„Damals waren Fischer richtige Helden. Auf dem Meer riskierten sie oft ihr Leben.“ sagt Floriano, der früher selbst als Fischer zu See fuhr. In Peniche sitze ich bei Maria und Floriano zu Hause in der Küche. Heute bin ich bei den beiden zum Mittagessen eingeladen, Floriano kocht. Es soll Caldeirada geben, einen traditionellen Fischeintopf aus verschiedenen Fischsorten mit Gemüse und Kartoffeln. Während Floriano schnipselt und rührt, kriege ich ein Glas Porto eingeschenkt und schaute ihm beim Kochen über die Schulter.

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„Früher wollte jeder kleine Junge Fischer werden. Es gab ja auch nicht viel anderes, was man machen konnte. Die Gegend war arm und von irgendwas musste man leben.“ Auch Floriano hat viele Jahre auf dem Meer verbracht. Während die Fischer auf hoher See unterwegs waren, saßen die Frauen zu Hause und beteten für eine gesunde und glückliche Rückkehr. Oft waren die Männer wochen- oder gar monatelang auf Fang. Und der Atlantik ist rau. Er ist wild und unberechenbar. Hohe Wellen, starker Wind, und dazu die Enge auf dem Schiff – da muss man schon hart im Nehmen sein. Das war definitiv kein Job für Mimosen.

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Maria nimmt mich mit nach oben. Sie will mir die traditionellen Schürzen und Kleider zeigen. Bunte Stoffe, fein bestickt und aufwendig verziert zaubert sie aus ihrem Schrank. Sie erklärt mir ganz genau, zu welchem Anlass sie welches Stück trägt. Eine der Rockschürzen ist hellgrün und beige mit ganz feinen Streifen. Maria bindet sie mir um. Ein Geschenk! Sie besteht darauf, dass ich ihren Rock behalte und mitnehme! Ich bin total gerührt. Maria ist so ein herzensguter und lieber Mensch!

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Auf einer Anrichte im Schlafzimmer ruht das Jesuskind und Nossa Senhora de Fátima steht beschützend auf der Kommode. Dann berichtet Maria von ihrem Bruder, der auf See verschollen ist. Für einen Moment kommen ihr doch wieder die Tränen. Ich muss sie einfach umarmen, diese tapfere, zierliche Frau mit dem großen Herzen. Langsam wird mir klar, dass ich das Leben auf dem Meer aus meiner sicheren, warmen Stube viel zu romantisch gesehen habe. Während ich mit Maria alte Familienfotos ansehe und der Wind draußen an den Fenstern rüttelt, wird mir klar, wie hart das Leben nicht nur für die Fischer selbst, sondern auch für die Familien gewesen sein muss.

helden-der-see-peniche-kochen-calderada-portugal-freibeuter-reisenCaldeirada de Peixe – das traditionelle Essen der Fischer auf See 

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Doch dann ist es Zeit, den leckeren Fischeintopf zu probieren. Wir gehen wieder runter in die Küche. Köstliche Düfte ziehen schon durch das Haus. Zander, Meeraal und Zackenbarsch mit Paprika, Zwiebeln, Kartoffeln und Knoblauch. Auch ein Stück gute Butter und ein Schuss Weißwein dürfen nicht fehlen. Floriano erinnert mich ein wenig an Jean Paul Belmondo. Ein braungebranntes Gesicht mit strahlendem Lächeln. Er reicht mir einen üppig gefüllten Teller und fragt: „Weißt du eigentlich, wie wir auf dem Schiff gekocht haben?“ Eine Kombüse hatten die Fischer wahrscheinlich nicht, denke ich mal. „An Deck, unter freiem Himmel haben wir uns eine Kochstelle gebastelt.“ Und er erklärt mir ganz genau, wie man so etwas auf einem Boot macht. Es gab jeden Tag Fisch. Mal gebraten, mal als Eintopf, mal Sardinen, mal Barsch, je nachdem, was sie eben gerade gefangen hatten. Nur die Kartoffeln mussten sie natürlich schon von zu Hause mitbringen.

Natürlich schmeckt es super gut, aber vor allem bin ich total fasziniert von den Geschichten, die Floriano zu erzählen hat. Portugal ist ein kleines Land, aber eine große Seefahrernation. Einst umsegelten sie ganze Welt, nun ist die See ist ein Teil der portugiesischen Seele geworden.garten-helden-der-see-peniche-portugal-freibeuter-reisen

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Nach dem Essen gehen wir noch nach draußen. Eigentlich hatten wir nämlich vor dem Haus essen wollen, mit Blick aufs Meer, aber das Wetter spielt heute leider nicht mit. Es regnet ein wenig und der Wind weht ziemlich heftig. Floriano zeigt mir seinen kleinen Garten direkt an den Klippen. Die Gischt tobt meterhoch, wenn sich die Wellen an den Felsen brechen. Ein beeindruckendes Naturschauspiel direkt vor der Haustür. „Manchmal brechen Felsen ab und stürzen ins Meer“, erzählt Maria und zeigt mir einen großen Felsbrocken unten in der Brandung. „Das fühlt sich an, wie ein Erdbeben“.

