Dicke Wolken bedecken am Morgen den Himmel über Texel. Ob wir überhaupt starten können? Der Blick aus dem Fenster lässt mich zweifeln. Ich gehe erst mal frühstücken und hoffe einfach, dass der Wind die Wolken schon noch wegfegen wird.
International Airport nennt sich der kleine Flughafen der Insel großspurig. Humor haben sie ja, die Texeler! Als wir auf dem Flugplatz ankommen, steht eine kleine Cessna bereit, als hätte sie nur auf uns gewartet. Und da kommt auch schon Richi, unser Pilot, sammelt seine ersten Passagiere ein, zu denen ich auch gehöre, und schon geht es los. Kaum sind wir in das kleine Flugzeug geklettert, lässt Richi den Motor an. Ich fühle mich wie in einem Film mit Heinz Rühmann. Mir fehlt eigentlich nur noch eine lederne alte Fliegerkappe, dann verwandele ich mich garantiert gleich in Quax den Bruchpiloten.
Doch bevor wir abheben können, müssen wir zur Startbahn rollen. Das braucht seine Zeit. Dann muss das Motoröl oder irgend so etwas noch kurz warm laufen. Wir warten. Bis es endlich in die Luft gehen kann, erklärt Richi uns die Flugroute. Die Karte ist ziemlich übersichtlich und die Insel ist nicht besonders groß. In einer Art Tasche vor mir entdecke ich eine Spucktüte. Falls einem ängstlichen Fluggast doch mal schlecht werden sollte, ist also vorgesorgt. Doch Loopings stehen heute nicht auf dem Programm, versichert mir Richi schelmisch grinsend. Ich stecke die Tüte zurück an ihren Platz.
Dann ist es endlich so weit. Unser Flugzeug ist zwar klein, aber es rattert dafür umso lauter, als wir auf der Graspiste schneller und immer schneller werden. Und nur einen Moment später heben wir ab. Ich fliege! Unter uns werden die Häuser und Straßen immer kleiner.
Erst hier oben, so kurz vor den Wolken, erkenne ich, wie klein Texel doch ist. Von unten kam mir die Insel wesentlich größer vor, als ich das erwartet hatte. Sie ist um die zehn Kilometer breit und an die vierundzwanzig Kilometer lang. Von meinem Logenplatz hier oben in der Cessna, kann ich alles auf einen Blick erfassen. Bis zum Fähranleger von Den Helder kann ich sehen! Seit über hundert Jahren legen dort die Schiffe ab, die zwischen der Insel und dem Festland hin- und herpendeln.
Gestern Abend hatte ich Arnold, einen waschechten Texeler, gefragt, warum sie denn für die relativ kurze Strecke nicht einfach eine Brücke bauen. Die Fähre braucht für die viertausend Meter selbst im Schneckentempo nicht mehr als zwanzig Minuten. In Notfällen kann sie sogar noch deutlich schneller fahren. Besonders im Sommer müssen sich an dem Fähranleger die Autos stauen, denn die Schiffe verkehren nur einmal pro Stunde (an den Wochenenden oder in der Hochsaison auch mal halbstündig). Eine Brücke würde den Verkehr deutlich erleichtern und die Wartezeiten verkürzen, beziehungsweise die Warteschlangen ganz auflösen. Das dachte ich jedenfalls, so praktisch veranlagt, wie ich nun mal bin.
Aber Arnold guckte mich nur total verwundert und fassungslos an. „Nein, nein! Eine Brücke wollen wir nicht!“ Die Texeler wollen unbedingt eine Insel bleiben! Die Fähren, die zwischen der Insel und Den Helder verkehren, gehören nämlich den Einwohnern von Texel. Nicht, dass sie an dem Fährbetrieb viel verdienen, aber irgendwie scheint es ihnen doch wichtig zu sein, dass sie im Blick haben, wer und vor allen Dingen wie viele Gäste zu ihnen kommen. Ich glaube, sie mögen einfach das Inselleben, so wie es ist. Mit einer Brücke wäre der Zugang wahrscheinlich so schnell und leicht gemacht, dass Texel geradezu mit Besuchern überschwemmt werden würde.
