Rote Fahnen wehen heute auf dem kleinen Platz in Alfama. Die Kommunistische Partei Portugals hat sich hier für eine kleine Kundgebung zum Ersten Mai aufgestellt. In der Bar nebenan trinken die Touristen relativ unberührt von der politischen Kundgebung ihre Tasse Kaffee oder ihr Bier.
In dem schicken kleinen Barber-Shop in dem der Barbier sonst einheimischen Rentnern wie jungen Hipstern gleichermaßen die Bärte stutzt, fegt er jetzt in der Mittagshitze seinen leeren Salon. Gegenüber serviert die ältere Dame in Kittelschürze in ihrem winzigen Restaurant, das gerade mal aus vier Tischen besteht, den Gästen gerade die frisch gegrillten Makrelen.
Die Kirchenglocken beginnen zu läuten, denn es ist Mittagszeit und es ist warm in Alfama. Die Wäsche hängt von den Balkonen in den engen Gassen, in die nur selten Sonnenlicht fällt. Mühsam bahne ich mir einen Weg über das Kopfsteinpflaster bergauf, denn gerade Straßen gibt es in Alfama nicht.
Dieses wunderschöne Viertel ist einer der ältesten Stadtteile Lissabons. Viele der teilweise Jahrhunderte alten Häuser und Paläste zu Füßen des Castelo de São Jorge sind zu modernen Wohneinheiten umgewandelt worden. Verfallene kleine Häuschen findet man nur noch wenige. In ganz Lissabon wurde viel restauriert und mittlerweile ist die Stadt recht touristisch geworden, wie so viele andere Städte auch. In Barcelona kann man lange schon ein Lied davon singen. Aber das ist eben der Nachteil der heutigen Reisefreudigkeit, dass viele Menschen gleichzeitig an dieselben Plätze reisen wollen. Und dann wird es eben manchmal voll.
Aber Alfama ist noch angenehm ruhig. Hier gibt es noch Ecken, in denen auch die Einheimischen verkehren. So wie dort, wo wir jeden Morgen einen Kaffee trinken gehen. Ein kleines Café, ganz einfach, ohne Deko, absolut nicht hip. Da trinkt die Oma von nebenan ihren bica und der Maurer im Blaumann bestellt sich am Tresen schnell sein Frühstück im Stehen, bevor er zur Arbeit geht. Der Besitzer der kleinen Bar, ein älterer Herr, erkennt uns schon am zweiten Tag wieder und begrüßt uns mit einem Lächeln. So herzlich, als wären wir die ersten und einzigen Touristen hier. Wir sind zu Gast und wir sind hier gern gesehen. Ich fühle mich wirklich willkommen in Alfama.
Luis sitzt vor seinem kleinen Laden, in dem er Andenken verkauft. Kleine bunte Fische, Bücher, Fliesen, Souvenirs für Touristen, davon lebt er. Sein Hund Julio leistet Luis Gesellschaft. Auf dem Bordstein vor seinem kleinen Laden sitzend trinken wir zusammen einen Kaffee und quatschen. Eigentlich stammt Luis aus Porto, erzählt er mir. Doch er verliebte sich in Alfama und seine Menschen. Er blieb. Mittlerweile ist er fester Bestandteil des Viertels geworden. Jeder hier kennt ihn und er kennt auch alle Bewohner.
„Alfama ist ein Dorf“, sagt Luis. Julio freut sich aufgeregt und wackelt mit dem Schwanz, als eine ältere Nachbarin vorbeikommt. Sie begrüßt den Hund und wuschelt ihm über den Kopf. Die Nachbarin war gerade einkaufen. Julio schnuppert neugierig an der Plastiktüte in der sich eine Flasche Putzmittel und ein kleines Päckchen Pulverkaffee befinden. „Das ist leider nichts für dich, mein Süßer“, erklärt sie dem Hund und tätschelt sein strubbeliges Fell. Alfama ist wirklich wie eine große Familie. Manchmal kommt Luis tagelang überhaupt nicht ins Zentrum von Lissabon. „Ich habe doch hier alles, was ich brauche“, meint er, während ich ein bisschen mit Julio spiele.
Ich warte auf Sophie, meine Freundin, mit der ich das Wochenende in Lissabon verbringe. Ab und zu gönnen wir uns das, eine kleine Auszeit zu zweit. Ohne Männer und ohne Kinder. Wie früher, als wir uns vor einer gefühlten Ewigkeit kennengelernt haben. Immer wieder staune ich, wie lange und wie gut wir uns doch kennen und vor allem wie gut es uns tut, Zeit miteinander zu verbringen. Wir sind fast so was wie ein altes Ehepaar, nur natürlich viel hübscher und lustiger.
