Ein echter Feiertag für die Archäologen war das, als sie am Grunde des Sees von Banyoles diesen Schatz fanden. Kein Gold oder Silber, sondern eine Sichel aus Holz, an der ein Feuerstein mit Klebstoff aus Honig und Baumharz befestigt ist. Weit über 7.000 Jahre muss dieser Fund alt sein. Und weil sie so einzigartig ist, hat man die Sichel nach ihrem Fundort la falç de la draga benannt.

sichel banyoles la falç de draga

Es ist gar nicht so leicht, heute noch organisches Material aus dem Neolithikum* zu finden. Holz und Pflanzen zersetzen sich mit der Zeit, sodass Archäologen meist nur Gegenstände aus Steine oder Metalle vorfinden. Und weil sie so selten sind, sind die Fundstücke, die am Ufer des Sees ans Tageslicht kamen, umso bedeutender.

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la draga banyoles keramikschale herzmuschel Verzierung der Keramik mit Herzmuscheln

Als 1992 die Olympischen Spiele ins Haus standen, sollten die Ruderwettkämpfe in Banyoles ausgetragen werden. Dafür fanden umfassende Bauarbeiten statt, bei denen die Arbeiter ganz zufällig auf alte Keramikscherben stießen. Ein herbeigeeilter Archäologe erkannte sofort, dass hier möglicherweise eine ganze Siedlung zu finden sein könnte. Nur in einer bestimmten Epoche des Neolithikums, der Cardialkultur, nutzten die Menschen Herzmuscheln, um ihre Keramik mit Mustern zu verzieren. In aller Eile wurden die ersten Ausgrabungen angeordnet. Die Erdarbeiten an der Fundstelle mussten eingestellt werden.

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Ausführliche Untersuchungen wurden organisiert. „La Draga“ entwickelte sich schnell zu einer bedeutenden Ausgrabungsstelle. 1994 rückten sogar Taucher an, um die unter Wasser gelegenen Fundorte zu untersuchen. Und die Archäologen forschen bis heute an verschiedenen Stellen des mittlerweile geschützten Areals. Unglaublich gut erhaltene Fundstücke kamen ans Licht. Hütten aus Holz und viele Überreste einer 7.400 Jahre alten Siedlung kamen zum Vorschein. Teilweise mussten die Archäologen bäuchlings auf Holzlatten über der Ausgrabungsstelle arbeiten, um die organischen Funde nicht zu beschädigen.

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Dadurch, dass die Reste der Siedlung unter Wasser luftdicht abgeschlossen waren, also in einer anaeroben Umgebung, konnte sich viele pflanzliche Teile bis heute halten. Millionen Jahre alte Holzpfähle, Reste von Körben und sogar ein Bündel Seile kam ans Tageslicht. Aus Brenneseln und Linden hatten die Menschen Pflanzenfasern gewonnen und zu einem Seil verarbeitet, in dem sogar noch der Knoten zu sehen ist, den ein Bewohner in der Jungsteinzeit gemacht hat. An den verschiedenen gut erhaltenen Pfeilspitzen konnten die experimentellen Archäologen ableiten, wie die Bewohner des Dorfes gejagt haben. Einige der Waffen dienten nicht dem Töten, sondern nur dem Verletzen der Tiere. So konnten sie bewegungsunfähig gemacht und „aufbewahrt“ werden.

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Es ist unglaublich, wie viele Informationen aus den organischen Überresten einer längst vergangenen Zeit gewonnen werden konnten. Besonders aufregend war der Fund der Sicheln aus Holz. Als man diese falç de la draga im Schlamm entdeckte, hatte sogar der Kleber, mit dem der Feuerstein am Holz befestigt worden war, die Jahrtausende überdauert. Dieser Fund war revolutionär. Die Sichel ist einzigartig. Nirgendwo sonst auf der Welt hat man so ein Holzwerkzeug gefunden, das sich sogar noch mit dem Klebstoff bis heute gehalten hat. Die Archäologen mussten zunächst einmal herausfinden, wie sie diese Sichel überhaupt nenutzt haben.

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Die Lage des Dorfes war gut gewählt. Im Jahre 5.000 vor Christus lag der Wasserspiegel des Sees noch zwei Meter tiefer als heute. Die Bewohner gehörten zu den ersten sesshaften Bauern, die von Viehzucht und Getreideanbau lebten. Neben Gerste und Hülsenfrüchten fand man Nüsse, Samen und Obst aus den umliegenden Wäldern. Dank der Tierknochen weiß man, dass die Dorfbewohner Ziegen, Schafe, Schweine und Rinder hielten. Als ich Clara eher so nebenbei nach Hühnern frage, bin ich ganz erstaunt, als sie mir antwortet, dass es hier noch gar keine Hühner gab. Die heute so selbstverständlichen Federtiere kommen in Europa erst in der frühen Eisenzeit als Haustiere vor.