In wenigen Augenblicken sind wir an der nördlichen Spitze Texels angelangt. Wir umkreisen den schönen Leuchtturm, der gerade wieder frisch gestrichen in leuchtendem Rot erstrahlt. Allerdings ist das, was wir da sehen, nicht mehr der originale „Vuurtoren“ von 1863. Der wurde nämlich gegen Ende des Zweiten Weltkriegs zerstört.
Die Niederlande waren damals ja von der deutschen Wehrmacht besetzt worden. Die hatte an der Küste einen Atlantikwall errichtet, zu dem auch der Leuchtturm auf Texel gehörte. Eine Gruppe Georgier, die von den Deutschen vor die Wahl gestellt worden war, entweder in Gefangenschaft zu gehen oder an ihrer Seite zu kämpfen, wagte nach der bereits erfolgten Kapitulation den Aufstand gegen die verbliebenen Nazis. Die rund hundert Aufständischen verschanzten sich im Leuchtturm, der daraufhin von den Deutschen zerstört wurde. Die Georgier überlebten diesen Angriff nicht und wurden von den deutschen Soldaten getötet. So wurde die Insel Tage nach der offiziellen Kapitulation der Deutschen doch noch in die Wirren des Zweiten Weltkriegs hineingezogen, von denen sie bis dahin weitgehend verschont geblieben war.
Der zerstörte Leuchtturm wurde Jahre später wieder aufgebaut. Darum konnte ich gestern, als ich die 153 Stufen bis auf die Turmspitze erklommen hatte, nicht nur die tolle Aussicht bewundern. In einem der Stockwerke kann man nämlich sogar die doppelte Mauer sehen, denn der neue Turm wurde wie ein Mantel um den alten Leuchtturm herum gebaut. Der Aufstieg selbst war überraschend leicht. Wenn man nicht gerade ein Hund ist, sind die Treppen kein Problem, denn auch wenn die Stufen eng sind, ist viel Platz und es ist hell. Unterwegs habe ich noch neugierig in ein Fenster geluschert und dabei einen grimmig dreinschauenden Leuchtturmwärter gestört, der hier oben seit Jahr und Tag auf dem stillen Örtchen seine Zeitung liest.
Wir drehen ab und lassen den Leuchtturm hinter uns. Im Flugzeug riecht es ein wenig nach Kerosin. Ich mag das. Genau wie den Duft der Boote im Hafen. Der Propeller rattert, der Motor brummt und ich klebe wie ein kleines Kind an der Scheibe. Ich genieße jede Sekunde. Fliegen ist fast so schön wie tauchen!
Während ich noch die vielen winzigen weißen Punkte unter mir bestaune, die sich auf den grünen Wiesen und Weiden langsam vorwärts bewegen, geht es auch schon wieder zurück zum Flugplatz. Ich will noch mal fliegen! Als wir gelandet sind und wieder zu unserem Platz zurück rollen, macht sich gerade ein anderes, etwas größeres Flugzeug startklar. „Das ist für die Fallschirmspringer“, erklärt mir unser Pilot Richi. Hmpf – da kommt mir doch eine gute Idee …
Infos zu Rundflügen auf Texel:
Rondvlochten
Texel International Airport
Postweg 120
1795 JS De Cocksdorp
Texel
Preis Erwachsene: 39,50 Euro
Selber machen ist in diesem Fall nicht billiger wie bei Ikea, sondern teurer: Wer selbst fliegen will, zahlt um die 90 Euro.
Zusätzlich zum Piloten passen gerade noch zwei oder drei Personen in die Kabine der
kleinen Reims-Cessna F172M Skyhawk
Website: www.paracentrumtexel.nl
Leuchtturm
Vuurtorenweg 184
1795 LN De Cocksdorp
Texel
Website: www.vuurtorentexel.nl
Eintritt Erwachsene 4 Euro, für Kinder bis drei Jahre gratis
Hinweis: Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Pressereise zu der ich von VVV Texel eingeladen wurde.
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