Es gibt ein Fleckchen Erde, an dem die altnordischen, keltischen und schottischen Kulturen aufeinandertreffen: die Isle of Skye. Die Geschichte ihrer Besiedlung im Laufe der Jahrhunderte, ihre mystisch verzauberten Landschaften und die frische Meeresluft machen sie zu einer ganz besonderen Insel.

Nachdem ich den West Highland Way in Fort William beendet hatte, wollte ich eigentlich im Anschluss noch den Great Glen Way wandern, der von Fort William nach Inverness führt. Der schottische Juli schien aber nicht ganz so freundliches Wetter mit sich bringen zu wollen, und da ich bereits eine Woche lang mit nassen und feuchten Klamotten, Schuhen und Campingausrüstung über 150 Kilometer gelaufen war, brauchte ich eine Auszeit.

Lina auf dem Kuestenweg Skye Trail

Also entschloss ich mich stattdessen, zwei Tage auf der Isle of Skye zu verbringen. Von Fort William aus hätte ich die Bahn bis Mallaig nehmen können, die über das aus Harry Potter bekannte Glenfinnan Viadukt fährt. Doch anschließend hätte ich noch eine Ferry nehmen müssen und das wäre insgesamt teurer geworden, als der Bus, der von Fort William aus über die Skye Bridge auf die Insel fährt.

Broadford

Ich komme in Broadfort an. Dieser kleine Ort liegt ganz im Süden der Insel. Mehr als eine Apotheke, eine Tankstelle und zwei kleine Läden scheint es hier nicht viel zu geben. Einer der Läden heißt ‘Selkie Collective’. Er bietet handgemachte, nachhaltige Souvenirs und Unverpacktwaren. Was ein Selkie ist, weiß ich aus einer Geschichte, die ich bei meinem letzten Besuch in Schottland hörte. Diese Sagengestalten, halb Frau, halb Robbe, die in der nordischen und keltischen Mythologie vorkommen, tragen einen weißen Mantel, den sie ablegen können, um menschliche Gestalt anzunehmen. Ich bin gespannt, welchen magischen Fabelwesen ich auf der Insel begegnen werde.

Fischerboot in Broadford

Strand in Broadford

Ich spaziere ein wenig herum. Es wirkt sehr ruhig. Kleine Fischerboote liegen im Watt verankert und sehen aus, als hätten sie ihre besten Jahre schon hinter sich. Die Möwen schreien hungrig und fliegen tief. Zwischen den gestrandeten Seealgen scheint es Futter zu geben. Niemand hat es hier eilig. Von der Promenade aus blickt man auf das Meer und die bergige Landschaft im Horizont. Auch die Skye Bridge, die die Insel mit dem Festland verbindet, ist zu erkennen. Es ist ein einfaches, kleines Fischerdorf.

Highland Schafe auf Skye

Ich spaziere noch ein wenig weiter, entferne mich vom Dorf und finde einen kleinen Weg, der mich zu einer Wiese mit gelangweilten Schafen führt, die sich kein Stück regen, als ich näher komme. Es ist windig. Für mich, ein heftiger Kontrast zu meiner gewohnten Umgebung und der Inbegriff des Nordens: grauer Himmel, etwas frisch, aber alles ist ruhig und gelassen.

Am Abend kehre ich ins Hostel ein und bereite mich auf den morgigen Tag vor.

Portree

Es ist noch früh, als ich mit dem Bus in Portree ankomme. Portree ist die Hauptstadt von Skye, aber nicht viel größer als Broadford. Morgens um acht ist die Luft noch schläfrig. Es gibt nur einen kleinen Platz mit viel Busverkehr. Wer kein Auto gemietet hat, kann die Insel sonst nur mit dem Bus erreichen. Ein paar Cafés und Andenkenläden finden sich nahe dem kleinen Hafen mit seinen fünf pastellfarbenen Häuschen, die hier dicht aneinandergereiht stehen. Der Ort ist groß genug, um einen Nachmittag hier zu verbringen, aber wohl nicht viel mehr.

Blick auf den Hafen von Portree

Hafen von Portree

Angeblich wurde Portree im 18. Jahrhundert zu einem wichtigen Ausgangspunkt für die Einwanderung der Schotten auf den neuen Kontinent. Viele der schottischen Schiffe, die das Festland verließen, um die Neue Welt zu entdecken, hielten vorher in Portree, um Vorräte zu laden, ehe sie sich auf den weiten Ozean wagten, und hoffentlich nach Amerika zu gelangen.

In Portree steige ich erneut in einen Bus, um einen gewissen ‘Alten Mann’ zu besuchen.

