Geduldig stehen sie am Strand und warten auf das Boot. Die Männer und Frauen aus Lloret de Mar, die heute bei der Tirada a l‘Art dabei sind, haben schon früh am Morgen ein Feuer entzündet, an dem sie sich jetzt aufwärmen. Während die Kinder fröhlich herum toben und sich die Zeit vertreiben, geht langsam die Sonne auf. Im Sand nebeneinander aufgereiht, liegen schon die kurzen Seile. Manche der Teilnehmer haben sie auch schon um den Körper geschlungen. Alles ist bereit. Nur das Boot fehlt noch.

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Die Tirada a l’Art ist eine traditionelle Fischfangmethode, die früher an der ganzen Costa Brava sehr verbreitet war. Die Einwohner Llorets haben diese alte Tradition bis heute bewahrt und erinnern bei einem gemeinsamen Fest an diese althergebrachte Art des Fischens.

Als es langsam heller wird, kommt endlich das Fischerboot in Sicht. Gemächlich tuckert es auf die am Ufer wartende Menge zu. Einer der Männer an Bord wirft ein langes Seil an den Strand. Schnell laufen alle zu dem Seil, an dessen anderem Ende sich das große Netz befindet, und beginnen sich einzuhaken. Mit einer ganz bestimmten Wurftechnik schlingen sie ihre kurzen Seile um das dicke Seil herum. Das Boot entfernt sich jetzt und fährt einen großen Bogen. So wird das Netz gespannt, mit dem die Fische gefangen werden sollen. Ein paar Hundert Meter weiter unten am Strand kehrt das Boot dann mit dem anderen Seilende an den Strand zurück. Auch dort schnappen sich die Wartenden wieder das Seilende und haken ihre kurzen Stricke ein.

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Teils mit geschickten Fingern, teilweise mit noch ungeübten Bewegungen, ziehen alle gemeinsam das Fischernetz langsam an Land. Männer, Frauen und auch ein paar Kinder helfen mit. Sie alle haben die Stricke halb um den Körper geschlungen und haken sich immer wieder ein, laufen den Strand hinauf, bis es nicht mehr weitergeht, und kehren in einer Schleife wieder zum Anfang zurück, um sich erneut einzuhaken. Stück für Stück ziehen sie mit vereinten Kräften.

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Anfangs geht es noch relativ leicht und schnell, doch je näher das Netz dem Ufer kommt, umso schwerer wird die Arbeit. Langsam steht den Teilnehmern der Schweiß auf der Stirn. Sichtbar mühen sie sich immer mehr, um mit dem Seil im Sand vorwärtszukommen. Zwei erfahrene ältere Fischer dirigieren lautstark die beiden Gruppen an den Seilenden. Damit die Fische nicht entwischen können, rücken die beiden Gruppen näher aneinander und ziehen das Netz so weiter zusammen.

Endlich ist der große Moment gekommen. Das Netz taucht aus dem Wasser auf. Alle sind gespannt auf den Fang. Nach den Mühen und Anstrengungen hoffen sie auf möglichst viele Fische. Schließlich ist die traditionelle Entlohnung für die schweißtreibende Arbeit ein Anteil des Fangs. Heute zappeln ein paar große, aber vor allem viele kleine Fische im Netz. Die winzigen Sonsos gehören zur Familie der Sandaale und kommen hier meist frittiert auf den Teller. Viel ist den Hobbyfischern heute Morgen zwar nicht ins Netz gegangen, aber für das gemeinsame Grillfest am Strand sollte der Fang reichen.

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Früher fanden diese Tirades a l’Art nicht nur zweimal im Jahr, sondern regelmäßig statt. Überall an der Küste war das für viele Einwohner manchmal die einzige Hoffnung auf eine warme Mahlzeit. Die Menschen waren relativ arm und nicht jeder besaß ein eigenes Boot. Wer nur wenig Geld hatte, konnte sich oft kaum genug zu Essen kaufen. Nur mit dem Einsatz ihrer Körperkraft verdienten sich Männer und Frauen, die eigentlich keine Fischer waren, bei der Tirada a l‘Art so etwas dazu. Bezahlt wurden sie nämlich mit einem Anteil am Fang.

