Louis ist ein echter Star. Naja, jedenfalls ein bisschen. Vielleicht hast Du ihn ja sogar schon gesehen? Als die erste Staffel von Game of Thrones hier auf Gozo gedreht wurde, war Louis als einer der einheimischen Komparsen mit dabei. Stolz zeigt er uns ein Foto, auf dem er mit der schönen Daenerys am Tag ihrer Hochzeit zu sehen ist.
Wenn Louis nicht an seiner zweiten Karriere als Filmstar arbeitet, ist er als Reiseführer im Jeep unterwegs. Vom ersten Moment an, als Louis uns im Hafen von Gozo begrüßt, habe ich diesen quirligen kleinen Mann ins Herz geschlossen. Mit einem großen Schild in der Hand hat er dort gut gelaunt auf Laura und mich gewartet – über eine Stunde, denn am Fähranleger auf Malta herrschte mal wieder Chaos und wir kommen viel zu spät. Zusammen mit Tessa und Olaf, zwei anderen Reisenden, klettern wir dann aber endlich in seinen Jeep und fahren los, quer über die Insel. Ganz Gozo will Louis uns zeigen. „Es soll ein unvergesslicher Tag werden“. Das verspricht er uns sogar feierlich.
Louis strahlt und ist gar nicht mehr zu bremsen. Mit seinem Ohrring, dem Schlapphut und viel Charme erinnert er mich ein bisschen an Indiana Jones, irgendwie. Er zeigt uns jede Schule, jeden Bäcker und jede Kirche. Hier grüßt er einen alten Freund und dort winkt er einem Kollegen. Wir sehen die schönsten Aussichtspunkte und die besten Strände der Insel.
Xlendi
Xlendi
Kurz bevor wir in den kleinen Ort Xlendi hinunterfahren weist Louis auf die Klippen vor uns am Horizont. Dort oben haben die Archäologen tiefe Rillen im Boden gefunden, erzählt er Olaf, Tessa, Laura und mir. Diese Rillen sind deswegen so spannend, weil man bis heute nicht herausgefunden hat, wie genau sie entstanden sind. Sehr wahrscheinlich sind sie von Menschenhand gemacht. Eine Kultur, die vor vielen Jahrtausenden hier gelebt haben muss, scheint schwere Dinge auf Schienen, in Wagen oder auf Rädern transportiert zu haben. Aber das Allermerkwürdigste ist, dass diese tiefen Furchen im Stein einfach weiter über die Klippen führen und scheinbar nirgendwo hinführen. Sie enden im Nichts!
Hinter den kleinen Salzbecken in der Xwejni Bay, in denen heute noch wie vor hundert Jahren Salz aus Meerwasser gewonnen wird, entdecken wir eine lustige Höhle. Das Loch im Felsen wird von den Einheimischen Hochzeitshöhle genannt, erzählt unser Guide. Ich finde, es sieht irgendwie retro-futuristisch aus, wie aus einem Science-Fiction Film der siebziger Jahre. Unten am Ufer führt ein netter Spazierweg entlang. Doch statt hinunter ans Meer, fahren wir hinauf auf den Berg, denn es ist Zeit zum Mittagessen.
Lampuki – Fisch auf Gozo
Fliegu, so wie das Meer zwischen Gozo und Malta, heißt das Restaurant, in dem wir den Ausblick über die Insel und die Meerenge genießen. Serviert wird Goldmakrele, Lampuki, ein Fisch, den die Malteser viel fangen und gern essen.
Nach dem Essen geht es weiter. Die Menschen auf Malta und Gozo sind bis heute noch streng gläubige Katholiken. Jede Menge Kirchen wollen gefüllt werden. Gozos ganzer Stolz ist eine neue, große Kirche, die Ta’ pinu. Diese „Kirche der Wunder“ wurde sogar von Papst Johannes Paul II gesegnet, als er auf Malta zu Besuch war. Etwas später sehe ich vom Jeep aus einen Christus Redentor auf einem Hügel stehen. Auch wenn ich nicht wirklich nah herankomme, muss ich beim Anblick der Statue sofort an den überdimensionalen Christus in Rio de Janeiro denken. Der Tas-Salvatur auf Gozo ist zwar kleiner als die berühmte Jesusstatue in Brasilien, aber dafür von den Leuten hier umso mehr geliebt.
