Früh am Morgen ist es noch ruhig in Valletta. Mit ihren mächtigen Mauern aus Stein wirkt die kleine Stadt wie eine große Burg. An dem neuen Brunnen vorbei, über eine breite Brücke schreiten Laura (von herzanhirn) und ich durch eine Öffnung in der Festungsmauer in die Stadt hinein. Es geht vorbei am modernen Parlamentsgebäude des italienischen Architekten Renzo Piano, der in den neunziger Jahren auch den Potsdamer Platz in Berlin neu gestaltet hat, in Richtung einer der großen Bastionen Vallettas.

Die Malteser sind sich noch nicht so wirklich einig, ob sie das neue Gebäude nun gut finden oder nicht, meint Josephine. Josephine ist waschechte Malteserin – unsere Stadtführerin ist hier geboren und aufgewachsen. Sie erklärt uns, dass manche Leute sich über die Form des modernen Gebäudes lustig machen, die eigentlich an Honigwaben erinnern soll. Denn aus dem lateinischen Wort für Honig (melite) soll der Name der Insel „Malta“ einst entstanden sein.

Valletta city Malta

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Weil Josephine viele Jahre in der Schweiz gelebt hat, spricht sie sehr gut Deutsch. Das ist auch ein Glück für uns, denn Maltesisch ist schon eine echt schwierige Sprache. Nur mühsam kann ich mir die einfachsten Worte wie „bitte“ oder „danke“ (jekk jogħġbok und nirringrazzja) merken. Auf mich wirkt diese Sprache wie eine Mischung aus Arabisch und Italienisch. Vermutlich ist es das ja auch, denn alle seefahrenden Völker des Mittelmeers haben im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende ihre Spuren auf der kleinen Insel hinterlassen. Malta wurde von Phöniziern, Griechen, Römer, Arabern und den verschiedenen europäischen Herrscherhäusern erobert und besiedelt. Sie alle haben Einfluss auf die Menschen und ihre Kultur gehabt.

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Architektonisch ist zwar von den Arabern recht wenig übrig geblieben, denn christliche Eroberer haben die Spuren der Mauren auf der Insel mehr oder weniger ausgelöscht. Doch sprachlich ist Malta dem afrikanischen Kontinent sehr viel näher als den Europäern. Maltesisch ist nämlich eine semitische Sprache, die wie Ägyptisch, Arabisch oder Hausa (was ich vor gefühlt Hundert Jahren ein paar Semester lang in Hamburg studiert habe), zur afroasiatischen Sprachfamilie zählt. Im Unterschied zu den anderen semitischen Sprachen verwenden die Malteser jedoch lateinische Buchstaben und eine Reihe Sonderzeichen. Ein sehr spannendes Thema!

Schließlich sind wir in den mit bunten Blumenbeeten leuchtenden Upper Barrakka Gardens (Il-Barrakka ta‘ Fuq) angelangt. Mit Blick über den Hafen und die kleinen Buchten Maltas, lauschen wir Josephines Bericht über die Geschichte Maltas und die Entstehung der Hauptstadt Valletta.

valletta upper barrakka gardens

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Die Gründung Vallettas:

Valletta wurde im sechzehnten Jahrhundert von den Rittern des Johanniterordens gegründet. Der spanische König Carlos V, ein Habsburger, schenkte dem Ritterorden die Insel Malta, nachdem die rund dreihundert Mann von Zypern über Rhodos geflohen, und auf der Suche nach einer neuen Heimat waren. Zunächst ließen sich die Johanniter in der kleinen Festung Birgu nieder. Von den Upper Barakka Gardens können wir die alte Stadtmauer Birgus in der gegenüberliegenden Bucht gut erkennen. Doch angesichts der Bedrohung durch die Osmanen, von denen man stets fürchtete, überfallen und erobert zu werden, war eine moderne, wehrhafte Festung notwendig.