Heute ist diese Art des Fischfangs mehr oder weniger ausgestorben. Nur in Lloret hat man diese wunderschöne Tradition bis heute erhalten. Auch wenn es heute ein schönes Fest ist, bei dem die Einwohner viel Spaß haben und gemeinsam feiern, war so eine tirada früher harte Arbeit und weit weniger romantisch, als man es sich heute vielleicht vorstellt.

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Im Viertel der Fischer

Marina stammt aus Lloret. Sie ist waschechter „Local“, denn auch ihre Eltern, Großeltern und Urgroßeltern kommen aus Lloret de Mar. Auf einem alten schwarz-weiß Foto, das einen ärmlich gekleideten Mann am Strand zeigt, ist ihr Urgroßvater bei einer tirada a l‘art zu sehen. Um den Körper trägt er, genau wie die Männer und Frauen heute, die traditionelle Seilschlaufe, mit der sich die Teilnehmer in das Seilende des Fischernetzes einhaken. An den Füßen trägt er einfache Klocks. Wenn es im Winter kalt war, wurden diese Holzschuhe einfach mit Stroh gefüllt. Socken konnte sich damals kaum jemand leisten.

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Als ich mit Marina durch das alte Fischerviertel Llorets bummle, treffen wir ihren Vater, ihre Großtante und ein paar alteingesessene Nachbarn. Nach zehn Minuten habe ich das Gefühl, nicht nur die Familie, sondern das ganze Viertel zu kennen. Die Nachbarin sucht gerade eine dicke Katze, die offenbar weggelaufen ist und Marinas Tante erzählt uns auf dem Weg zum Bäcker von der Urgroßtante, die früher gegenüber gewohnt hat. „Das war eine der besten Netzflickerinnen“, berichtet sie stolz. Denn die tia Maria war nicht nur hier an der Küste für ihre Geschicklichkeit bekannt. In Madrid hat sie einmal einen Pokal erhalten, weil sie bei einem Wettbewerb die Beste war. Marinas Papa hat außer alten Fotos sogar noch ein paar der alten Werkzeuge aufgehoben. Da kommen nicht nur Reste der handgewebten Fischernetze von Tante Maria, sondern auch ein Fassbinder-Beil des Urgroßvatersm zum Vorschein.

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Im Barri de Venècia ist Lloret noch immer ein Fischerdorf. Wenn im Sommer die engen Gassen der benachbarten Altstadtviertel voller Touristen sind, die durch die Souvenirläden, Bars und Cafés streifen, bleiben die Lloretencs hier unter sich. Rund um Es Tint, wo früher die Fischer ihre Netze gefärbt haben, leben noch heute ganz normale, super nette Menschen.

es tint lloret de mar

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Das „echte “ Lloret und die Tirada a l’Art

Wenn Du die Costa Brava wirklich kennenlernen willst, kannst Du gerade in den Wintermonaten ein Lloret de Mar entdecken, das garantiert nicht den üblichen Vorurteilen entspricht. Nimm Dir einfach die Zeit genauer hinzusehen, versuche Einheimische kennenzulernen. Gerade ältere Leute erzählen oft so tolle Geschichten und freuen sich meistens total, wenn jemand an ihren Erinnerungen Interesse zeigt. Ich finde es megaspannend, hinter die offiziellen Kulissen zu gucken und an ganz persönlichen Lebensgeschichten teilhaben zu können. Natürlich braucht das manchmal Zeit und geht oft auch nur mit Händen und Füßen, weil man zum Beispiel die Landessprache nicht spricht. Aber mit Geduld und einem freundlichen Lächeln öffnen sich oft schon viele Türen.

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Die Tirada a l’Art in Lloret wird organisiert von Xino Xano, einem Zusammenschluss von Einwohnern, die regelmäßig tolle kulturelle Veranstaltungen auf die Beine stellen. Mitmachen kann jeder, ohne Anmeldung. Du musst nur rechtzeitig da sein. Meistens findet die erste Tirada morgens um 8 Uhr und eine zweite später gegen 10 Uhr statt. Wer mitarbeitet, darf anschließend auch mit essen. Wie früher, kriegst Du Deinen „Anteil“ also in Naturalien ausgezahlt. 🙂 Du kannst die Gruppe aber auch ein bisschen unterstützen, wenn Du die selbst gebastelten Boote und kleine Andenken aus Kork und Muscheln kaufst.

Website:  www.xinoxano.org

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