Morgens um sieben ist der Bahnhof von Vila Real Santo Antonio fast leer. Draußen ist es noch dunkel um diese Jahreszeit. Es ist November und ich bin auf dem Weg nach Faro, in die Hauptstadt der Algarve. Ich kuschele mich in meine dicke Winterjacke. Die Heizung läuft zwar, aber sie hat den Wagon noch nicht erwärmt. Ich bin allein. Erst kurz vor der Abfahrt steigen noch ein paar Fahrgäste zu, die sich schnell und leise auf die anderen Wagons verteilen. Dann fährt die Bahn los.

Wir halten an jedem noch so winzigen Bahnhof am Wegesrand. Es sind niedliche kleine Bahnhöfe mit bunten Kacheln, dazwischen Salinen, in denen Meersalz gewonnen wird, später Gärten, Orangenbäume und Wein, dann wieder Salinen. Allmählich wird es hell. Rostrote Erde und grüne Wiesen fliegen langsam am Zugfenster vorbei. Über dem Meer geht die Sonne auf und wirft ein warmes Licht auf die weißen kleinen Häuser der Dörfer, durch die wir fahren. Der Himmel färbt sich orangerot über der Sumpflandschaft, die sich bis zum Meer erstreckt. Ein Hund stupst fröhlich ein Pferd, das noch in seiner Box steht, an der Schnauze, so als wolle er seinen Freund wecken, um mit ihm zu spielen.

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Mehr Menschen steigen in die Bahn ein. Während die Sonne ihren Weg am Himmel beschreitet, huschen Plantagen mit Orangenbäumen und Weinreben an mir vorbei. Das aufkommende Tageslicht färbt die rostrote Erde lila. Kleine Gärten, überfüllte Wohnmobilstellplätze und Wäscheleinen voller Unterhosen erscheinen vor dem Fenster. Zwischen vereinzelt stehenden Bäumen sind zwei Hühner auf der Suche nach Regenwürmern. Dann kommt das Meer in Sicht. Wieder fahren wir an Salinen vorbei. Auf einer steppenartige Weide grast eine lustige Herde weißer Ziegen.

Im Zug unterhalten sich zwei ältere Damen und ein Herr. Es wird voller. Verkäuferinnen auf dem Weg zur Arbeit, junge Leute auf dem Weg in die Schule oder zur Uni. Je heller es wird, umso angeregter und lauter werden die Gespräche. Man kennt sich. Vermutlich treffen sich jeden Morgen dieselben Fahrgäste in der Bahn. Ist ja auch netter so, als mit dem Auto zur Arbeit zu fahren.

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Kurz vor Faro führen die Schienen direkt am Strand entlang. Eine breite Wattlandschaft erstreckt sich vor der Stadt, die Ria Formosa, die bis zu den vorgelagerten Inseln reicht. Aus dem Zugfenster sehe ich Krebs- oder Muschelsammler durch das sumpfige Gelände stampfen. Dann erreichen wir den winzigen Bahnhof. Schnell verteilen sich die Fahrgäste in den umliegenden Straßen. Ich suche ein Café, doch so früh ist in Faro noch nicht viel geöffnet.

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Faro

Faro ist eine sehr alte Stadt. Nachdem sich schon Phönizier und Griechen hier niedergelassen hatten, entstand in römischer Zeit die erste kleine Stadt namens Ossonoba. Als die maurischen Eroberer ein paar Jahrhunderte später eine Festung errichteten und von hier aus die gesamte Algarve beherrschten, benannten sie die Stadt um. 1249 vertrieb König Alfonso III die Mauren und die Portugiesen nannten den Ort Santa Maria de Faaron, woraus das heutige Faro wurde. Unter Herrschaft der christlichen Könige erlebte Faro eine Blütezeit. Als portugiesische Seefahrer die Meere der Welt eroberten, lebte der Handel auf. Von den Häfen der Algarve aus segelten sie in die fernsten Länder.