Der Old Man Of Storr und Needle Rock

Etwa 14 km nördlich von Portree liegt eine der Hauptsehenswürdigkeiten dieser Insel. Der Old Man of Storr. Dieser ‘Alte Mann’ ist eine ganz besondere Felssäule, die vor Millionen Jahren durch vulkanische Aktivität entstand. So wie auch ein großer Teil der Landschaft der Trotternish Ridge (so heißt die nördlichste Region der Insel) , entstand der Old Man of Storr aus einer Reihe von Lavaströmen, die aus Erdspalten hervorbrachen. Während der Eiszeit war das gesamte Gebiet unter Gletschereis begraben. Die jüngsten Erdrutsche sind einfacher zu erkennen – sie sind gezackter und haben markante Gipfel, so wie der Old Man of Storr und der Needle Rock. Diese beiden rutschten mit der Zeit von den Hauptklippen ab.

Old Man Storr Panoramablick

Felsen vom Old Man of Storr auf Skye

Die Legenden um den Old Man of Storr sind unzählig. Manche erzählen von einem Riesen, der dort begraben liegt, andere von einem Liebespaar, das von Feen in Form eines Felsens verewigt wurde. Beim Anblick der dichten, weißen Nebelwolken, die sich auf diese spitzen schwarzen Formen legen, beim Klang des Windes, der durch die Löcher in den Felsen heult, ist es kein Wunder, dass unzählige Sagen von all den Fabelwesen handeln, die hier leben sollen. Es ist der Zauber des rauen Schottlands, der diesen Ort selbst an einem klaren Tag so mystisch macht.

aufstieg zum old man storr

blick von oben old man storr

Der Anstieg vom Carpark aus ist zwar an einigen Stellen steil, aber ungefährlich. Der Weg hinauf ist auch nicht sehr lang. Bei jedem Schritt wird der Ausblick prächtiger. Hinter mir, die Lochs, die Berge, die Klippen, das Meer, die Inseln. Jeder Schritt enthüllt noch mehr Landschaft zum Erstaunen. Langsam habe  ich das Gefühl, ich könnte von hier oben bis zum Nordpol sehen. Vor mir erstreckt sich dieser dramatisch aussehende, dunkle, zackige Felsriese in den Himmel. Es kommt mir beinahe so vor, als würde ich gleich Mordor betreten.

Old Man of Storr in Schottland

Skye Trail – Vom Storr bis Portree

Um vom Storr wieder wegzukommen, nehmen die meisten Leute den Bus zurück nach Portree. Irgendwo habe ich gelesen, dass es auch einen Wanderweg gibt. Ich werde zwar darauf hingewiesen, dass es ein langer Weg ist (ca. 14 km), für den man ungefähr vier Stunden braucht, aber davon lasse ich mich nicht abschrecken. Der Tag ist zu schön, um nicht zu wandern, und das passiert nicht oft hier in Schottland.

Von Storr bis Portree wandern auf Skye

Anfangs finde ich den Weg nicht, denn es gibt absolut keine Ausschilderung. Ich habe nur eine App mit einer Route, deren Anfang ich aber nicht finde. Als ich kurz davor bin, umzukehren, treffe ich ein Ehepaar aus Bremen, das mit Wanderstöcken bewaffnet denselben Weg bis nach Portree gehen möchte. Sie erzählen mir vom Skye Trail, einem inoffiziellen Fernwanderweg, der die Insel von Norden nach Süden durchquert. Es sei eine etwas anspruchsvolle Route, kaum beschildert und einige Pfade seien nicht klar zu erkennen. Eine der Etappen des Skye Trail ist der Weg vom Storr bis Portree, der an den Klippen der Trotternish Ridge-Küste entlangführt.

Fernwanderer auf dem Skye Trail in Schottland

Nachdem wir zu dritt den Anfang des Trails gefunden haben, sind die ersten Kilometer sehr sumpfig und uneben. Der Pfad ist nur schwer zu erkennen und es ist fast unmöglich, die Füße trocken zu halten. Manchmal kann man nicht genau unterscheiden, wo Menschen und wo Vieh Spuren hinterlassen haben. Danach wird das Gelände etwas steiler, aber der Ausblick ist in alle Himmelsrichtungen schön. Auch die Schafe wissen das, und grasen hier oben, mit Blick aufs Meer.

Fernwandern in Schottland - Portree in Aussicht

Letzte Kilometer vor Portree

Die letzten Kilometer vor Portree nimmt der Pfad wieder eine klare Form an. Ein steiniger Weg führt zurück in die von Menschen bewohnte Welt. Als wir ins Dorf kommen, werde ich mit einem Postkartenblick auf den Hafen beschenkt. Mein letzter Tag hier, und die Sonne scheint. Das Licht lässt die pastellfarbenen Häuser bunt leuchten.

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