Aus irgendeinem Grund bin ich bisher nicht dazu gekommen, mir die Murais in Olhão genauer anzusehen. Schon im November bin ich ein paar Mal durch die Gassen des alten Viertels und durch die Markthallen gelaufen. Auf Anhieb war ich völlig begeistert von diesem kleinen Ort und den Menschen, die ich hier kennenlernen durfte. Vielleicht habe ich die Wandbilder am Largo da Fábrica Velha, dem Platz der alten Fabrik, damals nicht entdeckt, weil ich immer samstags da war, dem Tag, an dem der sonst eher verschlafene Ort vor Menschen und Marktständen, die aus der Umgebung hierherkommen, um Dinge zu verkaufen oder zu kaufen, nur so wimmelt. Aber egal – heute werden die Murais, die Bilder an den Wänden der Fischkonservenfabriken, endlich nachgeholt.

Olhão altstadt legendenweg

Auf dem kleinen Platz, an dem die Fischkonservenfabriken dicht an dicht standen, erinnern die Murais an einen wichtigen Teil Olhãos Vergangenheit. Die Fischkonservenindustrie hat den kleinen Ort verändert. Als Ende des 19. Jahrhundert die erste dieser Fabriken eröffnet wurde, war es Armand Haüet, der Direktor der Éstablissments F. Delory, ein Franzose, der die Idee hatte, den frischen Fang der Fischer gleich hier im Hafen von Olhão in Dosen zu verpacken. Eine ziemlich gute Idee, wie sich schnell herausstellte, denn bald schon öffnete eine Konservenfabrik nach der anderen.

fischkonserven murais Olhão

murais Olhão

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Die neuen Fabriken bedeuteten Arbeit. Mehr Fabriken und mehr Schiffe wurden gebaut, das Dorf wuchs zu einer kleinen Stadt heran, in der sich immer mehr Menschen ansiedelten. Als in den siebziger Jahren der Aufschwung dank der Erfindung des Kühlschranks und der Konkurrenz billiger Fischimporte aus den nahe gelegenen afrikanischen Ländern deutlich abebbte, schlossen viele der Fabriken ihre Tore. Über Jahrzehnte hinweg hatten sie die Familien Olhãos ernährt, der Rhythmus der Fabriken hatte das Leben der Menschen bestimmt. Nun standen sie leer.

altstadt murais Olhão

markthalle murais Olhão

street art murais Olhão

Doch statt die Hallen ihrem Schicksal zu überlassen, was vermutlich Verfall und Abriss bedeutet hätte, beschloss man im Rathaus, diese unschön gewordene Ecke der Altstadt an den Legendenweg anzuschließen. Die Mauern der alten Fabriken sollten herausgeputzt werden, um diese ganz bestimmte Epoche der Stadtgeschichte zu erzählen. Portugiesische Künstler:innen rückten mit Spraydosen, Rollen und Farbe an, um die Wände zu verschönern. Archivfotos dienten ihnen als Vorlage für die überdimensionalen Bilder, die 2017 an den Wänden der ehemaligen Fischfabriken entstanden.

murais Olhão

fischfabrik murais Olhão

Anfangs kam es manchmal sogar vor, dass die Einheimischen sich selbst oder einen Verwandten auf den Bildern wiedererkannten. Sie waren gerührt und sind sehr stolz darauf, dass ihre arbeitsreiche Vergangenheit an den Wänden einfühlsam dargestellt und von urlaubenden Gästen bewundert wird. Mittlerweile gehören die Murais sogar schon zu den schönsten Sehenswürdigkeiten Olhãos.

Auf dem kleinen Platz, um den herum sich die Wandbilder auf die alten Gebäude verteilen, wurden mehrere Schautafeln und eine Skulptur aufgestellt. Die Schautafeln geben einen kurzen Überblick zur Geschichte der Fischkonservenindustrie und listen die Fabriken auf, die hier standen. Die Skulptur ist die geplante Verbindung des Platzes zum Legendenweg, denn die von der Künstlerin Isa Fernandes geschaffene Plastik steht für die Lenda de Marim, die Legende des Marim.