Um fünf Uhr am Nachmittag öffnet Pedro nebenan dann die kleine Tapasbar. Pedro ist vor einem Jahr aus Salvador de Bahia hierhergekommen. Normalerweise arbeitet Carla mit Pedro zusammen. Carla spricht supergut Deutsch. Keine Ahnung, wo sie das gelernt hat, aber heute ist sie nicht da. Pedro meint, sie komme später aber noch vorbei. Das strahlende Lächeln des kleinen Brasilianers ist unbezahlbar. Ich liebe diesen gutherzigen Menschen vom ersten Moment an.
Als Sophie von ihrem Bummel durch die Stadt zurück ist, bestellen wir uns bei Pedro hungrig etwas zu essen. Radebrechend mische ich meine drei Wörter Portugiesisch mit Englisch und Spanisch. Eine etwas holprige Kommunikation, die vor allem durch wohlwollendes Zuhören und die Geduld meines Gegenübers funktioniert. Doch am Ende gibt es leckeres Couscous mit veganen Gemüsebällchen, luftgetrockneten Kabeljau und noch ein paar andere kleine Tapas. Dazu probieren wir ein Bier aus Moçambique.
An den Wänden Alfamas entdecke ich manchmal Schilder mit Fotos der alteingesessenen Bewohner des Viertels. Alfama stellt den Besuchern seine Anwohner vor. Eigentlich keine schlechte Idee. So habe ich irgendwie das Gefühl dabei zu sein, die Menschen zu kennen. Den Bewohnern Namen und Gesicht zu geben, ist glaube ich ein Versuch, den Aufenthalt im Viertel für alle ein wenig persönlicher zu machen.
Am nächsten Tag ist Flohmarkt oben am Pantheon. Vor der großen weißen Kirche stapeln sich die Decken und Tücher der Leute, die hier ihr Zeug verkaufen wollen. Eine ältere Frau, ganz in Schwarz gekleidet, mit typischen schwarzen Strümpfen über die sie noch wollene bunte Kniestrümpfe gezogen hat, erinnert mich an die Verkäuferinnen in Nazaré. Ein zahnloser Mann will mir seine alten Schwimmflossen verkaufen und eine Oma breitet ihre Sammeltassen hübsch auf einer Decke aus. Es gibt erstaunlich viel Geschirr und viel Kleidung. Für Schatzsucher, die gern auf Flohmärkte gehen, muss das eine echte Fundgrube sein. Hier scheinen die Leute wirklich noch ihre Schränke oder gar den alten Stall entrümpelt zu haben. In Hamburg oder Barcelona gibt es kaum noch echte alte Sachen zu finden. Aber hier verscherbelt scheinbar jeder alles, was er auf Omas Dachboden gefunden hat, um es irgendwie zu Geld zu machen.
In Alfama geht es immer steil bergauf oder bergab. Das Viertel ist definitiv nichts für Faulpelze. Obwohl hier mittlerweile auch die aus Asien stammenden Tuktuks Einzug gehalten haben. Diese Gefährte verstopfen in der Nähe des Castelo und der Miradouros die engen Gassen. Aber zum Glück gibt es mehrere von den wunderbaren Aussichtspunkten. Jeden Tag entdecken wir wieder einen neuen, einer schöner als der andere. Heute haben wir einen Miradouro vor einer Kirche gefunden. Ein älteres Paar dunkler Hautfarbe gibt sich gerade sehr romantisch das Ja-Wort. Alle Kinder und Enkelkinder stellen sich zum Familienfoto auf. Die Braut, ganz in Weiß gekleidet, wird von ihrem frisch angetrauten Ehemann im eleganten Anzug zärtlich umarmt. Wie schön! Als die Familie sich zerstreut, nehmen zwei junge Musiker den Platz vor dem Kirchenportal ein. Schon erklingen die ersten Töne vielversprechender Melodien.
Meine Tipps für Alfama :
Luis Laden: Time2Give
Calçada Cascão 8
1100-445 Lissabon (Alfama)
Pedros und Carlas Bar: Lugar de Fala
Calçada do Cascão, 10
1100 243 Lissabon (Alfama)
https://www.facebook.com/lugardefalaLisboa/
Auch ein sehr nettes Restaurant, das in der Nähe des Castelo liegt, ist die Kantine der Zirkusschule. Wunderbare Aussicht, super nette Bedingung und sehr leckeres Essen:
Restaurant Zirkusschule Chapito A Mesa
Costa do Castelo 7
1149-079 Lissabon (Alfama)
https://www.facebook.com/ChapitoAMesa/
Vor einigen Jahren war ich mal mit der ganzen Familie in Lissabon. Damals waren die Kinder noch klein und wir haben zu viert in einem netten Hostel im Baixas übernachtet. Das Hostel gibt es sogar noch, aber mittlerweile ist es dort unten richtig, richtig voll. Ich war froh, dieses Mal in Alfama im Palacio Libelula untergekommen zu sein.
Palacio Libelula
Tv. Cascão 15
1100-122 Lissabon /Alfama
https://www.facebook.com/PalacioLibelulaLisboa/
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