Als ich letztes Jahr im Dezember das erste Mal an der Costa Vicentina unterwegs war, wusste ich sofort, dass ich bald wieder herkommen würde. Diese raue, dem Atlantik zugewandte Küste der Algarve ist nicht nur für Surfer ein Paradies. Wenn ich oben auf den Klippen stehe, kann ich auf dem Wasser die Männer und Frauen in ihren Neoprenanzügen sehen. Geduldig liegen sie dort unten auf ihren Brettern und warten auf die nächste Welle. Offenbar haben wir gerade die beste Jahreszeit zum Surfen erwischt, denn es ist richtig voll auf dem Wasser.

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Statt mich unten in die Wogen zu stürzen, laufe ich lieber auf den alten Wegen der Fischer. Auf den Wanderwegen entlang der Felsenküste geht es wesentlich ruhiger zu, als auf dem Meer. Die grün und blau markierten Strecken führen durch die schönsten Buchten des Naturparks, der vom Alentejo bis hinunter zum Cabo de São Vicente im Westen der Algarve reicht. Ein Geheimtipp ist der Fishermen’s Trail schon lange nicht mehr, aber auf den kleinen Rundwegen an der Costa Vicentina kann man die Natur noch ganz entspannt allein genießen.

Monte Clerigo

Am Strand von Monte Clerigo ist im Laufe der letzten Jahrzehnte eine richtige kleine Siedlung mit netten Restaurants entstanden. Wenn es dunkel wird und der Strand sich leert, kann man hier super nett sitzen und nach dem Sonnenuntergang noch ein Gläschen Wein trinken. Zum Wandern oder Spazierengehen lohnt die kurze Strecke von Monte Clerigo zur Ponta da Atalaia. Am Wegesrand findet man Grasnelken oder die weiße Krähenbeere, die man sogar essen kann. Die Hexenfinger stammen ursprünglich aus Südafrika und sind eigentlich hübsch anzusehen. Aber diese sehr robuste Pflanze ist leider sehr invasiv und verdrängt manchmal die endemischen Pflanzen. Hier im Naturpark gibt es ein paar Dinge, die nirgendwo sonst auf der Welt wachsen. Aber um die zu entdecken, kenne ich mich leider nicht gut genug aus. Ich begnüge mich also damit, die bunten Blüten zwischen dem vielen Grün zu bestaunen, bis wir schließlich bei den Ruinen von Arrifana ankommen.

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Ribat de Arrifana

Oben an der Ponta da Atalaia weht überraschenderweise kaum Wind, obwohl es wenige Meter davor noch ordentlich gepustet hat. Unten reißen spitze Felsen die Brandung auf und schichten sich trotzig und schroff zu einem schwarzen Turm. Hier oben gründete der Sufi und Mystiker Ibn Qasī im zwölften Jahrhundert eine Art Kloster. Angeblich zog sich der Herrscher von seinen Kämpfen und den Auseinandersetzungen zwischen den Sultanen und Emiren gern hierher zurück. Mit dem portugiesischen König Dom Alfonso I ging er ein Bündnis ein, das ihm später zum Verhängnis wurde. Wegen dieses Paktes mit dem christlichen Herrscher betrachteten seine eigenen Leute Ibn Qasī als Verräter und erschlugen ihn.

costa vicentina         Ribat de Arrifana Algarve
Lange suchten die Archäologen nach den Ruinen dieser Klosterburg al-Rihana. Man wusste, dass sie nahe der Küste, nördlich des Cabo de São Vicente gelegen haben musste. Eine Zeit lang vermutete man das Ribāt da Arrifana sogar im Inneren der Festung nördlich der Praia do Forte. Erst 2001 fand man schließlich die gesuchten Überreste an der Ponta da Atalaia. Hier, wo die Erde in ihrer rauen Schönheit auf das tosende Meer trifft, war der passende Ort für ein Kloster des Sufi-Meisters. Die Festung an den Klippen lag sowohl an der Grenze zwischen islamischer und christlicher Welt, als auch an einem Punkt, an dem die materielle in eine spirituelle Welt überging. Denn vermutlich war das hier für die Menschen im zwölften Jahrhundert das Ende der Welt.

