In luftiger Höhe führt ein Weg über den Wald hinweg. Vom Baumkronenpfad aus blicke ich hinab auf die Bäume und Sträucher, die auf dem Dach des verwilderten Gebäudes sprießen. Das vor vielen Jahrzehnten ausgebrannte „Alpenhaus“ war ein Teil der Beelitz Heilstätten und heute wächst hier tatsächlich ein Wald! Sogar ein Fuchs soll hier leben, weiß Laura. Den hat sie schon selbst gesehen. Wie schnell sich die Natur die Erde doch wieder zurückerobert, wenn die menschliche Hand nicht eingreift. Ich bin gerade schwer beeindruckt.
Laura (herzanhirn) ist hier ganz in der Nähe aufgewachsen und kennt die Beelitz Heilstätten schon seit ihrer Kindheit. Damals war das hier noch kein Ausflugsziel für Berliner und andere Touristen, sondern ein einsam gelegenes, verfallenes Gelände, das niemanden interessierte. Nur ein paar Jugendliche aus der Gegend streunten hier manchmal herum. Aber fangen wir besser ganz am Anfang an. Laura hat mir nämlich bei dieser ganz privaten Führung die Geschichte dieser verfallenen Gebäude erzählt.
Gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts kam es angesichts der desolaten gesundheitlichen Zustände, in der weite Teile der Bevölkerung lebten, zur Ausbreitung von Tuberkulose. Besonders schlimm war es in den Städten. Viele Arbeiter hatten oft nicht einmal ein eigenes Bett zur Verfügung. Je nach Arbeitsschicht, schliefen sie entweder tagsüber oder nachts und überließen die Matratze anschließend einem anderen Arbeiter. Immer mehr Menschen erkrankten und starben an Lungenentzündung oder Tuberkulose. Die Rentenkassen waren alarmiert, denn eine ganze Generation drohte einfach zu verschwinden. Abhilfe musste geschaffen werden, und zwar dringend. In aller Eile errichtete man in Beelitz eine nagelneue Klinik auf der grünen Wiese. Technisch perfekt ausgerüstet, medizinisch auf dem allerneusten Stand. Die Architekten planten nach strengen Vorgaben zu hygienischen Maßstäben, von denen man bis dato noch nie gehört hatte.
Alle Räume der neuen Klinik waren mit abgerundeten Ecken ausgestattet, die Heizkörper ließen sich wegklappen, damit sich nirgends Schmutz sammeln konnte und das Putzen erleichtert wurde. Die in Beelitz eingewiesenen Patienten wurden auf Kosten der Landesversicherungsanstalt gepflegt und aufgepäppelt, damit sie bald wieder arbeiten gehen konnten. Zu dem für damalige Verhältnisse fast schon luxuriösen Verwöhnprogramm gehörten unter anderem auch drei warme Mahlzeiten am Tag. Das konnte sich Anfang des letzten Jahrhunderts kaum jemand zu Hause leisten!
Die Pfleglinge wurden nicht nur perfekt umsorgt, auch die Umgebung sollte zur Genesung beitragen. Frischluftleitungen sorgten für eine perfekte Belüftung der Räume, sodass auch bettlägerige Patienten die gute Waldluft atmen konnten. Außen an den Gebäuden wurden hübsche Fachwerkdekorationen angebracht, ja sogar kleine Berge wurden aufgeschüttet, damit die Pfleglinge in den Alpen spazieren konnten.
Die Kliniken der Beelitz Heilstätten boten ein Pflegeniveau, von dem so manches Krankenhaus heute nur träumen kann. Doch die gute Pflege zahlte sich aus. 99% aller eingelieferten Tuberkulosefälle konnten nach mehreren Monaten guter Pflege als geheilt entlassen werden.
Während der beiden Weltkriege nutzte man die Beelitz Heilstätten als Lazarett und Sanatorium. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Rote Armee die Gebäude als Militärkrankenhaus, bis auch sie nach der Wende abzogen. Die Heilstätten zerfielen und waren bald Geschichte.
Längst schon ist dieser ehemalige lost place jedoch kein Geheimtipp mehr. Mittlerweile haben sich die Heilstätten in Beelitz zu einem angesagten Ausflugsziel entwickelt. Viele der alten Gebäude sollen renoviert und schick gemacht werden. Nur zwei der alten Häuser will man der Natur überlassen. Vermutlich wird Beelitz Heilstätten bald ein neue, teure Wohngegend für junge Besserverdiener.
Direkt hinter der alten Klinik liegt noch eine ganz andere Anlage mitten im Wald. Auf drei verschiedenen Wegen kann man hier ohne Schuhe an den alten Heilstätten vorbei spazieren. Der Barfußpark ist kein esoterischer Schnickschnack, auch wenn hier Kinder und Erwachsene barfuß durch den Wald tollen. Es ist eine gesunde Erlebniswelt für die Füße.