Valletta blick auf birgu
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Bald schon beschlossen die wehrhaften Ritter also eine Festung auf dem höher gelegenen Monte Sciberras zu bauen. Der damalige Großmeister Jean Parisot de La Valette trieb die Bauarbeiten so zügig voran, dass in kürzester Zeit die neue Hauptstadt errichtet war. Nach nur zwanzig Jahren bezogen die Ritter bereits ihre neuen, prächtigen Quartiere in der trutzigen Burg, die sie nach dem Großmeister Valletta benannten.

Da die Johanniter aus den Adelshäusern ganz Europas stammten, lebten sie sprachlich nach so genannten „Zungen“ aufgeteilt. Zum Haus der deutschsprachigen Ritter zählten zum Beispiel auch die Brüder aus dem heutigen Österreich, aus Böhmen und Skandinavien. Die Nationalstaaten, wie wir sie heute kennen, gab es im frühen Mittelalter ja noch gar nicht! Statt eines Hauses für die französischen Ritter gab es dementsprechend die Zungen Auvergne, Provence und die nordwestlichen Gebiete Frankreichs. Die kastilische Zunge umfasste die Ritter aus Kastilien und Portugal, während die Ritter aus Aragon, Navarra und Katalonien in der Zunge Aragon unter einem Dach lebten.

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Viele Touristen lassen sich stolz vor dem prächtigen Palast der ehemaligen Auberge de Castille (Berġa ta‘ Kastilja), der heute den Sitz des maltesischen Premierministers beherbergt, ablichten. Auf Malta bezogen die Johanniter aber nicht nur ihre jeweiligen Quartiere nach Zungen geordnet. Auch Aufgaben wie Rechtsprechung, Verwaltung, Krankenhäuser, Seemacht, Reiterei etc. teilten sie untereinander auf. Und im Falle eines Angriffs hatte jede Zunge eine bestimmte Bastion der neuen Festungsstadt zu verteidigen.

Der Johanniterorden war ursprünglich, ganz ähnlich wie die Templer, als militärischer Orden in Jerusalem entstanden. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehörte neben dem Schutz der christlichen Pilger auch die Pflege der Kranken. Nach der Vertreibung des Johanniterordens von Zypern und Rhodos, fanden die Ritter auf Malta ein neues Zuhause. Bald schon entwickelte sich die kleine Insel mit ihren modernen Hospitälern zur Krankenstation des gesamten Mittelmeerraums. Die medizinischen Kenntnisse der Malteser waren berühmt und die Hospitäler des Ordens genossen einen weltweiten Ruf.

Mit Napoleons Eroberungsfeldzügen fand die Herrschaft der Johanniter auf Malta jedoch ein Ende. Die Belagerung Maltas, der Siege of Malta, zwischen 1798 und 1800 endete mit dem Sieg Napoleons, der die Ritter von der Insel jagte. Doch die Malteser liessen sich die Plünderungen ihrer Häuser und Kirchen durch die französischen Truppen nicht gefallen. Mithilfe der Engländer kam zum Aufstand, die Malteser verjagten die Franzosen und unterstellten sich der Schutzmacht des britischen Weltreichs – bis zur Unabhängigkeit 1964.

Valletta Malta Tipps

Malta Tipps valletta telefonCaravaggio auf Malta:

Nach dem Ausflug in die bewegte Geschichte der Insel begeben wir uns wieder Richtung Republic Street. Ich will mir unbedingt die berühmten Gemälde Caravaggios in der Kathedrale ansehen. Doch dort scheint gerade mindestens ein Kreuzfahrtschiff angelandet zu sein. Nur schiebend geht es durch die Menschenmenge in der Kirche voran. Tapfer schreiten wir brav durch die vollkommen überfüllten Gänge, bis wir endlich in den Raum eingelassen werden, in dem sich das Meisterwerk befindet. Hier kann Josefine uns nun doch noch erzählen, wie es zur Entstehung der Enthauptung des Johannes des Täufers kam.