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Teatro Lethes

Von außen ist das Theater eher unscheinbar und sieht weder märchenhaft noch sonderlich elegant aus. Aber ich habe Glück und darf einen Blick in die Innenräume werfen. Und ich muss sagen, sobald man den Saal betritt, ist man rettungslos verzaubert. Mich hat das kleine Theater jedenfalls völlig in seinen Bann gezogen. Die roten Samtvorhänge, die alten Holzstühle, die prunkvolle Deckenbemalung! Das Theater ist wirklich winzig, aber es strahlt eine solche Pracht aus, dass ich mich am liebsten sofort hinsetzen und vom Geschehen auf der Bühne in eine andere Welt entführen lassen möchte. Selbst der Name Teatro Lethes hat etwas geheimnisvolles an sich. Lethe war nämlich ein mystischer Fluss in der griechischen Sagenwelt. Wer von seinem Wasser trank, vergaß seine Trauer und schlechten Erinnerungen. Was für ein Name für diese kleine Bühne.

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Im ebenfalls winzigen Foyer hängt eine Zeichnung des Theaters. Ich muss zweimal hinsehen, um zu erkennen, dass dort gar nicht das Theater in Faro, sondern die Mailänder Scala abgebildet ist. Die Erbauer des kleinen Theaters hatten sich nämlich das Theater in Lissabon als Vorbild genommen und das wiederum wurde von der Scala in Mailand inspiriert. Das Teatro Lethes ist quasi die Scala in Miniaturformat.

Museum der Algarve

Mein nächster Weg führt mich in das Museum der Algarve. Es ist ein kleines, altmodisches Heimatmuseum, noch komplett ohne interaktive Knöpfe. Aber was der Ausstellung vielleicht an moderner Technik fehlt, macht sie mit Herzblut wieder wett. Das Leben der Menschen an der Algarve wird so liebevoll mit Schaufensterpuppen dargestellt, dass man sich lebhaft vorstellen kann, wie es hier noch bis vor wenigen Jahrzehnten in den Häusern der Menschen ausgesehen hat. Da wird Brot gebacken und Thunfisch gefangen, gebetet und Wasser auf Mauleseln transportiert.

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Faro Altstadt

Durch die weihnachtlich glitzernden Einkaufsstraßen bummle ich zur Altstadt hinüber. Die Rua Santo Antonio mit ihren vielen kleinen Geschäften und Cafés ist ein Paradies für alle, die gern Shoppen. Es gibt sogar einen Laden, der nur Fischkonserven anbietet. Lange Zeit war die Fischkonservenindustrie eine der wichtigsten Säulen der portugiesischen Wirtschaft. Die meisten Fischfabriken sind heute geschlossen, doch Comur hat sich gehalten und verkauft im ganzen Land farbenfrohe Dosen mit Geschichten, Jahreszahlen und lustigen bunten Bildern. Der originelle kleine Laden in Faro erinnert mehr an ein Zirkusambiente der zwanziger Jahre, als an einen Fischladen.

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Das Café Aliança ist eines der ältesten Cafés an der Algarve. Schon zu Beginn der letzten Jahrhundertwende trafen sich hier Intellektuelle und Politiker, debattierten und diskutierten bei Bier oder Wein über die Probleme der Gesellschaft. Die Einrichtung erinnert noch heute an diese Zeit. Die dunklen Marmortische sind sogar noch das originale Mobiliar. Außer Kaffee gibt es verschiedene leckere Gerichte, denn das Café ist inzwischen auch eine Cervejaria.

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An dem kleinen Musikpavillon mit Blick auf den Yachthafen geht es vorbei zur alten Stadtmauer. Die Festung von Faro war einst vom Meer umschlossen. Das große Erdbeben 1755, das auch Lissabon erschütterte, hat die Küstenlandschaft der Algarve nachhaltig verändert. Erst durch das Erdbeben sind die vorgelagerten Inseln und die Lagune der Ria Formosa entstanden.

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Die mit einer schützenden Mauer umgebene Altstadt betritt man durch eines der Stadttore. Im Durchgang des Arco de la Vila, des prachtvollsten Portals, das in die engen, mit Kopfstein gepflasterten Gassen führt, befindet sich die Porta Arabe. An der Algarve ist es die einzige im maurischen Stil gebaute Tür, die sich bis heute gehalten hat.

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Vor der Kathedrale erstreckt sich ein ruhiger, mit Orangenbäumen gesäumter Platz, der Largo da Sé, um den herum sich vor allem Verwaltungsgebäude befinden. Auf den Türmen und Stadttoren bauen Störche ihre Nester. Faro ist nämlich nicht nur die Hauptstadt der Algarve, sondern auch die Stadt der Störche. Bei Ebbe sind sie unterwegs und suchen Futter, bei Flut findet man sie auf ihren hohen Nestern sitzen. Gerade gestern habe ich eine ganze Storchenfamilie Richtung Süden fliegen sehen. Vermutlich haben die sich doch noch auf den Weg nach Afrika gemacht? Aber längst bleiben viele Störche an der warmen Algarve und überwintern diesseits der Meerenge.

