Snowdonia:
Wir sind auf dem Weg zum Mount Snowdon, dem Yr Wyddfa, dem höchsten Gipfel des Gebirges. Der National Parc Snowdonia nimmt den größten Teil des nördlichen Wales ein. Anders als andere Naturparks ist Snowdonia ein bewohnter Park, denn als man diese spektakulären Landschaften in den fünfziger Jahren unter Schutz stellte, lebten hier bereits seit Jahrhunderten Menschen in ihren Dörfern und kleinen Städten.
Mike erzählt mir, dass der Berg Snowdon auf Walisisch Eryri heißt, was so viel wie “place of the eagles” bedeutet. Das klingt doch gleich viel poetischer als Snowdon (Schnee-Berg). Mit seinen 1.085 Metern ist der Mount Snowdon der höchste Berg in Wales. Er ist auch einer der beliebtesten Berge, denn man kann sogar mit einer alten Bahn bis ganz hinauf zum Gipfel fahren. Natürlich frage ich Mike gleich, ob ich das auch machen kann, aber leider ist die Fahrt wetterabhängig, und gerade heute ist der Himmel ziemlich zugezogen.
Dafür erzählt mir Mike, dass viele professionelle Bergsteiger, wie der Neuseeländer Edmund Hillary, den Snowdon als Übungsberg für die Besteigung des Mount Everest nutzen! Auch wenn sich offenbar viele Amateurbergsteiger und Wanderer auf den Weg zum Gipfel machen, hat der Snowdon es durchaus in sich. Es gibt eine gefährliche Stelle, einen schmalen Grat, den man passieren muss. Und wenn einen an genau dieser Stelle einer der häufigen Wetterumschwünge erwischt, kann das übel ausgehen.
Als wir an einer walisischen Flagge mit einem roten Drachen vorbeikommen, hat Mike wieder eine schöne Geschichte für mich. Er erzählt mir eine uralte Legende, die die Entstehung der walisischen Flagge erklärt:
Die Legende des Drachen:
Vor langer Zeit wollte ein walisischer König namens Gwrtheryn auf dem Gipfel des Berges Eryri eine große, uneinnehmbare Burg errichten. Doch was seine Leute tagsüber gebaut hatten, wurde des Nachts zerstört, sodass sie am nächsten Morgen wieder von vorn anfangen mussten. Der König war verzweifelt und fragte schließlich die Druiden um Rat. Die Druiden rieten ihm er müsse ein Opfer bringen, um den Berg zu besänftigen. Sie beschrieben ihm dieses Opfer auch gleich ganz genau. Ein Junge müsse es sein, dessen Blut den Berg zur Ruhe bringen werden. Zufälligerweise stimmte die Beschreibung haargenau auf einen jungen Zauberer namens Myrddin, oder auch Merlin, der den königlichen Ratgebern ein Dorn im Auge war.
Als Gwrtheryn Merlin zu sich rief, durchschaute der Junge den Plan sofort und überzeugte den König, dass er eine bessere Lösung für das Problem habe. Er erklärte ihm, dass in einem See unter dem Berg zwei Drachen lebten, die jede Nacht miteinander kämpften. Das bringe die Burg jede Nacht zum Einsturz. Merlin riet dem König den See trockenzulegen, dann würden auch die Drachen und mit ihnen auch die nächtlichen Beben verschwinden. Gwrtheryn befolgte Merlins Rat. Sobald er den See trocken gelegt hatte, stiegen ein roter und ein weißer Drache aus dem Berg auf und kämpften hoch oben in der Luft weiter. Die Drachen verschwanden und der König konnte endlich seine Burg bauen.
Merlin deutete auch gleich den Kampf der beiden Drachen. Der größere, weiße Drache symbolisiere die Angelsachsen, der andere etwas kleinere, rote Drache stehe für Wales. Zunächst sähe es zwar so aus, als könnten die übermächtigen Angelsachsen, also der weiße Drache, siegen, aber letztendlich werde der rote Drache gewinnen und dann werde Wales wieder frei sein.
Bwlch y Groes:
Mitten durch das Gebirge führt ein alter Pilgerweg nach Saint Davis, der Bwlch y Groes (Pass of the Cross). Mike und ich verlassen heute Snowdonia und nehmen diesen alten Kreuzweg, um in den Süden, an die Küste zu fahren. Mike meint, der Weg dauere zwar länger, aber dafür sei er viel schöner.
Und wie immer hat er natürlich recht. Die Landschaft um uns herum ist schon beeindruckend. Dazu kommt noch das verrückte Aprilwetter: An einem einzigen Tag fahren wir durch Regen, Hagel, Schnee und Sonnenschein! Während es anfangs in der Gegend um Bala noch grün und trocken ist, beginnt es plötzlich zu regnen und zu hageln, je höher wir auf diesem Pass kommen. Die enge, kleine Straße ist nicht für Gegenverkehr ausgelegt. Schließlich ist es ja auch ein alter Pilgerweg und keine Autobahn. Ich hoffe also, dass uns niemand entgegenkommt und genieße die Aussicht. Nur ein paar Schafe kreuzen unseren Weg.
Als wir oben an der höchsten Stelle des Bwlch y Groes ankommen, schneit es bereits richtige, große Flocken. Um uns herum ist nun alles Weiß. Die Aussicht fällt leider aus, weil das Tal im Nebel versinkt, aber dafür ist die Welt unter uns in Puderzucker getaucht. Das sieht auch so wunderschön aus.
Kaum fahren wir ein paar Meter weiter, wird es sofort wieder bunter. Gelb leuchtende Ginsterbüsche säumen unseren Weg und die Schafe grasen links und rechts auf ihren grünen Weiden.
Als wir nur wenig später am Strand von Ynyslas aus dem Auto steigen, scheint sogar die Sonne. Auf der anderen Seite der Bucht kann ich Aberdyfi in der Ferne erkennen. Aber wir wollen weiter in den Süden, wo Louise schon auf uns wartet …
Mehr Infos zu Snowdonia:
Website Nationalpark: www.eryri-npa.gov.uk
Bwlch y Groes, auch Hellfire Pass genannt, ist eine beliebte Herausforderung für Radfahrer: www.quaeldich.de
Visit Wales: www.visitwales.com
Dieser Artikel entstand im Rahmen eines Blogtrips mit Visit Wales. Besonders lieben Dank an Mike meinen Guide durch Snowdonia.
Schöner Bericht – schöne Fotos!
Danke sehr :-)!