valletta kathedrale
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Michelangelo Merisi, von allen nur Caravaggio genannt, war ein außergewöhnlicher Künstler des sechzehnten Jahrhunderts, um dessen bewegtes Leben sich ein regelrechter Mythos entstanden ist. Viele Kirchen in Rom sind mit seinen damals bahnbrechenden Werken geschmückt. Caravaggio war kein braver, frommer Maler, sondern war ein eher „schwieriger“ Charakter. Er scheint teilweise recht arrogant, auf jeden Fall aber sehr streitlustig gewesen zu sein. Oft war er in Prügeleien verwickelt. Aufgrund seines aufbrausenden Temperaments kam es eines Tages dazu, dass er einen Widersacher totschlug, woraufhin er aus Rom verbannt wurde. Trotz seiner ungewöhnlichen Begabung und seiner Kontakte in die höchsten Kreise des römischen Klerus musste Caravaggio fliehen.

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Auf Malta fand er Schutz und erhielt von den Johannitern den Auftrag zu einem Altarbild. So entstand 1608 die Enthauptung Johannes des Täufers, ein minimalistisches, kraftvolles Gemälde, das als Meisterwerk des umtriebigen Caravaggios gilt. Doch nur sechs Monate nach seiner Aufnahme in den Ritterorden, musste er von Malta fliehen. Der Künstler mit dem ungestümen Charakter war wieder einmal in Ungnade gefallen und wurde in Abwesenheit aus dem Orden ausgeschlossen. Sein Gemälde bleibt bis heute die Hauptattraktion der Kathedrale.

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Nach Josephines Führung durch die Geschichte Maltas und der Hauptstadt Valletta machen Laura und ich uns auf den Weg in die ruhigeren Straßen am Fuße des Hügels. Hier unten nahe dem Ufer sind die Häuser wesentlich schlichter und einfacher als in den Prachtmeilen nahe der Kathedrale. Angenehme Stille umfängt uns, je mehr wir uns von den beiden Hauptstraßen weiter oben entfernen.

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Im Gegensatz zu den blumengeschmückten Upper Barrakka Gardens sind die Lower Barrakka Gardens eher klassizistisch schlicht gehalten. Es blüht weniger spektakulär und weniger Menschen finden den Weg hierher. Von diesem angenehm ruhigen Plätzchen der sonst doch recht trubeligen kleinen Stadt bummeln wir zur alten Glocke, der Siege Bell, hinüber. Wie ein überdimensionaler Sarg erhebt sich dort ein Denkmal, das an die Gefallenen erinnert, über der Hafeneinfahrt von Valletta.

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Wir steigen noch ein paar Stufen weiter hinab, ganz nach unten, direkt ans Wasser. Fast vergessen liegen hier ein paar alte Fischerboote vor halb verfallenen Hütten. Eine Art Bunker trägt in großen Lettern die Aufschrift Boom Defence. Von dem Beton und den Steinen bröselt schon überall der Putz ab. Die alten Poller, an denen früher einmal Schiffe ihre Taue festgemacht haben, rosten still vor sich hin. Hoffentlich wird diese kleine Bucht nicht allzu schnell der Renovierungs- und Modernisierungswut zum Opfer fallen. Für mich ist das hier eigentlich die schönste Ecke in Valletta. Hier kann ich mir gut vorstellen, wie Malta vor hundert Jahren einmal ausgesehen haben muss.

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Infos zu Valletta

Da Valletta 2018 eine der europäischen Kulturhauptstädte ist, finden wir überall auf den Plätzen und in den Straßen, lustige weiße Statuen. Diese Figuren stellen maltesische Sprichwörter dar, die Josephine uns erklärt. Erstaunlicherweise gibt es viele dieser Sprüche fast wörtlich übersetzt auch im Deutschen.

Über die maltesische Sprache: www.lingvo.info

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Schöne Geschichten über Valletta gibt es bei Elke, auf dem Meerblog zu lesen – und hier: Kaffee mit Kardamom

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Hinweis: Zu dieser Reise wurde ich von Ltur eingeladen. Der Hinflug fand mit Condor auf der neuen Strecke von Hamburg nach Valletta statt. Die hier dargestellte Meinung gibt ausschließlich meine persönlichen Eindrücke wieder.