Still liegt der kleine Friedhof außerhalb des Dorfes, einsam zwischen grünen Feldern und braunen Äckern. Weit ab von den großen Straßen geht es hier ruhig zu. Nur der Wind braust mir um die Ohren. Vom Dorf aus muss ich ein Stück zu Fuß gehen, um den kleinen Cementiri de Cardedeu zu erreichen. Am Ortseingang, kurz hinter der Creu de Terme, zweigt ein schmaler Weg ab. Nach rund 400 Metern taucht hinter einer Kurve das von Zypressen gesäumte Eingangsportal auf.

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Anfangs habe ich mich ein wenig gescheut, aber mittlerweile mag ich Friedhöfe wirklich gern. Jedenfalls die hier in Katalonien. In Barcelona gibt es den Cementiri del Montjuïc und den im Poblenou, in Arenys gibt es den Cementiri de Sinera und in Lloret gibt es einen modernistischen Friedhof. Es sind liebevoll angelegte Gärten, romantische Grünanlagen mit kleinen Panteonen, vielen Engeln und ausdrucksstarken Skulpturen. Für mich fühlt es sich an, als wandere ich rückwärts in der Zeit. Ich lese die Namen auf den Gräbern.  Manche kommen mir bekannt vor. Einige wohlhabende Familien konnten sich kleine Tempel leisten, die sie von bekannten Künstlern ihrer Zeit anfertigen ließen. Sogar auf dem Friedhof wollte man noch eine gute Figur machen.

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Ich mag Friedhöfe, weil sie die Geschichte einer Stadt oder eines Dorfes erzählen, wie ein steinerner Park der Erinnerungen. Die Art, wie die Menschen ihre Grabstätten gestalten, verrät viel über ihre Einstellung zum Leben. Oft wird auf einem Friedhof schon auf den ersten Blick deutlich, welche Familien eine bedeutende Stellung einnahmen. Der Friedhof spiegelt das gesellschaftliche Gefüge auch nach dem Tod wider.

Der Cementiri in Cardedeu entstand zu Beginn des letzten Jahrhunderts. Bis 1975 zogen Pferde den Totenwagen vor die Tore des Dorfes. Erst Mitte der 70er Jahre wurde die schwarze Kutsche durch Autos ersetzt. Mit Blick auf die steinernen Gräber stelle ich mir vor, wie die Karosse, gefolgt von der trauernden Gemeinde, in ehrfurchtsvollem Tempo das Tor zum Friedhof durchschreitet.

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Der Architekt Manuel Raspall entwarf den Friedhof zwischen 1919 und 1921. Im Sommer spenden die grünen Bäume Schatten, im Winter sind sie angenehme Farbtupfer zwischen den kalten Steinen. Es gibt Bänke zum Verweilen und sogar einen Brunnen. Im Eingangsbereich befindet sich eine Grabstätte mit der Skulptur eines bärtigen Mannes. Auf dem Schoss hat er ein aufgeschlagenes Buch. Hinter ihm erhebt sich ein hohes Kreuz. Da neben ihm ein Löwe ruht, ist es vermutlich eine Darstellung des Evangelisten Markus.

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Ich treffe einen älteren Herrn, ein paar selbst gepflückte Blümchen in der Hand. Sagen wir, er heißt Joan. Sein Fahrrad hat er an der Friedhofsmauer abgestellt. Joan erzählt mir, dass er schon 86 Jahre alt sei. Gerade sei er bei seiner Frau gewesen, die er gepflegt habe, bis sie vor vier Jahren verstorben ist. Gleich wolle er noch zu seiner Cousine und einem Onkel, die auch hier ruhen. „Nun bin ich in der ersten Reihe“ sagt er mit einer Träne im Auge.

Der kalte Wind lässt auch meine Augen ein wenig tränen. Wir reden noch darüber, wie wichtig es heute ist, dankbar für die Gesundheit zu sein. Dann verabschieden wir uns. Ein wenig beschämt stelle ich fest, dass ich eigentlich zufrieden sein kann mit dem, was ich habe. Gesundheit, ein Dach über dem Kopf, genug zu essen, eine tolle Familie und liebe Freunde.

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Öffnungszeiten: der Cementiri Cardedeu ist nur vormittags geöffnet.