Josep Puig i Cadafalch war einer der berühmtesten Architekten des Modernisme. Von ihm wurden zum Beispiel die Quatre Columnes, die Casa Amatller und auch die Casa de les Punxes entworfen. Bevor er in Barcelona neue Bauten für die wohlhabende Bürgerschicht entwarf, war der junge Mann als Stadtarchitekt in Mataró aktiv. Puig i Cadafalch war dort für öffentliche Bauten wie den Marktplatz el Rengle, die Restaurierung des Rathauses oder das städtische Abwassernetz verantwortlich gewesen. Aber auch die Pläne für ein wunderschönes privates Wohnhaus werden dem Sohn der Stadt zugeschrieben, die Casa Coll i Regas.
Senyor Coll i Regas war ein reicher Industrieller. Dank der florierenden Textilindustrie hatte er es zu einem gewissen Wohlstand gebracht. Obwohl der gute Herr erzkonservativ und streng katholisch war, erkannten ihn selbst Kommunisten und Anarchisten als einen guten Arbeitergeber an.
Im Unterschied zu vielen anderen Industriellen dieser Zeit legte Coll i Regas viel Wert darauf, dass seine Arbeiter anständig bezahlt wurden und dass sie Zeit hatten, am Sonntag die Messe zu besuchen. Samstagnachmittag hatten sie frei, um sich auszuruhen und sonntags, um in die Kirche zu gehen. Er zahlte nicht nur überdurchschnittlich hohe Löhne, sondern er bezahlte seinen Arbeitern einen Teil des Lohns auch im Krankheitsfall fort. Das war für die damalige Zeit eine geradezu revolutionäre soziale Absicherung. Zu Ende des neunzehnten Jahrhunderts herrschten in Barcelona schlimmste Bedingungen für die einfachen Arbeiter. Frauen und Kinder arbeiteten zwölf Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Das war absolut keine Seltenheit. Die Kindersterblichkeitsrate war erschreckend hoch. Die soziale Einstellung Coll i Regas kann man als fast schon als futuristisch bezeichnen. Wer für ihn arbeitete, hatte es in diesen schweren Zeiten relativ gut.
1894 entsteht im Carrer Argentona nach den Plänen von Puig i Cadafalch das neue Wohnhaus des reichen Industriellen. Viel hatte der Hausherr leider nicht von dem neuen Familiensitz, denn nur 10 Jahre später stirbt Coll i Regas 1904 überraschend. Nach seinem Tod wird er sogar von seinen politischen Gegnern als vorbildlicher Arbeitgeber gelobt.
Bereits an der Fassade erinnern viele Details an die Textilindustrie, der Coll i Regas seinen Reichtum zu verdanken hatte. Die schmiedeeisernen Fenstergitter und Balkone sind mit goldglitzernden Zahnrädern dekoriert. Über der Eingangstür hockt eine junge Frau, die gerade dabei ist Wolle zu spinnen. Zahlreiche Tiere sind mit Symbolen dargestellt: ein Kaninchen mit einem Stofftuch, eine Katze spielt mit einer Wollknäuel, eine Schmetterling mit Seidenraupen.
Die Casa Coll i Regas war ein bisschen so etwas wie das Experimentierlabor, in dem Puig i Cadalach neue Ideen entwickelte und Dinge probierte, die er dann in der kurz danach entstandenen Casa Amatller umsetzte.
Die modernistischen Architekten waren wie die Dirigenten eines Orchesters. Sie arbeiteten mit den besten Handwerkern zusammen, die nach ihren Entwürfen die Skulpturen, Kacheln und sogar die Möbel herstellten. Schmiede, Glasmacher, Bildhauer, Maler – sie alle waren die Musiker dieses modernistischen Orchesters.
Geschäftlich war Coll i Regas sicher viel auf Reisen und freute sich, wenn er zu seiner Familie nach Mataró zurückkehren konnte. In großen Lettern prangt an dem schönen Gebäude nämlich der Spruch: „Molt bo és viatjar – millor a casa estar. “ Übersetzt heißt das auf Deutsch: Reisen ist gut – zu Hause sein ist besser.
Die im Modernisme so typischen hydraulischen Fliesen sind unkaputtbar. Nach hundert Jahren sind sie immer noch prima erhalten. Ehrlich gesagt habe ich mich immer gewundert, was denn zum Kuckuck an Fliesen hydraulisch ist. Aber jetzt erst weiß ich, dass sich da gar nichts anhebt, sondern der Name daher kommt, dass diese Art Fliesen hydraulisch gepresst werden. Auf Deutsch heißen die Dinger einfach Zementfliesen.
Infos zur Casa Coll i Regas
Carrer d’Argentona, 55
08302 Mataró / Barcelona
Website: www.casacolliregas.cat
Anfahrt von Barcelona: Linie RG1 der Renfe
(Die Linie von Barcelona nach Mataró ist die erste Eisenbahnlinie in Spanien, die 1848 gebaut wurde!)
Von innen ist die Casa Coll i Regas erst wieder im Oktober 2017 zu besichtigen. Im Moment werden die vielen Zimmer mit den schönen Deckenmalereien und orientalischen Elementen noch restauriert. Infos über einen Audio Guide, mit dem Du auf eigene Faust durch Mataró spazieren kannst, gibt es auf der Website der Stadt www.mataro.cat
Zu der Besichtigung wurde ich von Visit Mataró eingeladen.
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