cao de agua murais Olhão
portugiesischer wasserhund

Diese Legende ist die Geschichte eines maurischen Großgrundbesitzers, der seiner Tochter und ihrem Liebsten die Zustimmung zur Heirat verweigerte, indem er dem Bräutigam eine unerfüllbare Bedingung stellte. Abdalá, der junge Troubadour, sollte eine 13 Meilen entfernte Quelle auf die Ländereien des reichen Mannes bringen. Doch die Liebe zwischen Alina und Abdalá war so groß, dass der Vater, als er am nächsten Morgen aus dem Fenster sah, auf einen sprudelnden Wasserfall blickte. Abdalá hatte die unmögliche Bedingung erfüllt und der Großgrundbesitzer musste Wort halten. Er konnte seine Zustimmung nicht mehr verweigern, das junge Paar war glücklich vereint und durfte heiraten.

kanarienvogel

Infos Murais und Skulptur

fabrik olhao murais

Murais de Memoria
Pedro „Mistik“, „Gnose“ und „Kaset“ von der Satori-Künstlervereinigung gehören zu den Graffiti-Künstler:innen, die die Mauern der verfallenen Fischfabriken im Auftrag der Stadt Olhão in Kunstwerke verwandelt haben, die die Stadtgeschichte erzählen. Einige der kreativen Köpfe findest Du auf instagram: mistikpedro oder asur_pt

Die Legende von Marim
Außer der Geschichte mit dem Happy End gibt es noch eine traurige Version der Legende, in der die beiden nicht glücklich werden. Die Künstlerin Isa Fernandes hat aber in ihrer Skulptur die glückliche Vereinigung des Liebespaars dargestellt: www.art-isafernandes.com/index.php/

Figo da Pita

Vom Largo de la Fábrica Velha gehe ich durch die engen Gassen der Altstadt, durch die sich auch der Legendenweg schlängelt. Unterwegs komme ich in einer besonders schmalen Straße an einem älteren Ehepaar vorbei, das gerade dabei ist mitten auf der Straße zu grillen. Es duftet köstlich. Die beiden haben ihren Grill vor der Haustür aufgebaut. Nur wenige Meter weiter steht Wäsche zum Trocknen auf der Straße. Man lebt hier nicht nur im Haus, sondern auch vor dem Haus. Oder man nutzt es als Garage. Denn kurz darauf parkt ein kleines Auto mitten in der Gasse. Immerhin ist es bis hierher ohne Schrammen gekommen, denke ich, als ich mich seitwärts an die Hauswand dränge, um an dem Wagen vorbei zu kommen.

In der nächsten Querstraße ist mehr Platz. Hier fahren sogar Autos. Aus einer der Blechkisten schimpft eine junge Frau bei heruntergekurbeltem Fenster lauthals mit einem Radfahrer, der aus der Gegenrichtung in die Kopfsteinpflastergasse einbiegt. Beinah wären die beiden zusammengestoßen – aber eben nur beinah. Es ist ja alles gut gegangen.

Olhão

Dann komme ich zum Figo da Pita. In einer der unzähligen kleinen Gassen, unweit des Hafens und der Markthalle, liegt ein kleines Paradies für alle, die gern gesund schlemmen. Vor der Tür sind vier kleine Tische mit je zwei Stühlen auf dem Kopfsteinpflaster aufgebaut. Drinnen geht es bunt zu. Ich erwische draußen einen freien Platz im Sonnenschein – jetzt im Februar ist das noch angenehm.

Die junge Besitzerin stammt aus Olhão und ist eigentlich Ernährungswissenschaftlerin. Irgendwann beschloss sie dann, einen kleinen Laden zu eröffnen, in dem sie gesundes Essen aus lokalen Zutaten anbieten wollte. So entstand Figo de Pita, ein kleines, sehr gemütliches Brunch- und Frühstückscafé. Auf der Karte stehen Produkte wie Orangensaft aus den Orangen der Algarve, Limonensaft und Smoothies. Dazu gibt es jede Menge unterschiedlich gefüllte Pfannkuchen, angesagte Bowls und gesunde Brote. Ich bin neugierig und bestelle ein Brot mit Käse, Walnüssen und Honig beträufelt. Was soll ich sagen: lecker!

figo de pita Olhão

Figo de Pita – Brunch & Bowls
Rua Moinho da Barreta 48
8700-431 Olhão

restaurant tipp Olhão