Ribat de Arrifana archaeologie Aljezur Algarve

Algarve Ruinen ribat arrifana

nahe Ribat Arrifana Praia Algarve Aljezur

Fischereihafen Arrifana

Der kleine Ort Arrifana ist eigentlich so etwas wie die bewohnte Bucht des weiter im Hinterland liegenden Aljezur. An der Spitze des kleinen Fischerdorfs, das mittlerweile ein Treffpunkt vorwiegend deutscher Surfer und Campervans geworden ist, stand früher eine Festung. Heute ist dort nicht viel mehr als eine Mauer mit einem Tor zu sehen. Aber von dort aus hat man einen tollen Blick auf die Strände im Norden und Süden.

Blick von der Fortaleza Arrifana Algarve

Hafen Arrifana Aljezur

Die wenigen Fischer, die noch hier leben, lassen derweil ihre Ziegen an den Felsen grasen. Eine sehr, sehr steile Straße führt von den Hütten hinab zu einem winzigen Hafen. Der Portinho de Pesca da Arrifana ist tatsächlich erst seit ein paar Jahrzehnten mit dem Auto zu erreichen! João, der aus Aljezur stammt und mich hier ein bisschen herumführt, erzählt, dass es noch in den 50er Jahren nur eine Art Lastenzug gab. Die alten Herren erinnern sich sogar noch daran, als sie hier die Kisten mit dem Fang eine steile Treppe hoch tragen mussten! Die damals jungen Männer müssen wirklich geschwitzt haben, um sich schwer beladen hier an den Felsen mit so einem Knochenjob ein bisschen Geld zu verdienen.

praia arrifana aljezur

Praia Arrifana ziegen Algarve

Portinho Arrifana hafen Alejzur

Aljezur

Ganz oben auf dem Hügel von Aljezur steht die Burg, von der aus die Mauren schon im zehnten Jahrhundert diesen Teil ihres Reiches kontrollierten. Die alten Mauern stammen aus der Zeit zwischen dem zwölften und dreizehnten Jahrhundert, kurz vor dem Ende der maurischen Herrschaft an der Algarve. Denn schon kurz danach eroberten die christlichen Truppen Dom Alfonsos III die Gegend und nutzten die Burg für rein militärische Zwecke. Rund zwei Jahrhunderte später war das Castelo bereits wieder verlassen und begann zu zerfallen.

castelo alejzur

Die Ribeiera de Aljezur hat früher viel mehr Wasser mit sich geführt, als heute, erklärt mir João. Boote brachten nämlich die Ladung der großen Segelschiffe über den Fluss in den kleinen Ort. In alten Quellen wird Aljezur wie eine Halbinsel, vom Wasser umschlungen, beschrieben. Heute kann man sich die weite flache Ebene, durch die nur ein schmaler Bach fließt, kaum noch als großen Fluss vorstellen.

Bis ins fünfzehnte Jahrhundert verkauften die Einwohner der Gegend hier Wein, Obst, Gemüse, Textilien, Lederwaren oder medizinische Pflanzen an die Seeleute. Die füllten in Aljezur ihre Vorräte und frisches Trinkwasser auf, ehe sie wieder nach Übersee fuhren, um mit neuen Waren aus der ganzen Welt wieder hierher zurückzukommen. Hinter der Brücke direkt gegenüber der kleinen Markthalle, also dort, wo heute das Restaurant Pont‘a Pé, befand sich schon damals ein wichtiger Umschlagplatz.

Natürlich haben Michi und ich das Restaurant, das João uns empfohlen hat, ausprobiert und uns Pulposalat, Süßkartoffeln und einen leckeren Vinho Verde schmecken lassen.

Aljezur Restaurant Ensalada do Polvo Tintenfischsalat

Nach dem Essen war noch Zeit, in dem kleinen Heimatmuseum, das weiter oben am Berg, in den Gassen der Altstadt liegt, ein paar der Funde zu bestaunen, die die Archäologen im Ribat de Arrifana und in der Burg zu Tage gefördert haben. Liebevoll eingerichtet zeigen zwei Zimmer, wie die Menschen hier früher lebten.

Aljezur Museum Algarve

Aljezur gasse Algarve

Nach einem heftigen Erdbeben, das die gesamte Region 1755 schwer erschütterte, baute man auf der anderen Seite des Flusses einen neuen Stadtteil, Igreja Nova, mit mehr Licht, Luft und Platz und mit einer neuen Kirche. Hinter der Kirche befindet sich übrigens der Friedhof, auf dem drei deutsche Soldaten beigesetzt sind. Obwohl Portugal im Zweiten Weltkrieg unter dem Salazar-Regime eigentlich neutral war, lieferten sich hier ein paar Flugzeuge der britischen Royal Air Force und der deutschen Luftwaffe 1943 ein kleines Gefecht. Direkt vor der Küste flogen die Deutschen morgens um 9 Uhr gegen die Klippen und stürzten ab.