Langsam nähern wir uns dem Höhepunkt der Inseltour. Doch vorher hat Louis noch eine kleine Überraschung für uns: Sandstein ist die dominierende Farbe der maltesischen Inseln, denn hier wird alles aus demselben Material gebaut. Zu unseren Füßen sehen wir nun auch wie dieser Sandstein gewonnen wird, aus dem die Menschen hier Häuser, Mauern und Denkmäler errichten. Wir stehen vor einem typischen Steinbruch. Ehrlich gesagt sieht es ein wenig aus wie eine Arena im klassischen Altertum. So als kämen gleich in Tunika gewandte Griechen oder Römer um die Ecke, um die Steine abzutransportieren oder gar mit wilden Löwen zu kämpfen.
Kurz vor Sant Lawrenz biegen wir nun in Richtung der Dwejra Bay ab. An einem kleinen See steigen wir aus. Das ist die „Inland Sea“ erfahre ich auch sogleich, ein bekannter Tauchspot und Durchgang zum offenen Meer. Ein Boot wartet bereits auf uns. Für vier Euro bringt Louis der Bootsführer uns durch eine Höhle auf die andere Seite. Angeblich muss man das gesehen haben.
Kaum sind Laura und ich ins Boot gehüpft, fahren wir auch schon los. Schon die Fahrt durch die Höhle begeistert mich total. Als wir am anderen Ende des dunklen Felsentunnels langsam den Ausgang erkennen können, durch den etwas Licht in die Höhle fällt, bin ich wie in einer anderen Welt. Das Wasser hat hier eine unglaubliche Farbe! So ein strahlendes Blau habe ich noch nie vorher gesehen! Richtig unwirklich sieht das aus! An den Felswänden wachsen rote Korallen. Ich bin sofort total verliebt in diesen felsig schroffen Ort.
Dann holt Louis der Bootsführer plötzlich einen Zettel hervor und zeigt auf ein Foto. Dort drüben war bis letztes Jahr im März noch das berühmte Azure Window, das blaue Fenster, eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Maltas. Ich erinnere mich noch sehr genau, als ich gerade auf der ITB in Berlin zu einem Termin auf der Tourismusmesse verabredet war und die Nachricht mich plötzlich von allen Seiten erreichte: das Blaue Fenster auf Malta sei eingestürzt! Niemand konnte es so richtig glauben. Eine Katastrophe!
Wie muss das wohl für die Einheimischen gewesen sein? Die Fischer oder die Bootsführer, die nach einer stürmischen Nacht am Morgen – wie jeden Tag – hierherkommen und das Azure Window ist einfach nicht mehr da! Ich muss zugeben, ich habe mich sehr geärgert, als ich hörte, dass es das Fenster nicht mehr gibt, weil damit klar war, dass ich es nun nie mehr sehen werde.
Hier an dieser Stelle war das also. Allerdings muss ich sagen, dass die Küste auf Gozo so viele andere wunderbare Felsen hat, dass ich es gar nicht mehr so schlimm finde, diesen berühmten Bogen nun nicht gesehen zu haben. Stattdessen lacht mir ein ganz anderer Felsen hier sogar fröhlich entgegen.
Nach unserem kurzen Ausflug an die Küste geht es bald wieder zurück durch die Höhlen in die Inland Sea, wo Louis der Jeepfahrer auf uns gewartet hat. Seit acht Jahren macht unser lieber Guide diesen Job als Reiseführer im Jeep. Vorher hat er in einer Jeansfabrik gearbeitet, bis die eines Tages schließen musste und er von heute auf morgen mit seinen Kollegen auf der Straße stand. Das Leben auf Gozo ist nicht immer so einfach.
Und idyllisch ist es wohl auch vorwiegend für die Besucher. Es ist so ganz anders hier, als auf der reich und wohlhabend wirkenden großen Schwesterinsel Malta. Doch Louis liebt seine Heimat. Er würde auch nie auf die Idee kommen hier wegzuziehen. Von ganzem Herzen ist der lebenslustige kleine Mann hier zu Hause. Und er lässt sich nicht unterkriegen. Lieber arbeitet er hart und für wenige Geld, als woanders sein Glück zu versuchen.
Gozo ist still und leise. Im Gegensatz zum turbulenten Malta wirkt die kleine Insel noch ländlich und beschaulich. Die felsige Landschaft ist karg und nur wenige Streifen bieten genügend Wasservorräte, um dort Obst, Gemüse, Oliven oder Wein anzubauen. Auch die Menschen sind wie die Landschaft, still und rau. Faltige Gesichter, ohne Schönheitsoperationen. „Hier lässt man noch die Haustüren offen stehen“, sagt Louis und zeigt auf eine Tür am Straßenrand, in der noch ein Schlüssel steckt. Er ist sichtbar stolz auf die Menschen hier. Man kennt und vertraut sich eben.
