Die unschuldig wirkenden grünen Hügel des Naturparks La Garrotxa verbergen ein heißes Vorleben. Vor Tausenden von Jahren spuckten diese kleinen Vulkane ihre Lava in den Himmel. Auf einem der erloschenen Lavaströme ist im Laufe vieler Jahrhunderte ein besonderer Wald gewachsen. Ein stiller, kleiner Buchenhain, La Fageda d‘en Jordà. Dort will ich heute wandern. Auf dem Parkplatz in der Nähe von Santa Pau treffe ich mich mit Beth. Sie ist mein Guide durch den Naturpark und zeigt mir die Vulkane ganz aus der Nähe.
Auf den Feldern und Wiesen durch die wir zunächst spazieren, herrscht eine üppige Vielfalt. Bunte Schmetterlinge flattern immer wieder vor unserer Nase herum. Sie scheinen die unberührten Naturlandschaften zu lieben. Neben Schwalbenschwanz und Zitronenfaltern flattern hier die fast orange leuchtenden Kleopatra-Falter, die wunderschönen Segelfalter oder die C-Falter, mit dem verräterischen weißen C auf der Unterseite der Flügel durch die Gegend. Besonders spannend finde ich, dass Schmetterlinge offenbar in mehreren Generationen migrieren. Beth erklärt mir, wie das funktioniert.
Wenn zum Beispiel ein Schmetterling in Afrika losfliegt und tapfer über das Mittelmeer flattert, kommt er vermutlich maximal bis Nordspanien. Hier legt er dann seine Eier ab. Sobald die nächste Generation schlüpft, nehmen die jungen Schmetterlinge den Weg wieder auf und fliegen weiter Richtung Norden. Irgendein innerer Kompass scheint ihnen den Weg vorzugeben, als sei er in ihren Genen einprogrammiert. Im Norden legen sie dann ihre Eier ab und die neuen Generation fliegt dann wiederum gen Süden. Ein mehrere Generationen umfassendes Migrationsprojekt!
Die große Zahl unterschiedlicher Insekten die hier leben, zieht natürlich auch Migrationsvögel an, die auf ihren langen Wanderungen hier Rast machen. Lässt man den Blick über die fruchtbaren Felder und Wiesen schweifen, sieht man überall niedliche grüne Hügel. Die ganze Gegend ist voll davon. So im Vorbeigehen ahnt man kaum, dass sich unter diesen Hügeln einst Feuer speiende Berge befunden haben. Immerhin ist es schon über zehntausend Jahre her, dass der letzte Vulkan ausgebrochen ist. Genügend Zeit für die Natur, alles unter einer Pflanzendecke aus grünen Bäumen und Sträuchern zu verstecken.
Beth erklärt mir, woran man erkennen kann, ob es sich bei so einem Hügel wirklich um einen Vulkan handelt, der dort verborgen liegt. Mein erster Gedanke ist natürlich, nach einem Krater zu suchen. Doch da diese Vulkane schon so lange „inaktiv“ sind (Beth betont an dieser Stelle, dass sie zwar nicht aktiv, aber auch nicht erloschen sind!), kann man ihre Krater nur noch schwer erkennen. Der einzige sichere Weg einen Vulkan zu identifizieren, sei das Gestein selbst. Während das noch heiße Magma im Vulkan rot ist, verändert sich die Farbe beim Austritt durch den Kontakt mit der Luft. Dann wird die Lava durch Abkühlung fast schwarz.
Wusstest Du eigentlich, warum die Korkeiche diese dicke Rinde produziert, die wir Menschen benutzen, um Sektflaschen damit zu verschließen? Die Rinde der Korkeiche ist ihr Schutz vor Feuer! Wenn es im Wald brennt und alles verkohlt ist, fällt diese dicke Schutzschicht ab und der Baum darunter kann weiterleben. Kork ist wie ein Brandschutzanzug des Baumes!
Beth berichtet, wie die Bewohner der Gegend in den siebziger Jahren auf die Barrikaden gestiegen sind, um ihre Landschaften zu schützen. Aufgrund der zahlreichen Proteste wurde 1982 La Garrotxa schließlich zum Naturpark erklärt.
Die Vulkane: El Croscat und andere
Mittlerweile sind wir auf unserer kleinen Wanderung am Croscat, dem jüngsten der Vulkane hier angekommen. Von Weitem erinnert der fast 800 Meter hohe Vulkan Berg an einen Geburtstagskuchen, bei dem ein Stückchen der Torte fehlt. Viele Jahrzehnte hindurch benutzte man den Croscat nämlich als Steinbruch und baute hier Granulat für Gartenbeete oder zum Straßenbau ab. Der tiefe Einschnitt in das Innenleben des Vulkans hat den Croscat zwar verändert, aber nicht zerstört. Geschickt hat man diese offene Stelle des Vulkans genutzt und eine Art Naturmuseum eingerichtet.
Die verschiedenen Ebenen des Schichtvulkans sind gut zu erkennen. Anhand der verschiedenen Schichten, wie und wo sich welche Gesteine abgelagert haben, konnten die Wissenschaftler nachvollziehen, wie die Explosion des Croscat verlaufen sein muss. Während in der ersten Phase der Eruption vorwiegend feiner Staub gespuckt wurde, flogen in der zweiten Phase dicke Gesteinsbrocken wie Geschosse durch die Luft. Diese flogen jedoch nicht so weit wie der feinere Staub und gingen näher am Fuß des Vulkans nieder, sodass eine typische Kegelform entstand. In der dritten Phase schließlich brach ein Lavastrom seitlich durch und brachte den Krater zum Kippen. So entstand die heutige U-Form des Croscat. (Kann man am besten von oben sehen)
La Fageda d‘en Jordà
Auf dem Lavastrom, der vor so unendlicher langer Zeit aus der Seite des Vulkans ausgebrochen ist, wuchs im Laufe der Jahrtausende ein ganz besonderer Wald. La Fageda d’en Jordà nennen die Einheimischen den kleinen Buchenhain.
