Lina, meine Stadtführerin an der Algarve, begleitet mich heute wieder zu einem ganz besonderen Ort. Von Tavira aus geht es auf einer hübschen Landstraße vorbei an Orangenhainen nach Estoi. Die Igreja Matriz de Estoi wurde nach dem Erdbeben 1755, das neben Lissabon auch weite Teile der Algarve zerstörte, liebevoll wieder rekonstruiert. Für die Altäre und andere Dekorationen soll man das Holz alter Planken von Schiffen und Fischerbooten verwendet haben, erzählt Lina. Doch als wir dort ankommen, ist die Kirche leider geschlossen.

kirche estoi

Palast von Estoi

Unweit der Kirche geht es dafür durch ein Portal in die Gärten des Palácio de Estoi. Die können wir uns ansehen. Das alte Herrenhaus ist ein prachtvoller Bau aus dem 18. Jahrhundert. Eine Zeit lang befand sich die einstige Sommerresidenz einer wohlhabenden Familie in staatlichem Besitz, doch die Instandhaltung ist teuer und so beherbergt der Palácio heute ein Luxushotel. Die Gärten im unteren Teil der Anlage sind zum Glück noch öffentlich zugänglich und der Eintritt ist für alle gratis. Eine Allee führt zu einer Doppeltreppe, die über und über mit blauen Kacheln verziert ist.

blaue treppe palacio estoi algarve portugal

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In der Mitte befindet sich ein kleiner Raum, ähnlich einer Höhle, mit dem Brunnen der drei Grazien. Der kleine Raum ist über und über mit Muscheln und alten, römisch anmutenden Mosaiken dekoriert. Büsten von Kaiser Wilhelm und Kaiserin Auguste ruhen im Schatten der Palmen. Als ich Lina erstaunt und fragend anblicke, erklärt sie mir den Zusammenhang. Diese Verehrung des deutschen Kaiserpaars in einem portugiesischen Garten kommt daher, dass Maria II, vorletzte portugiesische Königin im 19. Jahrhundert Prinz Ferdinand von Sachsen-Coburg und Gotha heiratete. Die Dynastie Coburg-Braganza beherrschte das Königreich Portugal übrigens noch bis 1910.

Kaiser Wilhelm Büste Palacio Estoi
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Oben auf der Treppe angelangt, versperrt ein Tor den weiteren Weg. Ab hier braucht man einen Schlüssel, um näher an das Schloss zu gelangen. Nur Gäste des Hotels oder des Restaurants haben zu diesem Teil der Anlage Zutritt.
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Eingebettet in Orangen- und Zitronenhaine erstreckt sich ein französischer Garten neben einem geschickt in der Landschaft versteckten Anbau mit Swimmingpool. Ein aufmerksamer Blick auf den Boden zeigt wieder römische Mosaike. Vermutlich stammen auch einige der Säulen und andere Gartendekorationen aus den nahegelegenen Ruinen einer römischen Ausgrabungsstätte. In früheren Jahrhunderten kam es oft und überall in Europa zum Recycling schöner, alter Steine, die man irgendwo fand und beim Hausbau oder zur Verzierung der Gärten einfach mitnahm.

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Mit Blick auf die Ria Formosa und eine Allee alter Säulen lassen wir es uns auf der Terrasse des Hotelrestaurants schmecken.

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Ruinen von Milreu

Nach dem Essen besuchen wir die Ruinen von Milreu, eine archäologische Ausgrabungsstätte unweit von Estoi. Lange war man sich hier gar nicht bewusst, welche bedeutende Rolle einige Städte der Algarve schon in römischer Zeit gespielt hatten. Archäologen suchten lange nach der römischen Stadt Ossonoba. Als man an dieser Stelle Marmorsäulen fand, vermutete man die Siedlung hier in Milreu. Erst in den 40er Jahren fand ein deutscher Archäologe in Faro Überreste eines römischen Forums, der Beweis, dass Faro und nicht Milreu das gesuchte Ossonoba sein musste. Damit war klar, dass es sich hier um eine andere Siedlung oder ein großes landwirtschaftliches Anwesen handeln musste.

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Der Wasserreichtum dieser Gegend tat der Landwirtschaft gut und aber auch der Fischfang und die Verarbeitung von Fischprodukten, wie dem römischen Garum, gehörten damals sicher bereits zu den lukrativsten Geschäften der Algarve. Vielleicht bedankte man sich in dem Tempel bedeutenden Wassergöttern wie Neptun. Das würde die zahlreichen Fischmotive erklären. Die Ruinen von Milreu müssen das Anwesen eines wohlhabenden Patriziers gewesen sein, denn man fand neben den Wohn- und Wirtschaftsgebäuden auch einen kleinen Tempel, eine Ölmühle, eine Weinkelterei, Thermen mit Caldarium, Tepidarium und Frigidarium. Wahrscheinlich empfing der wohlhabende Hausherr adelige Gäste oder Geschäftsfreunde bei einem luxuriösen Bad in der Therme, ehe sie gemeinsam tafelten und sich von Sklaven und Bediensteten die leckersten Kostbarkeiten servieren ließen.

ruinen milreu estoi algarve portugal
Es ist schon beeindruckend zwischen den alten Mauern zu stehen, und das obwohl so viele Zeugen der Vergangenheit ins Museum nach Faro abtransportiert oder schon lange vor der Entdeckung des Archäologen von den Menschen der Gegend „recycelt“ wurde.

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Die Mauerreste des Ziegelsteinbaus sollen die Ruinen einer aus visgothischer Zeit stammenden christlichen Kirche sein. Davor kann man noch Mauern mit hübsch dekorierten Fisch-Mosaiken erkennen. Vielleicht kann man hier ja eines Tages auch mithilfe eines computeranimierten Programmes per Tablet oder Smartphone die Vergangenheit zumindest bildlich wieder auferstehen lassen. Das wäre mega schön, denn die Villa muss wirklich prachtvoll gewesen sein.

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Infos Estoi und Milreu

Wie fast immer auf meinen Reisen bin ich auch an der Algarve mit einem Guide unterwegs, weil ich dann einfach mehr über Land und Leute erfahre, als wenn ich ganz allein losziehe. Infos über meine Lieblingsstadtführerin, die auch tolle Wanderungen und Naturspaziergänge organisiert, findest Du hier reiseleitung-portugal.com/lina-santos/

Ruínas de Milreu
Estoi
8000 Faro
monumentosdoalgarve.pt
Wikipedia hat den Ruinen einen ganz ausführlichen Artikel gewidmet: wikipedia.org/wiki/Milreu

Der Eintritt kostet 2 Euro (Stand 2022). Öffnungszeiten:  9.30 bis 12.30 Uhr und 14 bis 17 Uhr (in den Sommermonaten bis 18 Uhr)
Einen echt guten, ca. 12 Min. langen Video mit Erklärungen (in portugiesischer Sprache) findest Du auf dieser Seite https://ensina.rtp.pt/artigo/villa-de-milreu-os-romanos-no-algarve/ Ungefähr bei Minute 5 und 10 werden Modelle des Tempels und des Tricliniums gezeigt, damit man sich die Anlage besser vorstellen kann.

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Nur 8 km vor den Toren Faros liegt das Luxushotel, die Pousada Palácio Estoi:
Rua de São Jose
Estoi
8005-465 Faro
pousada-estoi

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Der Bereich der Aufenthaltsräume und die ehemalige Küche sind zwar ein wenig kitschig, aber total schön erhalten. Zum Restaurant geht es durch die ehemalige Küche, wo man noch alte Klingelknöpfe und originale Kacheln bestaunten kann.

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