Eine Weile schaue ich wie hypnotisiert dem Toben des Atlantiks zu. Ich muss an Marias Bruder denken und verstehe jetzt auch, was Floriano vorhin meinte, als er sagte, dass die Fischer wahre Helden gewesen seien. Es war ganz bestimmt kein einfaches Leben, es war mehr als ein Kampf um die pure Existenz. Die See prägte das Dasein der Küstenbewohner, noch heute.

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Nachdem Floriano das Fischen aufgeben musste, eröffnete er zusammen mit Maria ein kleines Café, nur wenige Schritte von seinem Haus entfernt. Dort trinken wir noch einen Espresso, einen cafezinho. „Früher“, meint Floriano, als wir zusammen an dem kleinen Tisch sitzen, „gab es viel mehr Fischer als heute. Heute kann ja kaum noch jemand davon leben. Auch der Zusammenhalt untereinander war ganz anders.“ Man fuhr gemeinsam raus und blieb auch auf See immer in der Nähe der Anderen. Statt modernster Technologie hatten sie nur ihre Erfahrung, auf die sie sich in schwierigen Situationen verlassen mussten. Die Fischer waren aufeinander angewiesen und das schweißte sie zusammen. Ablenkungen wie Smartphones und Internet waren noch nicht erfunden. Wenn sie gerade mal nicht auf See waren, trafen sich die Fischer daher in solchen Kneipen, verbrachten Zeit miteinander, saßen einfach nur beisammen oder spielten Karten.

Bevor wir uns verabschieden, fahren wir aber noch zu einer ganz besonderen Kapelle, der Nossa Senhora dos Remédios. In dieser kleinen Kirche versammelten sich früher die Frauen, um für eine sichere Heimkehr ihrer Männer, Söhne und Brüder zu beten. Viele der Fischer, unter ihnen auch Floriano, wurden in den fünfziger und sechziger Jahren als Marinesoldaten nach ultramar, nach Übersee, geschickt. Die damalige portugiesische Regierung unter Salazar war nicht bereit, Kolonien wie Angola oder Mosambik in die Unabhängigkeit zu entlassen.

Die kleine Kirche ist über und über mit wunderschönen blau-weißen Kacheln geschmückt. Im Eingang bleibe ich einen Moment stehen und sehe zu, wie Maria andächtig die Senhora de Fátima begrüßt.

kapelle-peniche-helden-der-see-fischer-freibeuter-reisen  Kapelle Nossa Senhora dos Remédios in Peniche

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Draußen regnet es nun richtig. Direkt hinter der Kapelle bleibt Floriano nachdenklich am Ufer stehen und blickt im Regen auf die tobende See hinaus. Genau hier, sagt er, sei vor einigen Jahren ein Schiff an den Klippen zerschellt. In den frühen Morgenstunden, so um drei Uhr, und bei starkem Nebel, konnte die Mannschaft die Einfahrt in den Hafen nicht finden. So gut wie blind steuerten sie direkt auf die Felsen zu. Obwohl die Feuerwehr und viele Dorfbewohner sofort zur Stelle waren, konnte niemand gerettet werden. Das Schiff versank in den stürmischen Fluten und verschwand. „Eigentlich müsste hier eine Gedenktafel stehen …“ murmelt er und sieht dabei in die Ferne.

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Mehr Infos zu Peniche, Fischern und der See:

In Peniche gibt es noch eine alte Festung, die unglaublich schöne Felsküste und die Berlengas, ein Naturreservat aus drei kleinen Inseln. Wenn Du nicht so schnell seekrank wirst, kannst Du mit einer Fähre dorthin übersetzen. Auf der Fahrt soll es manchmal ganz schön schaukeln! Auch wenn die See um das kleine Inselarchipel scheinbar sehr rau ist, gilt Berlanga als ein beliebtes Tauchgebiet in der Nähe der Küste – da muss ich also noch mal hin!

Infos findest Du hier auf der Website: www.visitcentrodeportugal.com

Ganz vielen lieben Dank an Ana von Centro de Portugal, die dieses unvergessliche Treffen mit Maria und Floriano ermöglicht hat!