Doch alles verändert sich langsam. Die jungen Leute wollen keine harten körperlichen Arbeiten mehr machen. Niemand will sein Brot als Fischer, Maurer oder Bauer verdienen. Auf Malta boomen die IT-Branche und die Glücksspielseiten im Internet. Da werden immer neue Jobs angeboten. „Die Leute wollen halt lieber am Laptop arbeiten. Auch früher sind die Menschen hier manchmal weggegangen, um anderswo Arbeit zu finden. Nach Amerika, England oder Australien. Aber sie alle kamen irgendwann wieder. Wer heute in die Welt hinauszieht, kehrt nicht mehr zurück“, sagt Louis und es klingt ein wenig traurig.
Zum Schluss unserer Inseltour statten wir der Zitadelle in Rabat, der Hauptstadt Gozos, noch einen kurzen Besuch ab. Rabat (oder Victoria) ist genau genommen die ummauerte Altstadt der zusammengewachsenen Orte Mdina und Rabat. Viel Zeit bleibt leider nicht für die Erkundung der schönen alten Gassen. Aber ich komme ja noch mal wieder. Irgendwann. Ganz bestimmt.
Schließlich bringt Louis uns zurück zum Hafen, wo er uns heute Morgen in Empfang genommen hat. Es ist Zeit Abschied zu nehmen. Statt auf die große Fähre zu gehen, besteigen wir ein kleines Schnellboot, das einen kurzen Zwischenhalt auf Comino machen wird. So schaukeln wir am Ende des Tages sogar noch durch die Blaue Lagune, die ich auf der Hinfahrt schon in der Ferne sehen konnte. Doch so richtig genießen kann ich das kristallklare in hellem Türkis schimmernde Wasser gerade gar nicht. Irgendwie ist mein Kopf noch voll von all den Eindrücken und Geschichten, die ich bis eben gerade noch auf Gozo erlebt habe.
Infos zu Gozo
Nach Gozo geht es nur übers Wasser. Eine Brücke gibt es nicht. Und das ist auch gut so. Kein Weg führt an der Fähre vorbei – es sei denn, man kann sich ein privates Boot leisten. Vermutlich konnte sich Gozo nur so vor dem Ansturm der vielen Touristen, die Malta längst schon überflutet haben, retten und bis heute seinen dörflichen Charakter bewahren.
Gozo – leckere Dinge wie Honig, Olivenöl oder Kaktuslikör probieren!
Die Fähre nach Gozo legt in Cirkewwa ab. Genau dort, wo auch der Tauchspot ist. Morgens ist es dort unglaublich voll. Viel zu viele Menschen wollen auf die kleine Schwesterinsel übersetzen. Mein Tipp: Fahrt lieber später am Tag und bleibt dafür länger als einen Tag! Vermutlich um das morgendliche Chaos zu erleichtern, kauft man sein Fährticket nicht auf der Hinfahrt, sondern erst auf dem Rückweg. Auf Gozo musst Du also erst ein Ticket lösen, wenn Du wieder zurück nach Malta fahren willst. Es gibt aber auch Schnellboote. Die sind zwar teurer, haben aber den Vorteil, dass sie in Comino einen kurzen Halt machen und Du diese winzige Insel des Archipels auch noch sehen kannst.
Mehr Infos über die mysteriösen Rillen findest Du im archäologischen Museum in Valletta, wo man versucht, das merkwürdige Phänomen dieser Schleifspuren nach dem neusten Kenntnisstand der Wissenschaftler zu erklären oder auf Wikipedia: Schleifspuren (Malta) Vermutlich sind diese Rillen wohl so alt, dass sie zu einer Zeit entstanden sind, bevor Gozo eine Insel war! Vielleicht gingen sie auf dem afrikanischen Kontinent, zu dem das maltesische Inselarchipel ja geologisch gehört, noch irgendwo weiter …
Nützliche Tipps und schöne Geschichten über Gozo findest Du bei Laura, mit der ich zusammen auf der Insel war „Wir erkunden die Sehenswürdigkeiten von Maltas kleiner grünen Schwester mit dem Jeep“, bei Elke „Feigen und Schafskäse“ oder bei Madlen „6 Stunden 2 Räder 1 Insel“. Oder wenn Du keine Lust zum Lesen hast, einen Video gibt es bei Christoph: www.vonunterwegs.com
Hinweis: Zu dieser Reise wurde ich von Ltur eingeladen. Die hier dargestellte Meinung gibt ausschließlich meine persönlichen Eindrücke wieder.
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