Eigentlich heißt der Stadtteil ja gar nicht „el Born“ sondern „barri de la Ribera“. El Born ist genau genommen nur ein Teil des Stadtteils, zu dem auch Santa Caterina gehört. Überhaupt ist der Begriff „Altstadt“ in Barcelona irgendwie nie ganz richtig, denn es gibt mehrere, sehr unterschiedliche Viertel, die alle zur alten Stadt Barcelonas zählen. Da gibt es zum Beispiel das berühmte Barrio Gotico, das lange verrufene Viertel El Raval oder eben el Born. Und dann gibt es auch noch Gracia, neben Born eines der beliebtesten Wohnviertel der Studenten. Gracia zählt aber nicht wirklich zur Altstadt, weil es bis vor rund hundert Jahren noch ein eigenständiger Ort war, den man von Barcelona aus über den Spazierweg „Paseo de Gracia“ erreichen konnte.
Aber zurück zum Born. Das Viertel ist nicht nur mein Lieblingsviertel. Vor ein paar Jahren schon, hat ein wahrer Boom eingesetzt und immer mehr Künstler und Studenten haben diese Gegend für sich entdeckt, gefolgt von schicken Cafés und angesagten Designerläden. Aber auch im Born gibt es bereits Touristenströme, meist beschränken die sich aber auf die Wege rund um den Passeig del Born.
In die kleinen, engen Gassen verlaufen sich nur wenige Touristen. Meist ist es recht kühl und dunkel, und es gibt auch nicht viele Läden. Während ich gerade durch die Carrer dels Sombrerers bummle, treffe ich nur ein einziges Pärchen. Die beiden sind Asiaten, eindeutig Touristen, denn während sie rechts die Häuserfronten betrachtet, geht sein Blick nach oben, zu den wäschebehangenen Fenstern auf der rechten Seite der Gasse. Es sieht lustig aus, wie die beiden Hand in Hand, aber jeder in eine andere Richtung blickend, sozusagen jeder für sich, die Stadt entdecken.
Die Straßenschilder verraten, dass viele der alten Gassen nach bestimmten Berufsgruppen benannt worden sind. Die Handwerker lebten und arbeiteten nämlich „sortiert“, in bestimmten Straßenzügen. Also alle Schmiede, alle Schneider, alle Sattelmacher etc. möglichst in einer Straße. Die Zünfte hatten so einen guten Überblick, was ihre Schäfchen so trieben und auch die Kunden mussten nicht lange suchen. Sie konnten Qualität und Preise der Waren besser vergleichen. Selbst Fremde fanden sich in diesem Straßensystem schnell zurecht. Das war doch sehr kundenfreundlich gedacht, oder? 🙂
In einer, dieser kleinen Straßen, direkt hinter der Kirche Santa Maria del Mar, befindet sich einer der ältesten Kolonialwarenläden Barcelonas: La Casa Gispert. Wer über die Türschwelle des Ladens tritt, macht eine kleine Zeitreise, ehrlich! Es duftet nach frisch geröstetem Kaffee und in den Regalen werden Delikatessen angeboten, wie vor hundert Jahren. Wie immer, wenn ich im Born unterwegs bin, kaufe ich mir eine Tüte Nüsse, auch frisch geröstet.
Etwas weiter, an einer Straßenkreuzung des Carrer Miralles, blickt ein Frauenkopf auf die Passenten herab. Das war früher auch eine Art Straßenschild: Es war ein Hinweis auf das älteste Gewerbe der Welt. Das konnten auch Analphabeten verstehen. In dieser Straße fanden Matrosen, Kaufleute oder Bauern, die gerade auf dem Markt in der Stadt waren, Frauen, die ihre Dienste als Huren anboten.
Kennst Du das Buch „Die Kathedrale des Meeres“? Es erzählt die Geschichte der Entstehung der größten und bekanntesten Kirche des Viertels, Santa Maria del Mar. Im Mittelalter befanden sich die Friedhöfe noch direkt neben den Kirchen, also mitten im Ort. Einer dieser Friedhöfe der Santa Maria del Mar war der fossar menor oder fossar de les moreres. Direkt gegenüber des Hauptportals lag ein weiterer Friedhof, fossar major, der im Laufe der Zeit aber aufgrund der Enge innerhalb der Stadtmauern, neuen Häusern und Wohnungen für die Einwohner Barcelonas weichen musste.
Gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts begann man überall im Land, die Verstorbenen außerhalb der Stadtmauern zu beerdigen. Meist aus hygienischen Gründen. Die freigewordenen Flächen im Zentrum wurden überbaut. In den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts erinnerte man sich in Barcelona der historischen Bedeutung dieses ehemaligen Friedhofs: Hier lagen nämlich die Toten, die bei der Verteidigung der Belagerung der Stadt 1714 gefallen waren, begraben.
1714 ist für alle Katalanen eine sehr wichtige Jahreszahl. Jedes Jahr am 11. September feiert Katalonien den Tag, an dem sich die 1714 verlorene Schlacht um Barcelona jährt. Ich dachte immer, kein anderes Volk würde den Tag einer solchen Niederlage zum Feiertag erklären, aber dann fiel mir ein, dass der 17. Juni ja auch ein trauriger Gedenktag der Deutschen Einheit war, bis er durch den freudigen 3. Oktober ersetzt wurde.
