Leander Lost ist Autist. Oft ist er sehr anstrengend, manchmal ungewollt lustig, aber unterm Streich ist er vor allen Dingen ein so liebenswerter Mensch, dass man ihn einfach nur gernhaben kann. Aufgrund des Asperger-Syndroms, das bei ihm diagnostiziert wurde, hat Leander Lost ganz spezielle Ecken und Kanten, kleine „Macken“, wie seine Unverblümtheit, oder auch größere, wie die Panikanfälle, wenn nicht alles so verläuft, wie es sollte (also am liebsten logisch).
An manchen Stellen erinnert mich dieser Hamburger Kommissar, der Dank eines Austauschprogramms an der Algarve landet, an Leonard Nimoy als Mister Spock. Wie der Vulkanier, denkt Leander logisch. Da er ein Mensch und kein Vulkanier ist, hat er natürlich auch Gefühle, die er aber irgendwie ganz anders wahrnimmt als „neurotypische“ Menschen ohne Asperger-Syndrom.
Mit diesem Kommissar ist Holger Karsten Schmidt (der diese Reihe unter dem Pseudonym Gil Ribeiro schreibt) eine unglaubliche Figur gelungen. Einmalig in seiner Art, erlebt man als Leser mit, wie schwierig das „Anderssein“ in unserer Gesellschaft ist, wie oft wir alle völlig unlogische Dinge sagen oder tun und wie wenig Respekt und Toleranz viele Mitmenschen aufzubringen in der Lage sind. Eine kleine Mahnung, wie ein Merkzettel an uns alle, steckt in jedem der Fälle, in denen Lost an der Algarve ermittelt.
Nachdem ich den ersten Band verschlungen hatte, konnte ich die restlichen Geschichten gar nicht schnell genug nachkaufen. Und es ist nicht nur der autistische Kommissar aus Hamburg, sondern es sind natürlich auch seine portugiesischen Kollegen, die diese Krimireihe so besonders machen. Mit einem feinen Gespür für die Menschen, für kleine Eigenheiten, für ihre Vorlieben und gewisse Abneigungen, gelingt es dem Autor Bilder in meinen Kopf zu zaubern. Da ich selbst gern viel Zeit an der Algarve verbringe und Land und Leute wirklich lieben gelernt habe, erkenne ich viele Straßen und markante Wegpunkte sofort wieder. Das Lesen fühlt sich an, als würde ich selbst über N-125 fahren und in eines der kleinen Dörfer abbiegen.
Völlig genial ist Leanders fotografisches Gedächtnis. Für einen Kommissar birgt diese spezielle Begabung diverse Vorteile. Auch wenn es im realen Leben für Menschen mit dieser Fähigkeit nicht immer so leicht zu leben ist, wie es vielleicht klingt – in seinem Beruf als Kommissar ist die Veranlagung sich alles merken zu können und nie etwas zu vergessen, eine sehr nützliche Gabe, mit der der Hamburger sein Team tatkräftig unterstützt. Eine weitere sehr spezielle Fähigkeit, bzw. eine „Besonderheit“ ist es, dass Leander niemals lügt. Er muss immer die Wahrheit sagen, weil er schlicht und einfach nicht lügen kann, was zu teilweise sehr lustigen Verwirrungen führt.
In den Büchern zeigt der Autor anhand des toll funktionierenden, portugiesischen Teams eine enge Familienverbundenheit, die im Süden Portugals nach wie vor funktioniert – und in der Geschichte eine entscheidende Rolle spielt. Hier werden Leanders Besonderheiten einfach angenommen und verwandeln den Hamburger so zu einer Art Geheimwaffe. Er erkennt sofort und verlässlich, ob und wann jemand lügt und er muss einen Tatort oder eine Situation nur einmal ansehen, um auch Wochen später noch jedes Detail, jedes Gesicht, wie auf einem Foto wieder abrufen zu können.
Ohne zu viel von der wirklich spannenden Handlung vorweg zu nehmen, kann ich verraten, dass es einfach schön ist, die Geschichte des gehänselten Kindes und des als Idiot abgestempelten Kollegen aus Hamburg mitzuverfolgen. Zu sehen, dass es im Leben eben auch mal gut gehen kann, dass auch ein so spezieller Mensch, wie Leander Lost in einer Umgebung, die ihm Respekt und Vertrauen schenkt, aufblühen und glücklich sein kann.
Und so ermitteln Graciana, Carlos, Miguel, der spanische „Pfau“ im Team, und Leander zwischen Faro und Fuseta, und fahren dabei immer wieder durch meine Lieblingsorte. Ich für meinen Teil bin jedenfalls total verliebt in die portugiesischen Spürnasen und den Hamburger Leander Lost, der hoffentlich für immer im Süden bleiben wird.
Infos zur Krimi-Reihe Lost in Fuseta
Gil Ribeiro ist das Pseudonym, unter dem der bekannte Krimi- und Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt seine Portugal-Krimis veröffentlicht hat. Bestellen kannst Du die Bücher wie immer im Buchladen Deines Vertrauens. Vermutlich liegen sie dort längst in der Auslage und Du musst nur noch zugreifen. 🙂
Lost in Fuseta – 1. Fall
Autor: Gil Ribeiro
Verlag: Kiepenheuer & Witsch GmbH, 2018
ISBN-10 : 3462051628
ISBN-13 : 978-3462051629
Spur der Schatten – 2. Fall
ISBN-10 : 3462053051
ISBN-13 : 978-3462053050
Weiße Fracht – 3. Fall
ISBN-10 : 3462054244
ISBN-13 : 978-3462054248
Schwarzer August – 4. Fall
ISBN-10 : 3462052691
ISBN-13 : 978-3462052695
Einsame Entscheidung – 5. Fall
ISBN-10 : 3462001027
ISBN-13 : 978-3462001020
wann kommt Band 6?
Es stimmt alles in der Buchbeschreibung auch ich bin Fan von Kommisar Lost geworden und werde ihn verfolgen
So schnell bist Du schon durch mit dem Buch? 🙂