert seine ganze Aufmerksamkeit.
So übernimmt also der Architekt Joan Baptista Serra de Martinez den Umbau. Er hält sich dabei treu an die Vorgaben Gaudís und erweitert die ehemalige Rückseite des Hauses um mehrere Meter, legt eine Terrasse vor dem Eingang an und errichtet eine kleine Kapelle im Garten. Der Anbau ist von außen kaum vom Originalgebäude zu unterscheiden.
Straßenseite der Casa Vicens
Rückseite der Casa Vicens – Garten
Viele Jahrzehnte lang bleibt die Casa Vicens nun in Privatbesitz. 2014 schließlich verkauft die letzte Erbin der Familie Jover das Grundstück an eine Bank. Um das Haus für Besucher zugänglich zu machen, soll der Originalzustand, so wie Gaudí das Gebäude und den Garten einst entworfen hatte, möglichst originalgetreu wieder hergestellt werden. Allerdings haben sich die Grundstücke ringsherum in den letzten 120 Jahren verändert. Von der großen Gartenanlage ist nur noch ein winziges Fleckchen Grün geblieben. Der Rest ist längst bebaut.
Während im älteren, von Gaudí entworfenen Gebäudeteil, die ursprünglichen Farben und Malereien wieder hergestellt werden, bringt man im Anbau von 1925 die Räume und Zugänge für künftige Besucher unter. Von außen kaum zu erkennen, wird der Unterschied innen um so deutlicher. Die Wände im Anbau sind in schlichtem Weiß gehalten – ein krasser Gegensatz zu den üppigen Farbexplosionen der modernistischen Seite der Casa Vicens.
Nachdem ich schon so oft draußen vor der Casa Vicens stand und mich gefragt habe, wie wohl die Innenräume aussehen mögen, bin ich nun zugegebenermaßen ein wenig aufgeregt, als ich endlich das renovierte Gebäude betreten darf.
Zunächst stehe ich aber erst einmal in einem weißen Labyrinth. Über die weißen Treppen im Anbau gelange ich in die Räume, die einst von Gaudí entworfen wurden. Die modernistischen Architekten entwarfen immer auch das komplette Interieur eines Hauses. Leider ist von den Möbeln und Lampen aus dieser Zeit aber nichts mehr erhalten geblieben.
Umso stärker wirken die farbenfrohen Dekorationen an den Wänden, Fußböden nach Art der römischen Mosaike, italienische Sgraffiato-Techniken, florale maurische Elemente und die aufwendig bemalten Decken. Möbel würden hier eigentlich nur stören. Während ich durch die Räume wandere, entdecke ich überall liebevoll gearbeitete kleine Details. Natürlich verfügte die Casa Vicens auch über modernen Luxus. Zur Einrichtung gehörten ein Wasserklosett und ein großzügiges Badezimmer.
Innen: Fußboden-Mosaike
Sgraffiato – die Wände der Innenräume unterschiedlich dekoriert
üppig verzierte Deckenbalken
Rauchersalon in schweren, orientalischen Farbtönen
auch Badezimmer und Toilette gab es schon in der Casa Vicens
Im oberen Geschoss sind heute Ausstellungsräume untergebracht. Dort, wo früher die Dienstboten Wäsche aufhängten oder ihre kleinen Kämmerlein hatten, sind alte Schwarz-Weiß Aufnahmen und verschiedene Modelle der Casa Vicens zu sehen, die dabei helfen, sich ein Bild vom Haus zu machen. Der in Barcelona als Modernisme berühmte gewordene Jugendstil hatte im restlichen Europa zwar ganz ähnliche, doch gleichzeitig sehr unterschiedliche Ausprägungen. Kleine Modelle zeigen einige der typischsten Werke bekannter europäischer Architekten.
Modell der Casa Vicens
Der Rundgang durch das Haus endet auf dem Dach. Obwohl die Herrschaften hier wahrscheinlich selten bis nie hinkamen, hatte Gaudí damals schon eine Art begehbares Dach geplant, das er mit aufwendigen Materialien verzieren ließ. Bunte Türmchen, teure Kacheln und schmiedeeiserne Rosen.