batalha de aljezur

Bordeira

Einer der wenigen, kleinen Orte im Hinterland der Costa Vicentina ist Bordeira. Leider kommen wir nur auf einen kurzen Abstecher  hier vorbei. Auf dem zentralen Platz treffen sich gerade ein paar sportliche Radfahrer, um in der einzigen Bar etwas zu trinken. Zu Bordeira gehört übrigens die Praia Amado, einer der windigsten Strände der Küste, der deswegen natürlich bei den Surfern besonders beliebt ist.

bordeira

praia do amado

Carrapateira

Der kleine Ort Carrapateira liegt auf einem Hügel. Von hier hat man aber nicht nur einen tollen Panormaausblick auf den Strand. In Carrapateira gibt es ein Museum, das den Menschen und ihrer Lebensart gewidmet ist. Es zeigt, mit welchen Techniken die Fischer seit Jahrhunderten auf hoher See fischen, wie hartgesottene Männer ihr Leben riskieren, um die begehrten Percebes, von den Felsen zu sammeln und wie jeder Zentimeter fruchtbares Land in einen kleinen Garten umgewandelt wurde. Die Percebes, Entenmuscheln, sind eine besondere Spezialität der Region, aber jetzt gerade im September ist Schonzeit, in der sie nicht gesammelt werden dürfen, damit sich die Bestände wieder erholen können. Allein schon zu sehen, wie riskant das Sammeln dieser teuren Muscheln für die Männer ist, macht einem klar, wie hart die Menschen hier früher ums Überleben kämpften.

carrapateira

museu carrapateira

Praia Amoreira

Nördlich von Monte Clerigo liegt die Praia da Amoreira. Hier mündet der Fluss, der einst bis nach Aljezur führte, ins Meer. Zu Zeiten der maurischen Herrscher transportierten die Bewohner der Burg ganze Schiffsladungen zu dem kleinen Hafen von Alejzur. Je nach Gezeiten steht das Wasser auch mal höher als gerade jetzt, aber so viel, dass große Schiffe hier fahren können, gibt es schon lange nicht mehr.

Die Ribera de Aljezur führt zwar noch immer in einer Schleife um den kleinen Ort im Hinterland, aber seit der Zerstörung Alejzurs bei dem großen Erdbeben ist der Fluss nicht mehr schiffbar und der Hafen verschwunden.

Praia do Amoreira flussmuendung ribera de aljezur
Praia do Amoreira flussmuendung ribera de aljezur
sunnenuntergang monte clerigo praia amoreira

Odeceixe

Für uns war Odeceixe definitiv der schönste Ort an der Costa Vicentina. Die alte Windmühle thront hier wie eine dicke Kerze auf der Torte über dem kleinen Dorf. Durch enge, ziemlich steile Gassen, geht es hier hinauf und hinab. Als wir an einem kleinen Platz angelangen, und einen Kaffee trinken, sind wir angenehm überrascht, wie untouristisch und ruhig Odeceixe ist. Nur wenige Surfer verirren sich hierher.

Odeceixe Algarve

odeiceixe Mühle

Nördlich von hier, auf der andere Seite des kleinen Flusses endet die Algarve und das Alentejo beginnt.

windmühle Odeceixe Algarve

odeceixe alte muehle

Infos zu Aljezur und der Costa Vicentina

Infos zum Naturpark, dem Parque natural do sudoeste alentejano e costa vicentinafindest Du auf www.visitportugal.com und www.visitalgarve.pt.

Von meiner Wanderung auf einem Stück der Rota Vicentina kannst Du in meinem Artikel über die Rota Vicentina lesen. Nützliche Tipps gibt es auf der Website der www.rotavicentina.com

Museu do Mar e da Terra da Carrapateira
Rua do Estado 1
8670-230 Bordeira
Website: museu-do-mar-e-da-terra-da-carrapateira

Restaurante Pont’a Pé
Largo da Liberdade 12
8670-066 Aljezur
Website: www.pontape.pt

An der archäologischen Fundstätte der Punta Atalaia gibt es leider nicht viel von der ehemaligen Klosterburg zu sehen. Aber die Aussicht dort oben ist toll, so ein Ort, von dem man sagt er ist “irgendwie magisch”.
Wikipedia hat auch ein paar Infos zum Ribat de Arrifana

Michi Praia do Amoreira Sonnenuntergang Algarve