Wer zum Kuckuck war Josep Pla? Um den streitbaren Heimatdichter kommt man einfach nicht herum, wenn man im Empordà unterwegs ist. Unzählige Bücher und Zeitungsartikel hat er verfasst, endlose Seiten mit seinen Beschreibungen der kleinen Dörfer und Buchten der Costa Brava gefüllt. Die wechselnden Farbtöne der Landschaft, die Nuancen im Blau und Grün des Meeres zu den verschiedenen Jahreszeiten, all das hat Pla detailliert in Worte gefasst und für die Nachwelt festgehalten.
Er hat ein literarisches Foto, ein Bild aus bunten Wörtern geschaffen. Sein Werk ist der Versuch, die Schönheit seiner Heimat zu bewahren und erhalten. Durch seine Beschreibungen können wir heute wie durch ein Fenster in die Vergangenheit des Empordà blicken. Josep Pla hat die beschauliche Seite, die sanfte Harmonie der wilden Küste in seinen Texten so bewahrt, wie sie die allerersten Touristen einst erlebt haben müssen.
Schon vor rund hundert Jahren haben sich viele Besucher, viele Künstler, in die Küstenlandschaften des Empordà verliebt. So sehr der Touristenboom die Dörfer mittlerweile auch verändert hat, es gibt sie noch heute, diese Landschaft, die die Menschen einfach verzaubert.
Doch ich will mehr wissen. Was war Josep Pla für ein Mensch? 1897 in Palafrugell geboren, kannte er die einfachen Fischer und Korkarbeiter genauso gut wie Salvador Dalí, Ava Gardner und andere Hollywoodgrößen und Millionäre. Sogar der spätere König Juan Carlos besuchte ihn einmal bei sich zu Hause. Gerüchte und Geschichten über den Journalisten und Schriftsteller gibt es viele. Die meisten davon lassen ihn allerdings nicht gerade als einen umgänglichen, sympathischen Menschen erscheinen. Näher kommt da wohl schon das Bild des herrischen Egozentrikers. Seine politische Überzeugung muss man bei allen Kontroversen als äußerst konservativ bezeichnen. Bei Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs stand er auf der Seite der Nationalisten. Auch wenn er nach dem Ende des Bürgerkriegs nicht mit der von Franco errichteten Diktatur einverstanden war, blieb er nicht im Exil, sondern kehrte nach kurzer Zeit im Ausland nach Spanien zurück. Pla arrangierte sich mit dem Regime.
Fue el franquista más antifranquista del mundo, un catalanista hipercrítico con su país, un anarcoindividualista profundamente conservador
Er war der wohl antifrancistischste Franco-Anhänger, ein hyperkritischer Katalanist, ein zutiefst konservativer Anarchoindividualist. So wird Josep Pla einmal in einem Artikel* beschrieben.
Über fast jedes Dorf des Empordà hat der Heimatdichter etwas geschrieben. Durch sein umfangreiches Werk über die verschiedenen Landschaften und ihre Menschen ist Josep Pla für immer mit dieser Gegend verbunden. Und das nicht nur in den Köpfen der meisten Spanier und Katalanen. Den Schriftsteller, der oft und gern in polemische Streitereien verwickelt war, kannte man auch über die Grenze seiner Heimat hinweg.
Mireia arbeitet in der Fundació Josep Pla und führt mich durch die kleine Ausstellung. Oft kommt die Frage auf, was zuerst da war, erklärt sie mir. Hat der Mythos des Empordà die Bücher Josep Plas beflügelt oder entstand die sehnsuchtsvolle Bewunderung dieser Region erst durch das schwärmerische Werk des Dichters? Es sei ein wenig so wie mit dem Huhn und dem Ei, meint Mireia. Fest stehe jedenfalls, dass Josep Pla so dermaßen viel über diese Landschaft und seine Bewohner geschrieben hat, dass andere Regionen fast schon neidisch sind.
Aus gutbürgerlichem Elternhaus stammend, hatte der junge Josep bereits früh Kontakt mit den Debattierclubs der Wohlhabenden und Intellektuellen des kleinen Orts. Regelmäßig begleitete er seinen Vater zu den stammtischartigen Tertulias, die zu Beginn des letzten Jahrhunderts überall sehr beliebt waren. Diese diskussionsfreudigen Treffen der meist sehr viel älteren Männer, besuchte Pla auch in Barcelona lieber, als an der Universität Jura zu studieren. Oft schwänzte der 16 Jahre junge Student die Vorlesungen und ging lieber spazieren, als die Schulbank zu drücken. So richtig wohl habe er sich in der großen Stadt erst gefühlt, als er bei den Tertulias im Ateneu Gleichgesinnte fand, erzählt Mireia.
Sobald er das Studium beendet hatte, fand der Vater für ihn eine Stelle als Auslandskorrespondent. Der junge Josep musste rasch Geld für die Familie verdienen, denn das war gerade ziemlich knapp. Als junger Mann fuhr er also bereits nach Paris, Moskau und Berlin, reiste in der Welt umher und schrieb seine Berichte für die Zeitung. In den aufgewühlten zwanziger Jahren interviewte Josep Pla sogar den jungen Hitler, noch bevor dieser ganz legal die Wahlen gewann. Damals lebte Pla gerade ein paar Jahre in Berlin. Ganz Europa lachte über den kleinen Österreicher. Auch der junge Katalane machte sich eher über den kleinen Mann mit Schnurrbart lustig, als dass er ihn ernst nahm.