Man spürt sofort die Veränderung. Sobald man den Fageda d‘en Jordà betritt, herrscht eine auffallende Stille. Keine Autos sind hier zu hören, keine Vögel zwitschern, nichts. Behutsam fällt das Sonnenlicht durch ein dichtes Blätterdach der Buchen. Im Gegensatz zu der reichen Flora und Fauna der Felder und Wiesen rings um die Vulkane, findet man hier nur Moos auf den zahlreich herumliegenden Felsbrocken und Steinen.
Nur die besondere Bauweise der Buchen erlaubt diesen schlanken Bäumen hier prima zu gedeihen. Die Blätter wachsen weit vom Stamm abstehend und spenden Schatten. An dem glatten Stamm kann das Regenwasser direkt am Baum zu Boden fallen und sickert so in der Nähe der Wurzeln in die Erde ein. Der steinige Untergrund des Lavastroms macht es den Wurzeln der Bäume nämlich nicht gerade leicht, an das Grundwasser zu gelangen.
Weil hier außer den schlanken Buchen mit ihrem hohen Blätterdach relativ wenig wächst, ist es für Insekten und Vögel natürlich schwierig, in so einer kargen Umgebung zu überleben. Die Fageda d‘en Jordà ist kein Ort, an dem Vögel nisten. Nun verstehe ich auch, woher diese andächtige Stille in dem kleinen Buchenhain kommt. Unwillkürlich hat man hier das Bedürfnis die Stimme zu senken und zu flüstern.
Wir Menschen empfinden diese Ruhe als angenehm und friedlich. Beth vermutet, dass auch die feingliedrigen, geraden Stämme der Buchen ein Gefühl von Ordnung vermitteln, das uns Sicherheit gibt. Der Hain ist übersichtlich und ich habe das Gefühl ziemlich weit in den Wald hinein sehen zu können. Kein dichtes Gestrüpp oder dunkle Büsche, hinter denen Gefahr lauern können. Dieser Buchenhain hat auf jeden Fall etwas sehr vertrauenserweckendes. Hier fühlt man sich einfach geborgen.
Restaurant Can Xel
Zum Mittagessen kehren wir in einem Restaurant am Wegesrand ein. Es scheint bei den Einheimischen ein beleibtes Ausflugslokal an den Wochenenden zu sein. Beth hat mich hierher geführt, weil das Restaurant sich der vulkanischen Küche verschrieben hat. Man hat sich darauf spezialisiert, traditionelle Gerichte mit Produkten aus der Gegend zu kochen. Zunächst bin ich etwas skeptisch, denn der Speisesaal ist so enorm groß, dass mehrere Busladungen an Essensgästen hier gleichzeitig Platz nehmen können. Abgetrennt in mehrere, kleinere Speiseräume hat man zum Glück jedoch nicht das Gefühl sich in einer Masse zu befinden.
Als dann das Essen kommt bin ich total positiv überrascht. Regionale Küche, absolut lecker und liebevoll gekocht! Natürlich müssen wir die Spezialität aus Santa Pau bestellen: Fesols. Die kleinen weißen Bohnen, sind ein herkunftsgeschütztes Produkt. Nur wenn sie auf ganz bestimmten Äckern wachsen, dürfen sie sich Fesols de Santa Pau nennen. Die Menge echter Fesols, die im Jahr geerntet werden können, ist also durchaus begrenzt. Doch die Einheimischen schwören, den Unterschied zwischen ihren Fesols und anderen Bohnen zu schmecken! Offenbar macht die fruchtbare Vulkanerde diese Bohnen irgendwie feiner und zarter als „normale“ weiße Bohnen.
Zum Nachtisch erfahre ich dann noch die Geschichte eines besonderen Joghurts.
Iogurt La Fageda – ein nachhaltiges soziales Projekt
Noch bevor der Buchenhain zu einem Naturpark erklärt wurde, baute man in der Ruhe des Waldes ein Zentrum, in dem Menschen mit „speziellen“ geistigen Fähigkeiten eine Arbeit und eine Aufgabe finden sollten. Das Projekt war sehr erfolgreich und wuchs schnell. Bald begann man einen hochwertigen Joghurt zu produzieren, der Iogurt de la Fageda war geboren. Dieser gemeinnützige Betrieb ist eine Kooperative, in der die Menschen, die hier arbeiten, ein Mitbestimmungsrecht ausüben und selbst bestimmen dürfen, wie es mit der Fabrik weitergeht. Ein mehrfach ausgezeichnetes Projekt und ein sehr guter Joghurt!
Infos Vulkane und Naturpark:
Der Naturpark La Garrotxa La Fageda d’en Jordà liegt in der Nähe von Olot, unweit der Costa Brava.
Der katalanische Dichter Joan Maragall hat schon vor vielen Jahren diese besondere Atmosphäre des Buchenhains in Versform gebracht und ein Gedicht namens La Fageda d’en Jordà geschrieben.
Beth Cobo ist Guide bei trescalia.com und kennt nicht nur die Wanderwege in und um La Garrotxa, sondern weiß alles über Schmetterlinge und Orchideen!
Restaurant Can Xel
Ctra. Santa Pau, S/N
17811 Santa Pau
Website www.canxel.com
Joghurt – Website: www.fageda.com
Diese Wanderung fand im Rahmen eines Projekts von Katalonien Tourismus statt. Meine Geschichte erzähle ich hier aber völlig unabhängig davon, einfach weil ich es sehr, sehr spannend fand und das Erlebnis mit Euch teilen möchte.
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