Nützliche Infos zur Casa Vicens:
Adresse:
Casa Vicens
Carrer de les Carolines, 20
08012 Barcelona
Website: www.casavicens.org
Metro: Fontana
Lesseps (Grüne Linie 3)
Eintritt Casa Vicens :
Erwachsene: 16 Euro
Kinder 7-18 Jahre: 14 Euro
Studenten und andere Ermässigungen: 14 Euro
Kinder unter 7 Jahren: frei
Zuschlag für Führung pro Person (Visita Guiada ): 3 Euro
Es gibt keine Audioguides! Dafür steht in den Räumen Personal zur Verfügung, das man jederzeit ansprechen kann und über die Details des jeweiligen Saals gern Auskunft gibt.
Eintritt frei: Europäische Nacht der Museen und Internatioanler Tag der Mussen
Eintrittskarten kannst Du online auf der Website der Casa Vicens kaufen. Warteschlangen gibt es im Moment (November 2017) noch nicht.
Öffnungszeiten:
Täglich von 10-20 Uhr, letzter Einlass 19 Uhr
(Außer 25. Dezember, 1. und 6. Januar)
Anmerkung: So schön für alle Architektur und Kunstgeschichtsfans diese Eröffnung der Casa Vicens ist, es gibt auch einen kleinen Wermutstropfen. Die unschöne Seite dieser Entwicklung betrifft vor allem die Anwohner, die wieder einmal mit erhöhten Mietpreisen in ihrem Viertel rechnen müssen (was bei nicht steigenden spanischen Gehältern und hoher Arbeitslosigkeit nicht so leicht zu verdauen ist). Aber nicht nur die Immobilienspekulanten, auch viele andere wollen nach Möglichkeit Gewinn aus dem neuen Sehenswürdigkeit schlagen. Es ist eine Frage der Zeit, wie lange sich die letzten kleinen Tante-Emma-Läden hier noch halten können, bevor die ersten Ketten, Souvenirshops und Starbucks hier einziehen und dann leider auch die Preise für eine Tasse Kaffee in die Höhe treiben werden.
Was man als Tourist tun kann? Möglichst nachhaltig reisen! Auch in Barcelona. Das bedeutet unter anderem auch, kleine lokale Läden, statt große internationale Ladenketten zu unterstützen.
Hallo Nicole
wie versprochen ein paar Anmerkungen von mir:
Wir waren also in der Casa Vicens.
Was soll ich sagen, es ist so wie oben beschrieben! Wir waren ganz einfach begeistert.
Dein Blog trifft mal wieder ins Schwarze!
Noch eine kleine Anmerkung:
Ein Großteil der Wände und Decken bestehen nicht aus Keramik! Sie sind aus Pappmasche!!
Wunderschön gearbeitet und coloriert. Wir haben nur die Angst, dass viele der Besucher daran herumziehen und diese schöne Ausschmückungen zerstören. Leider!
Deine Anmerkung möchte ich so kommentieren:
Leider ist dies so und leider ist dagegen kein Kraut gewachsen.
Warum man in jedem 2. Haus einen Souvenierladen und ein kleines Restaurant einbaut ist auch für mich nicht nachvollziehbar. Die Einwohner von Barcelona sind dabei die Leidtragenden, was in dieser wunderschönen Stadt, nicht unbedingt zum Miteinander der Einwohner und Touristen beiträgt.
Leider geht dabei auch ein Teil des eigentlichen Barcelona verloren.
Vielen, vielen Dank! Es freut mich sehr, dass Dir meine Tipps gefallen und Du immer wieder nach Barcelona kommst! Es ist und bleibt schließlich eine wunderschöne Stadt 🙂
Liebe Grüße
Nicole
Hallo Nicole,
ich schon wieder…
Aber, da ich deinen Blog je sehr interessiert verfolge und dabei für Neuigkeiten offen bin, habe ich einen kleinen Fehler in der Rubrik Casa Vicens gefunden:
Fast am Schluss schreibst du …Eintrittskarten kannst du online… (November 2018) …
Der November 2018 kommt erst noch.
Ansonsten toll gemacht.
Vielleicht erinnerst du dich, dass ich mind. 3x pro Jahr Barcelona besuche. Der nächste Besuch ist über die Fastnachtstage, da werde ich sicher einen Besuch in der Casa Vicens einplanen.
Danke!
…uns ein gutes und gesundes Jahr 2018.
Hoopla! Danke Dir! ja da war ich meiner Zeit wohl gerade mal einen Schritt voraus! hihi Natürlich meinte ich 2017 und habe das sofort berichtigt!
Dir wünsche ich auch ein wunderbares neues Jahr! und viel Spaß in Barcelona!
Lg
Nicole