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Von den höchsten Terrassen der alten Häuser und Paläste kann man bis aufs Meer hinausblicken.

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Cataplana Kochkurs (mit Rezept)

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In einem der Restaurants in der historischen Altstadt empfängt mich Alexandra zu einem Cataplana Kochkurs. In der Tertulia Algarvia kann man nämlich nicht nur lecker essen, sondern auch kochen lernen. Während wir gleich mit dem Schnipseln von Fisch und Gemüse loslegen, erzählt mit Alexandra, was eine Cataplana überhaupt ist und wie dieses traditionelle Gericht entstand.

Die Cataplana ist nämlich nicht nur ein Gericht, sondern auch Kochgeschirr. Aufgrund einer gewissen Ähnlichkeit zu den marokkanischen Tajines vermutet man, dass dieses praktische Gerät auf maurischen Ursprung zurückzuführen ist. Die portugiesische Cataplana ist allerdings nicht aus Keramik, sondern aus Kupfer, bzw. heute aus anderem Metall, aber das Prinzip des Dampfgarens ist ähnlich. Die kofferartige Form der Cataplana erlaubte es den Leuten, den Behälter, in dem sie ihre Lebensmittel kochten, auch zum Transport zu benutzten.

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Ich schneide Fisch in kleine Würfel und bereite die Garnelen vor. Dann schneiden wir Zwiebeln und Knoblauch, roten und grünen Paprika. Nach und nach wird das Gemüse mit Öl und etwas Salz angebraten. Natürlich verwenden wir nur Produkte der Region. Alles, was im Kochtopf landet, stammt von der Algarve und ist frisch. Schnell finden Alexandra und ich ein spannendes Thema, die Liebe zum gemeinsamen Essen. Im Süden Europas hat das gemeinsame Einnehmen der Mahlzeiten eine hohe Bedeutung für den Zusammenhalt der Familie. Das ist in Spanien und Italien so und auch in Portugal hat das Essen nach wie vor einen hohen Stellenwert.

Vielleicht liegt es daran, dass in den südeuropäischen Ländern gesunde Zutaten günstig sind und viele Menschen auf dem Land leben und einen eigenen Garten haben. Gemeinsames Essen ist mehr als nur Nahrungsaufnahme. Es fördert den sozialen Zusammenhalt, ist Teil der Kultur und macht sogar Spaß. Alexandra holt ein frisches Bündel Koriander, das ich fein schneiden soll. Sie gibt den Fisch, die Garnelen und die Muscheln in den Gemüsetopf, den wir mit Fischfond aus der Küche und etwas Weißwein köcheln lassen. Obendrauf kommt der Koriander. Bald schon zieht ein leckerer Duft in meine Nase.

faro cataplana kochkurs

Viel zu schnell sind wir fertig. Ich habe mich gerade erst „warm gekocht“ und könnte glatt noch ein paar Stunden weitermachen. Doch nun wird gegessen. Als Vorspeise darf ich noch ein knuspriges Brot mit Muxama, dem getrockneten Thunfisch noch einer Spezialität der Algarve, probieren. Sehr lecker. Schade, dass es das bei uns nicht auch gibt. Dann kommt die Cataplana, die ich mit Alexandra gekocht habe. Ich muss schon sagen, das haben wir richtig gut gemacht. 🙂  (Danke Alexandra!) Selbst gekocht schmeckt doch gleich viel besser, als nur selbst bestellt. Cataplana wird wohl auch zu Hause bald mal auf den Tisch kommen.

faro muxama

Infos – Faro zum Nachreisen

Zutaten Cataplana:
200 g de amêijoas (Venusmuscheln)
200 g de lingueirão (Schwertmuscheln)
1 Fischfilet, in grobe Würfel schneiden
Mittelgroße Zwiebel in kleine Ringe schneiden
1 rote Paprika, 1 grüne Paprika in Julienne schneiden
4 Knoblauchzehen
Lorbeerblatt
Olivenöl
Meersalz Flor de Sal
Fischsud
Weißwein
Cilantro