Mitte September. Aber von Herbst keine Spur. Noch immer sind die Temperaturen hochsommerlich warm. Michi und ich machen uns mal wieder auf den Weg an die Küste. Dieser Strand, an den wir heute fahren, ist eigentlich ein kleines Wunder. Die Platja de Castell ist nur deshalb so unberührt erhalten geblieben, weil die Anwohner der Gegend mal wieder in letzter Sekunde auf die Barrikaden gegangen sind. Gerade noch rechtzeitig setzten sie vor genau 25 Jahren alle Hebel in Bewegung, um den Bau einer Luxusapartmentsiedlung zu verhindern.
Platja de Castell
Dank der massiven Proteste der Aktion „Salvem Castell“ können wir heute noch in dieser schönen, unbebauten Bucht baden. Direkt am Camí de ronda zwischen zwei Felsvorsprüngen, erstreckt sich die Platja de Castell wie dahin gemalt. Ein paar Sonnenschirmchen, eine kleine Strandbar, das war es dann auch schon mit der Infrastruktur. Der Rest ist naturbelassen.
Auf der rechten Seite der Platja de Castell geht der alte Schmugglerweg Camí de ronda bis nach Palamós weiter. Auf dem Weg dorthin kommt man an kleinen Buchten wie S‘Alguer vorbei. Bis heute stehen dort diese niedlichen winzigen Fischerhütten mit den bunten Türen. Auch wenn das eine oder andere Boot dort noch am Strand liegt, echte Fischer gibt es nur noch sehr wenige dort. Aber die Familien, denen diese alten Hütten gehören, treffen sich dort gern an den Wochenenden. Sie feiern und essen ausgiebig mit Freunden und Verwandten und verbringen so einen ganzen Tag am Meer.
Wie Schade, dass Michis Familie nicht auch so eine Fischerhütte hat. Wir gehen also in die andere Richtung, in das kleine Wäldchen auf der linken Seite der Bucht. Dort liegen auch die Reste einer iberischen Siedlung. An der gesamten Küste entlang stößt man immer wieder auf solche kleinen Siedlungen der Iberer. Irgendwann muss ich mir diese hier noch mal genauer ansehen. Würden wir auf dem Camí de Ronda weitergehen, kämen wir von hier aus zum Botanischen Garten Cap Roig. Während die Platja de Castell noch zu Palamós gehört, zählt der Jardí Botanic auf den roten Felsenklippen schon zu Calella de Palafrugell.
Da mein Schatz mit seiner Krankheit ja nicht so gut laufen kann, bleiben wir auf dieser Seite des Wäldchens. Ich bin so stolz auf ihn. Darauf, dass er sich bis hierher vorwärts kämpft, Schritt für Schritt, und dabei immer gut gelaunt ist. Er lässt sich einfach nicht unterkriegen und blickt jeden Tag voller Vorfreude und Zuversicht, auf das, was kommt. Wenn es ihm irgendwie möglich ist, bewegt er sich am liebsten draußen in der Natur. Auch wenn uns zusammen keine großen Wanderungen mehr möglich sind, freue ich mich, diesen Sonnenschein an meiner Seite zu haben. Dann machen wir eben kleine Wanderungen, wie heute. Ganz slowly und entspannt.
Während der Schatz dann schon mal ein letztes sommerliches Bad nimmt und sich am Strand in die Wellen stürzt, mache ich noch einen kurzen Abstecher zur Barraca Dalí.
Barraca Dalí
Eines der wenigen Gebäude, die in der Nähe der Platja de Castell stehen, ist Mas Juny, ein Bauernhaus aus dem fünfzehnten Jahrhundert. Bekannt wurde Mas Juny jedoch erst zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, als der katalanische Maler Josep Maria Sert die alte Masia kaufte. Sert war nicht nur ein international anerkannter und erfolgreicher Maler, sondern auch eine interessante Persönlichkeit. Er verließ Paris, um sich hier, in der Abgeschiedenheit der Costa Brava, ein neues Atelier einzurichten. Nachdem er sich von seiner ersten Frau, der Muse Renoirs und Toulouse Lautrecs, getrennt hatte, heiratete er bald darauf eine georgische Prinzessin. Zu seinen Freunden zählten Marlene Dietrich, Coco Chanel, und natürlich der junge Salvador Dalí.
Die Feste, die der Künstler mit seinen Freunden in der Mas Juny gefeiert haben soll, galten als legendär. In den kleinen Dörfern der Gegend galt schon die Tatsache, dass die junge und hübsche Frau Sert es wagte, kurze Hosen zu tragen, als geradezu skandalös. Als ihr Bruder nach einem tragischen Verkehrsunfall ganz in der Nähe starb, verkaufte das Paar Mas Juny.
Neue Besitzer des Anwesens sind die wohlhabenden Brüder Puig Palau aus Barcelona. Zu dieser Zeit weilt Ava Gardener für die Dreharbeiten zu Pandora mehrere Wochen an der Costa Brava. Neben der Diva entdecken auch andere Hollywoodstars gerade die Costa Brava. Während vor allem Albert Puig Palau viel Zeit auf der neuen Finca verbringt, kommen neben Dalí und Gala, Luis Escobar und Walt Disney hier vorbei. Auch Grace Kelly soll mit ihrem frisch angetrauten Gatten Fürst Rainer von Monaco ein paar Tage hier verbracht haben.
Albert feierte jedoch nicht nur Feste mit den Weltstars. Er war auch derjenige, der die ersten Ausgrabungen der iberischen Siedlung organisierte und ließ für seinen Freund Dalí eine Hütte nach dessen Zeichnung anfertigen. Der Surrealist sollte hier in der Bucht ein eigenes Atelier kriegen. Doch obwohl es viele Fotos von Salvador Dalí vor und in dem kleinen Steinhäuschen gibt, hat er hier wohl nicht wirklich gearbeitet.
Da stehe ich nun vor der kleinen Hütte mit der schrägen Tür. Mitten im Wald, und doch direkt am Meer, nur wenige Schritte von den wilden Klippen der Costa Brava entfernt. Von der Platja de Castell sind es zu Fuß nur wenige Minuten bis hierher. Viel gibt es allerdings nicht zu sehen. Die winzigen Fenster sind so weit oben, dass ich nicht hineinsehen kann und die Tür ist aus massivem Holz. Ich drehe eine Runde um die Baracke und stehe plötzlich vor einer jungen Frau, die bestenfalls um die Hütte herum geht. Freundlich grüßend frage ich, ob man auf der anderen Seite in ein Fenster hineinblicke könne. Doch sie versteht mich gar nicht. Wie sich herausstellt, ist die junge Dame eine französische Touristin. Sie hat sich scheinbar auf dem Weg von einer der kleinen Buchten zurück zum Strand hierher verirrt und wundert sich, warum die Tür schief ist.
Infos rund um die Platja de Castell
Viele der erwähnten Infos habe ich auf diesen beiden katalanischen Webseiten gefunden Mas-Juny-Pioners-del-Turisme-l’empordà und Mas-Juny .
Die niedlichen kleinen Buchten, zwischen Cap Roig und der Platja de Castell besuche ich auch ganz bald, wenn die Temperaturen wieder etwas normaler sind. Dann wandere ich auf dem Camí de ronda zur Cala Sània, Cala els Corbs, Cala Canyers, Cala Estreta, Cala d’en Remendon, Cala Roca Bona, Cala del Cap de Planes, Cala del Crit, bis zur Platja Cap Roig Erik.
Da will ich hin!
na dann husch 🙂 Koffer packen und los!