Grimmig dreinblickend hämmert der Schmied auf dem Stück Eisen, das er gerade aus dem Feuer geholt hat. Mit einem Blasebalg facht er die Glut an. Offenbar arbeitet er an einem Kettenhemd. Das steht jedenfalls neben ihm und wartet darauf, vollendet zu werden. Etwas weiter türmen sich Körbe voller runder Brotlaibe. Ein dicker Mann mit Bäckermütze und roter Nase schiebt neue Teiglinge in den Ofen.
Gegenüber sitzt eine blonde junge Frau hinter mehreren Knäulen bunter Wolle. Fast versteckt hockt sie da, eher leise und unscheinbar. Vor sich hat sie einen Webrahmen aufgebaut, an dem sie gerade arbeitet. Überall auf dem Mittelaltermarkt sind fleißige Handwerker bei der Arbeit. Hölzerne Schwerter und Schilde für die Kinder, rustikale Käse- und Wurstwaren werden angeboten. Gerade als ich einen Stand mit wunderschönem alten Silberschmuck entdecke, bahnt sich eine Gruppe bunt gekleideter Spielmannsleute trommelnd und tanzend einen Weg durch die Menge. Die Marktbesucher bleiben stehen und staunen.
Im November gehört Lloret wieder den Einwohnern. Bis spät in den Oktober trifft man noch sonnenanbetende Touristen aus aller Welt, die vorwiegend an Strand und Meer interessiert sind. Die wenigen Besucher, die in den Wintermonaten nach Lloret kommen, haben andere Interessen. Sie besuchen die Museen, gehen an schönen Tagen wie heute an der Strandpromenade oder auf dem Camí de Ronda spazieren. Oder sie lassen sich von den Guides auf den Spuren der Americanos in die modernistische Vergangenheit des ehemaligen Fischerdorfs entführen.
Ich habe genug vom Markt und den Spielleuten gesehen und bummle am Strand in Richtung Platja d’en Castell. Die Burg, obwohl sie eines der typischen Wahrzeichen Llorets geworden ist, ist gar keine mittelalterliche Burg, wie man vielleicht denken kann. Sie wurde erst in den fünfziger Jahren gebaut und ist in Privatbesitz. Direkt dahinter liegen die Überreste eines iberischen Dorfes, des Poblat Ibèric del Turó Rodó. Doch ich laufe zunächst vor der Burg entlang bis zu den wunderschönen kleinen Buchten. Hier muss ich ein paar Treppen, die zugegebenermaßen recht steil sind (aber es lohnt sich!) erklimmen, um zur Cala dels Frares und der Cala Trons gelangen.
Camí de Ronda – der GR92
In den Buchten braust das herbstliche Meer jetzt stürmisch an die Felsen. Ich kann mich gar nicht sattsehen. Mein Blick bleibt immer wieder an den Bewegungen der Wellen haften. Das Wasser füllt kleine Unebenheiten zwischen den Steinen, sodass natürliche Wasserbecken, kleine Schwimmbecken, entstehen. Die tief stehende Sonne zaubert glitzernde und funkelnde Linien auf das silbern schimmernde Wasser.
Man muss gar nicht weit laufen, um sich hier von der unbändigen Kraft der Natur verzaubern zu lassen. Am liebsten würde ich jetzt einfach weiterlaufen, immer weiter am Meer entlang Richtung Norden. Nach fünf Tagen auf dem camí de ronda würde ich dann wohl an der französischen Grenze ankommen. Doch ich bin weder ausgerüstet noch habe ich fünf Tage Zeit. Leider. Irgendwann werde ich das machen, aber jetzt muss ich wieder zurück ins Dorf.
Im Studio 66 wartet ein vegetarisches Menü auf mich. Das noch relativ neue Restaurant liegt oberhalb der Altstadt in der Nähe des modernen Theaters. Hier oben ist in der Regel nicht viel los. Die Touristen tummeln sich sowieso unten am Strand und da heute Mittelaltermarkt ist, sind auch die Einheimischen an der Promenade unterwegs.
Ehe David Gou Palacin, der Besitzer und Chefkoch das Studio 66 eröffnete, hatte er bereits mit Albert Adrià, dem Bruder Ferran Adriàs und Koch im legendären El Bulli, zusammen gearbeitet. Nachdem David also im Tickets Restaurant Erfahrungen mit den wohl berühmtesten Köchen der Costa Brava gesammelt hatte, eröffnete er vor ein paar Jahren seinen eigenen Laden hier in Lloret. Eingerichtet hat er ihn ganz im Stil der Hollywood-Filmwelt. Rote Kordeln trennen die Bar von den Tischen. Wie im Kino, wenn man auf den Einlass wartet. Von den Wänden lächeln mir Audrey Hepburn, John Travolta und viele Stars der Kinoklassiker fröhlich entgegen. Sogar die Uniform der Kellner und Barkeeper sind filmreif gestylt und wirken mit ihren hippen Hosenträgern wie aus den 20 Jahren entsprungen.
Michi bestellt einen Arros Mar i Muntanya, ich ein vegetarisches Menü aus mehreren Gängen. Als der Reis dann kommt, ist es doch eher eine Paella, aber Michi ist dennoch begeistert und sagt, sie schmeckt genial. Mein Menü ist allerdings der Hammer. Der Tomatensalat ist basisch einfach und besteht nur aus Cherrytomaten, Olivenöl, Salz und Pfeffer. Aber wirklich gute Zutaten brauchen oft nicht mehr, wie in diesem Fall. Die Tomaten sind frisch, das Olivenöl ist aus der ersten Pressung und schmeckt fantastisch, das Salz ist Meersalz. Doch der zweite Gang haut mich vollends um. Frische Steinpilze entfalten richtig angebraten ein wundervolles Aroma. Es schmeckt wie Herbst auf dem Teller. Himmlisch.
Der nächste Gang ist eine Gemüseplatte aus verschiedenen gegrillten Gemüsen. Paprika, Pilze, grüne Spargel, Tomaten, dazu Parmentier aus Kartoffeln und Moniato, der typischen Süßkartoffel, die man hier im Herbst gern ist. Als der Hauptgang serviert wird, bin ich eigentlich schon fast satt. Doch wenigstens einen der vegetarischen Miniburger in asiatischem Weißbrot muss ich natürlich kosten. Es sind echt leckere, frisch gemachte Burger, keine fertigen Bratlinge, wie man sie leider so oft vorgesetzt kriegt. Dazu gibt es feine knusprige Rote Beete Chips. Zum Finger ablecken gut!
Als wir schließlich beim Dessert angelangt sind, schieben sich bereits dicke Wolken über den Himmel. Wir genießen die eingelegten Erbeeeren und das hausgemachte Sorbet. Dann ist die Sonne hinter einem grauen Schleier verschwunden. Zeit nach Hause zu fahren.
Zum Nachessen:
Studio66
Av. Dr. Fleming, 1
17310 Lloret de Mar
Website
INFO: Der mittelalterliche Markt findet übrigens schon seit 19 Jahren in Lloret statt (aktuelle Daten findest Du auf der Website). Jedes Jahr im November reihen sich dann zwei Tage lang von der Strandpromenade vor dem Rathaus bis auf den Platz vor der Kirche die Buden und Stände aneinander. Dazwischen finden verschiedene Aktivitäten, wie Umzüge oder nachgespielte Schwertkämpfe statt.
Du hast mir so eine Sehnsucht nach der Costa Brava gemacht!
Absicht! 😉