Jedenfalls ist die Fossar de les Moreras heute eine Gedenkstätte. Die „Ewige Flamme“ erinnert an die Verstorbenen und an die traurige Schlacht um Barcelona, mit der der spanische Erbfolgekrieg auch für die Katalanen ein Ende fand. Auf der Mauer sitzen heute, wie immer, jede Menge Leute. Es ist eine Art Treffpunkt, den viele Jugendliche und Passanten auch ganz praktisch, einfach als Sitzbank nutzen.
Vor dem spanischen Erbfolgekrieg war das Viertel der Seeleute und Händler noch doppelt so groß wie heute. Die Hälfte des Stadtteils musste nach der verlorenen Schlacht dem Bau einer militärischen Festung weichen. Um die aufmüpfigen Einwohner Barcelonas besser unter Kontrolle halten zu können, ließ der bourbonische König Felipe V. nämlich eine riesige, militärische Festung errichten, die Ciutadela. Alte Häuser wurden einfach abgerissen, die Bewohner verjagte man. Kein Wunder also, dass die Ciutadela das meistgehasste Bauwerk der Stadt war. Erst 1868 wurde diese Festung wieder eingerissen. Heute ist nicht mehr viel davon zu sehen. An ihrer Stelle erstreckt sich die grüne Lunge Barcelonas: der Parc de la Ciutadela, mit Zoo und Wintergarten.
Weiter nördlich im Born Viertel, ganz in der Nähe des Mercat Santa Caterina, erstreckt sich an der Carrer Jaume Giralt ein freier Platz zwischen den Wohnhäusern. Dieser Platz ist für mich etwas ganz Besonderes, ein Beispiel für das soziale Engagement der Anwohner. Viele alte Häuser um das Forat de la Vergonya (Schandfleck) herum, sollten in den achtziger Jahren abgerissen werden. Immobilien- und Baufirmen wollten neue, schicke Wohnungen bauen.
Die Anwohner, die hier bereits seit Jahrzehnten lebten und noch relativ günstige Mieten zahlten, waren meist ärmere, einfache Leute, viele Rentner und Arbeitslose. Sie wehrten sich gegen die Baupläne. Die geplanten, neuen Wohnungen hätten sie sich nicht leisten können. Wären die Pläne umgesetzt worden, hätten sie in weit entfernte Vororte ziehen müssen. Aber ihr Kampf war erfolgreich. Die Bebauungspläne wurden geändert und der Platz konnte von den Bewohnern selbst gestaltet werden. Neben einem Spielplatz für die Kleinen haben sie sich in gemeinschaftlicher Arbeit sogar einen kleinen Garten angelegt.
Und was es sonst noch so im Born zu sehen gibt:
Der Mercat del Born war früher der Markt des Viertels. Bei Renovierungsarbeiten stießen die Arbeiter aber auf archäologische Fundstücke. Eine kleine Katastrophe. Die Bauarbeiten wurden gestoppt und die Pläne zur Renovierung des Markts platzten schlichtweg. Stattdessen konnten in jahrelanger Arbeit ganze Straßenzüge aus der Zeit vor der Schlacht um Barcelona (1714) freigelegt werden. Letztes Jahr wurde der ehemalige Markt dann als Kulturzentrum und Museum wiedereröffnet. Ich war schon dort und fand es sehr beeindruckend. Leider hatte ich aber keine Zeit für eine Führung, das werde ich unbedingt noch mal nachholen.
Obst und Gemüse gibt es im Born jetzt also auf dem Markt Santa Caterina, mein Lieblingsmarkt übrigens. Er ist etwas kleiner, aber viel, viel schöner als die Markthalle Boqueria (meine Meinung). Auch hier gibt es übrigens eine kleine, archäologische Fundstätte. Das beste hier ist aber, neben den Marktständen selbst natürlich, das schrille, bunte Dach.
Richtung Via Laetana steht der Palau de la Musica, ein buntes Zeugnis des Modernismus im dunklen Altstadtviertel. Die meisten modernistischen Bauten entstanden nämlich im neuen Eixample Viertel, nachdem die mittelalterliche Stadtmauer gefallen war. In den engen Gassen der alten Stadtteile sind daher nur wenige der für Barcelona so typischen Bauten des Modernisme zu sehen.
– Und dann gibt es noch das Picasso Museum, den Arc de Triomf, das Schokomuseum, die Estaciò de França, la Lotja, el Xampanyet, …
Hej Nicole, was für tolle Beschreibungen und Fotos, würde am liebsten direkt losfahren und „deine“ Wege entdecken!! Freu mich auf´s nächste Mal Barcelona!!
Hej hej! Sag auf alle Fälle Bescheid, wenn Du mal hier bist! 🙂
Hey Nicole, tolle Bilder, Hut ab!
Verfolge immer gerne deine Einträge über Barcelona 😉
LG, bald bin ich auch wieder da!!!
Danke! so ein Kompliment von einem Profi !!! 🙂 Wann kommst Du denn? Zeit für einen Café??