© Foto by Laura @herzanhirn
Meine Füße gewöhnen sich schnell an den weichen Waldboden. Immer wieder sind entlang der Wege Tast-, Hör- oder Riechspiele und kleine Beete angebracht, durch die wir laufen können, wenn wir wollen. Ich will und freue mich wie ein Kind, wenn es wieder etwas zu entdecken gibt. Und so laufen wir über große und kleine Kieselsteine, durch ein Wasserbecken, durch Schlamm und Moor, über Glasscherben, Kiefernzapfen und Bucheckern. Eine Überraschungsparty für die Füße!
© Foto by Laura @herzanhirn
Am Ende wartet sogar noch ein kleiner Kräutergarten auf uns. Da gibt es neben Thymian und Rosmarin auch Lakritz und Cola zu schnuppern.
Noch mehr Infos rund um Beelitz Heilstätten
Von der Landesversicherungsanstalt Berlin in Auftrag gegeben, wurde Beelitz Heilstätten 1905 eingeweiht. Die Kranken- und Rentenkasse hatte auf einem 140 Hektar großen Waldstück des Fläming in kürzester Zeit mehrere Gebäude errichten lassen. Zu Beginn boten Beelitz Heilstätten bereits 600 Betten für Lungen- und Tuberkuloseerkrante an. Später wurde die Anlage um weitere Pavillons mit noch mehr Betten erweitert, sodass heute insgesamt 60 Gebäude zu den Beelitz Heilstätten zählen. Ein unterirdisches Netz aus Tunneln, die gleichzeitig als Bunker dienten, verbindet die Gebäude miteinander.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Gefreite Adolf Hitler hier behandelt. Während der Zeit als russisches Militärkrankenhaus kamen auch Erich Honecker und seine Frau Margot in die Beelitz Heilstätten.
Beelitz Heilstätten Baumkronenpfad „Baum & Zeit“
Straße nach Fichtenwalde 13
14547 Beelitz-Heilstätten
Website: www.baumundzeit.de
Der Baumkpronenpfad beginnt auf dem 36 Meter hohen Aussichtsturm. In immer noch luftiger Höhe von 23 Metern spaziert man dann durch den Wald und zwischen den Gebäuden der ehemaligen Klink hindurch.
Eintritt
Erwachsene 9,50 Euro
Kinder 7-17 Jahre: 7,50 Euro
Kinder bis 6 Jahre und Geburtstagskinder zahlen keinen Eintritt.
Öffnungszeiten
Der Baumkronenpfad ist täglich ab 10 Uhr geöffnet. Im März schließt er um 17 Uhr, von April bis Oktober erst um 19 Uhr, dafür von November bis Februar schon um 16 Uhr.
Besondere Öffnungszeiten an Feiertagen, Preisnachlässe und andere Infos findest Du auf der Website.
Beelitz Heilstätten Führung
Neben dem Baumkronenpfad, den Du ganz allein laufen kannst, gibt es auch Führungen zu verschiedenen Themen. In Begleitung des Guide kannst Du dann die ehemaligen Labore, Küchen oder den alten OP Saal besuchen. Solche Führungen kosten 10 Euro pro Person und dauern circa eine Stunde. Eine Outdoor Führung kostet 7 Euro. Du kannst eine einfache Führung vor Ort buchen oder Dich für eine etwas ausführlichere Foto-Tour anmelden.
Super leckeren Apfelkuchen gibt es in dem kleinen Café des Barfußparks!
Der Barfußpark Beelitz Heilstätten
Straße nach Fichtenwalde 13
14547 Beelitz-Heilstätten
Website: www.derbarfusspark.de
Eintritt: Erwachsene 7 Euro, Kinder ab 4 Jahre 5 Euro. Preisnachlässe für Rentner, Familien etc. findest Du auf der Website.
Geöffnet ist der Barfußpark nur im Sommer, von Mai bis September, täglich zwischen 10 und 18 Uhr, an den Wochenenden bis 19 Uhr
Anfahrt mit der Bahn: Bahnhof Beelitz Heilstätten mit der RE7 aus Berlin oder Potsdam
Anfahrt mit dem Auto: A9 Abfahrt Beelitz Heilstätten
- Übrigens: Das, was da im Kräutergarten nach Cola duftet, ist Artemisia, eine Art der Eberraute. Nach Lakritz schmeckt eine ganz bestimmte Basilikumart. Das habe ich neulich erst in der Normandie gelernt.
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Pressereise, zu der wir vom Tourismusverband Fläming eingeladen wurden. Die hier dargestellten Ansichten sind wie immer unbezahlt und unbeeinflusst und drücken einzig und allein meine ganz persönliche Meinung aus.
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