Dann brach der Spanische Bürgerkrieg aus. Zurückgezogen verbrachte Pla diese Zeit ohne zu Schreiben in den fernab gelegenen Dörfern der Küste, ging schließlich nach Marseille. Nach dem Sieg Francos ging er zurück nach Spanien und begann als Reporter für Destino, eine der Falange nahe stehende Wochenzeitung, zu schreiben. Von da an erschienen jede Woche seine Berichte aus Israel, den Vereinigten Staaten, aus Kuba und Argentinien.
Neben der Arbeit für die Zeitung hatte Pla damit angefangen, ein paar Bücher zu schreiben. Der Journalist und Autor schrieb sowohl für einheimische Leser als auch für zukünftige Besucher. Sein Ziel war es, den Menschen mit der Schönheit der Landschaft gleichzeitig auch die Kultur der Region nahezubringen. Pla wollte nicht dabei zusehen, wie die wilde Natur, die er seit Kindertagen kannte und liebte, sich Jahr für Jahr veränderte. Seiner Ansicht nach wurde unter Franco die Schönheit des Empordà geradezu ausverkauft. Immer mehr lieblose Bauten entstanden auf den einst grünen Hügeln. Um die wilde Natur vor der drohenden Zerstörung zu bewahren, befürwortete Pla lieber den Verkauf der schönsten Grundstücke an reiche ausländische Geldgeber. Der Botanische Garten am Cap Roig oder Marimurtra in Blanes konnten zumindest auf diese Weise davor bewahrt werden, bis auf den letzten Zipfel mit Apartments bebaut zu werden.
Plas Engagement zur Erhaltung der Landschaft entsprang nicht nur seiner tief empfundenen Heimatliebe. Seine ganze Haltung war stets von einem urkonservativen Blickwinkel geprägt. In seinen Reisebüchern wagt er dennoch so etwas wie Kritik an der Politik des Franco Regimes. Warum verschandelt ihr diese Landschaft so? Diese Frage steckt in vielen seiner Texte, jedenfalls zwischen den Zeilen. Immer wieder zeigt er aber auch, dass das Empordà sich nicht unterkriegen lässt. Dass noch immer wundervolle Buchten und eine einmalige Schönheit in der Costa Brava versteckt liegen.
Von all den Fotos und aus seinen Büchern scheint mir ein recht konfliktfreudiger Mensch entgegenzustrahlen. Seine Worte sind kraftvoll, seine Augen wirken streitlustig. Josep Pla war sicher kein Mann, der ein Blatt vor den Mund nahm. Er sagt von sich selbst, die Selbstzensur unter Franco sei ihm schwer gefallen. Dank seiner nationalkonservativen Einstellung konnte er jedoch auch während der Diktatur weiterhin als Journalist und Autor arbeiten. Da Katalanisch unter Franco nun aber verboten war, musste Pla jetzt in spanischer Sprache veröffentlichen. Doch er schrieb über die Menschen, das Essen, alte Bräuche und Traditionen in Katalonien, sein Zuhause. Während seiner letzten Schaffensphase überarbeitete er alle Bücher noch einmal vollständig. Er übersetzte die spanischen Texte ins Katalanische, stellte Passagen um, bündelte Erzählungen neu. Er ordnete sein ganzes Werk neu. Bis heute gehört Josep Pla zu den bekanntesten und meist gelesenen katalanischen Autoren.
Infos Ruta Josep Pla
Fundació Josep Pla – Museu de Palafrugell
Carrer Nou, 51,
17200 Palafrugell
Website: fundaciojoseppla.cat
Video Tipps:
- Entrevista „a fondo 1976“ Josep Pla y el catalán www.youtube.com
- Imprecindibles www.youtube.com
Die Fundació Josep Pla ist kein Museum im eigentlichen Sinn, sondern kümmert sich neben der Ausstellung auch um wissenschenschaftliche Arbeiten, die sich mit den Publikationen Josep Plas befassen.
Die Fundaciò organisiert literarischen Routen, wie die Ruta Josep Pla in Palafrugell, bei der man auf den Spuren des Dichters durch den kleinen Ort laufen kann. Darüber hinaus gibt es mittlerweile eine Vielzahl an weiteren thematischen Spaziergängen, zum Beispiel am Cap Roig, in Cadaquès, in Llofriu oder auch in Ullastret. Pla war an den archäologischen Ausgrabungen so sehr interessiert, dass er sogar zur Einweihung des Museums erschien. Mehr noch als die griechischen Ruinen in Empúries war diese versunkene Stadt der Iberer für den Heimatdichter so etwas wie die Wiege, der Ursprung seiner eigenen, katalanischen Kultur.
(*) Zitat von Ricardo García Cárcel aus der Online Zeitung Crónica Global (erscheint auf Spanisch, Barcelona)
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