Direkt neben den aktuellen Ausgrabungsstellen haben die Archäologen drei Hütten nachgebaut. Ein absoluter Traum! Ich muss mir gar nicht vorstellen, wie es hier ausgesehen hat, sondern ich kann es erleben. Ich kann in die Hütte hineingehen und dort liegen tatsächlich Fundstücke, die man hier entdeckt hat. Wie ein kleines Kind lausche ich mit großen Augen und offenen Ohren, wenn Clara erklärt, was es mit den einzelnen Gegenständen hier so auf sich hat. Natürlich hat man die Siedlung nicht mit den originalen Gegenständen, sondern mit Kopien eingerichtet. Aber es ist einfach total faszinierend. Die Originale befinden sich sicher verwahrt im archäologischen Museum. Nach so vielen Jahren unter Wasser muss man diese Stücke natürlich in besonderer Umgebung aufbewahren. An der Luft würden sie sonst schnell zerfallen.

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Vierhundert Jahre lebten die Menschen in diesem kleinen Dorf. Es war eine kleine Revolution, die sich hier entwickelte. Die gerade erste sesshaft gewordenen Menschen nutzen die Wälder ausgiebig. Sie erfanden komplexe Werkzeuge und hielten Vieh. Das weiß man so genau, weil die gefundenen Tierknochen hauptsächlich von Haustieren und Nutztieren stammten. Gejagt haben diese ersten Einwohner von Banyoles zwar auch, aber weniger. Außer dem absoluten Highlight, der Sichel aus Holunderstrauch und Feuerstein, fanden die Forscher auch mehrere Bögen zum Jagen, Brennesselfasern, aus denen Seile produziert wurden oder Teile geflochtener Körbe aus Binsen und Gräsern. Einige der Holzpfähle sind so gut erhalten, dass man sogar noch die Spuren der Werkzeuge daran erkennt. Das gibt wichtige Aufschlüsse darüber, wozu und wie die Werkzeuge eingesetzt worden sind.

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Da sich sogar der Samen der Eichen über die Jahrtausende hinweg erhalten haben, konnten die Archäologen aus der Menge der Eichensamen in den verschiedenen Erdschichten bestimmte Schlussfolgerungen ziehen. Die Menge der Samen ging nämlich zurück, seit sich die Menschen in dem kleinen Dorf niedergelassen hatten. Folglich nimmt man an, dass die  Bewohner die dicken Eichen fällten, um daraus Hütten zu bauen, Werkzeug anzufertigen und Feuer zu machen. Sie rodeten so viel der ursprünglich dichten Wälder in ihrer Umgebung, dass ihr Leben hier einen Eingriff in die Landschaft darstellte.

Auf den gerodeten Flächen wuchsen nun Sträucher, Kräuter und kleinere Bäumen wie Pinien oder Haselnussbäume. Ohne die Wurzeln der Bäume waren diese freien Flächen natürlich auch anfälliger für Erosion, was wiederum neue Veränderungen in der Landschaft mit sich brachte. Offenbar hat der Mensch schon in der Steinzeit mit seinem Eingriff in die Natur Kettenreaktionen verursacht.

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Was man in la Draga bis heute nicht gefunden hat, sind Reste menschlicher Knochen. Die Beisetzung der Verstorbenen fand außerhalb des Dorfs statt. Aber wer weiß, vielleicht findet man ja eines Tages in der Nähe des Sees auch noch eine neusteinzeitliche Begräbnisstätte.

Infos zum Archäologischen Park la Draga

(*) Neolitikum ist die Jungsteinzeit. Sie unterschiedet sich von der Altsteinzeit, dem Paläolithikum, vor allem dadurch, dass die Menschen erstmals begannen sesshaft zu werden.

Adresse:
Parc de la Draga
17820 Banyoles
(Pla de l’Estany)

Infos, Preise, Öffnungszeiten und Aktivitäten aller Museen in Banyoles findest Du hier www.museusdebanyoles.cat

Der Archäologische Park liegt direkt am See von Banyoles. Direkt hinter einem großen Parkplatz mit einer Grünfläche zum Picknicken findest Du die Hütten. Außer den regelmäßig angebotenen Führungen werden viele Aktivitäten für Kinder organisiert, wie Getreide mahlen, Feuer machen oder Bogenschießen.

An den Wochenenden finden die Führungen um 11.30 Uhr statt. Jeden ersten Sonntag im Monat gibt es auch kleine Vorführungen, ebenfalls um 11.30 Uhr. In den Sommermonaten finden an den jeweils letzten Samstag des Monats um 17 Uhr Aktivitäten für Familien mit Kindern statt.

holz la draga banyoles museumsdorfein über 7000 Jahre altes Stück Holz

feuerstein la draga banyoles museumsdorfFeuerstein     

Eintritt: 4 Euro, ermäßigt 2, 50 Euro
Infos über verschiedene Aktivitäten für Kinder auf ENGLISCH findest Du auf der Website: visitmuseum.gencat.cat
Mailto: comunicaciomuseus@ajbanyoles.org

la draga banyoles museumsdorf

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Ganz in der Nähe von la Draga liegen übrigens noch mehr Ausgrabungsstellen, wie die Höhlen von Serinyà aus dem Paleolithikum und die Römische Villa Vilauba. Dazu aber mehr in einem anderen Artikel.

Nützliche Links zu la Draga:
www.cultura.banyoles.cat
www.banyolescultura.net
de.wikipedia.org
www.elracodelpare.blogspot.com

Dieser Artikel entstand bei einem Mini-Blogtrip durch die Region Pla de l’Estany.