Im Kindergarten hatte ich ein Lieblingsbuch, mein allererstes, heiß geliebtes „Mikosch der kleine Zauberesel“ – Buch. Dazu passend hatte ich ein Lieblingsstofftier, einen Esel namens „I-A“. Im Laufe der Zeit ist meine Eselsliebe leider etwas in den Hintergrund gerückt, weil andere Dinge beim Älterwerden irgendwie wichtiger waren. Dabei sind sie doch so niedlich. Ein Freund von mir hat auch als Erwachsener seine Leidenschaft für die langohrigen Grautiere nicht verloren. Und hier in Barcelona sind sowieso fast alle Katalanen ausgesprochene Esel-Fans. Wollt Ihr wissen, warum?
Mit dem Esel hat es nämlich folgende Bewandtnis: Zum einen gibt es eine bestimmte Sorte des gemeinen Hausesels, den „Katalanischen Esel“. Um die Schnauze und die Augen herum ist sein Fell weiß, das restliche Fell ist eher braun-schwarz. Seine Ohren stehen immer frech in die Höhe und er ist im Vergleich zu anderen Eseln ein ziemlich schwergewichtiger Vertreter seiner Rasse.
Historisch bedingt war der Großteil der katalanischen Bevölkerung viele Jahrhunderte lang eher ländlich orientiert. Große Siedlungen oder Städte gab es nur wenige im unabhängigen Fürstentum Katalonien. Die politische Macht der iberischen Halbinsel konzentrierte sich zunächst in Toledo, später dann in Madrid. Auch nach der traumatischen Eroberung Kataloniens 1714 konzentrierte sich das Leben der meisten Katalanen auf die Bewirtschaftung der Felder und Äcker in ihren abgelegenen Dörfern, weit weg vom Königshof in Madrid. Bei der Frage nach den Wurzeln der kulturellen Identität kommt der Landwirtschaft in Katalonien eine wichtige Bedeutung zu.
In den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelte sich dank eines sehr erfolgreichen Marketinschachzugs eines berühmten Cognacfabrikanten ein schwarzer Stier zum Symbol ganz Spaniens: Der Osborne Stier stand und steht teilweise noch heute, als riesige schwarze Werbe-Silhouette am Rande der Autobahnen. Ganz Spanien – nein! Ein kleines Volk im Norden der Halbinsel wehrte sich nicht nur gegen den Stier, sondern präsentierte auch einen Gegenentwurf, den katalanischen Esel.
Seit ein paar Jahren erfreut sich die Silhouette des braunen Grautiers einer immer größeren Beliebtheit. Als Autoaufkleber ziert der katalanische Esel nun unzählig viele Autos und wird auch als Andenken, auf bedruckten T-Shirts, Aufklebern oder als mehr oder weniger nützliches „Stehrümchen“verkauft.
Die Katalanen identifizieren sich irgendwie mit den typischen Eigenschaften dieser seltenen gewordenen Rasse des „Katalanischen Esels“: Esel gelten als störrisch, trotzig, ungehorsam, aber auch als stark, sehr belastbar und unbeugsam. Ein Esel kann lange Zeit ohne Wasser und Futter auskommen (länger als ein Pferd jedenfalls), man kann einen Esel reiten oder ihn als Packtier nutzen, und das sogar in den Bergen, denn den Eseln wird nicht so schnell schwindelig wie den edlen, aber viel empfindlicheren Pferden.
Der ruc oder burro, wie Esel hier heißt, ist also zu so etwas wie einem inoffizielles Symbol Kataloniens geworden.
Jens, Du musst jetzt mal kurz weggucken! Dieser Esel wird nämlich gleich eingepackt und fliegt nach Hamburg 🙂
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