El Capricho ist eines der wenigen Bauwerke, die Antoni Gaudí außerhalb Barcelonas entworfen hat. In dem kleinen Küstenort Comillas erhebt sich das bunte Gebäude auf einem kleinen Hügel inmitten einer Grünanlage. Doch das Capricho ist nicht das einzige modernistische Gebäude, das es in diesem kleinen Ort an der kantabrischen Küste zu sehen gibt. Die Strandpromenade erinnert an englische Badeorte und einen Park Güell gibt es hier ebenfalls. Zwischen den malerischen alten Häusern, die in dem für die Gegend typischen Stil mit hölzernen Erkern und vielen Fenstern errichtet wurden, entdecken wir auch einige modernistisch anmutende Bauten. Doch wie kommt es, dass die Architekten des für Barcelona so typischen Modernisme ihre Entwürfe ausgerechnet hier umsetzten?

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Der aus Comillas stammende Antonio López y López (1817-1883) war einer der Americanos oder Indianos genannten Auswanderer, die im 19. Jahrhundert ihre Heimat verlassen hatten, um in den neuen Kolonien ihr Glück zu versuchen. Nicht vielen gelang dieses riskante und oft von bloßer Hoffnung auf ein besseres Leben getragene Unterfangen. Einer der Wenigen, der aus ärmsten Verhältnissen kommend schließlich mit den Taschen voller Geld nach Spanien zurückkehrte, war ebendieser Antonio López y López, der als erfolgreicher Investor und Unternehmer nicht nur mit einer eigenen Schifffahrts- und Eisenbahngesellschaft, sondern auch mit Sklavenhandel, ein beträchtliches Vermögen gemacht hatte*. Seine Tochter heiratete in Barcelona Eusebi Güell, den Sohn des ebenfalls auf Kuba reich gewordenen Geschäftsmannes Joan Güell.

Zu den namhaften Architekten, die Señor López y López engagierte, um in seinem Heimatdorf prachtvolle Prunkbauten, wie sie in Barcelona in Mode waren, errichten zu lassen, zählte auch der von seinem Schwiegersohn verehrte Antoni Gaudí. Für die Parks und Gärten Comillas entwarf der Katalane Bauten wie die Kioscos Chinescos oder eine kleine Kapelle, die jedoch nicht mehr existieren, großzügig finanziert vom Schwiegervater seines Mäzens und Freundes Eusebi Güell. Dank dieser Investitionen in moderne Architektur entwickelte sich das Dörfchen Comillas bald zu einem beliebten Badeort der wohlhabenden Gesellschaftsschicht.

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Auf das eigenwillige Talent aufmerksam geworden, beauftragte Maximo Diaz de Quijano den jungen Architekten aus Barcelona, Gaudi arbeitete zu dieser Zeit an der Casa Vicens, mit dem Entwurf eines Wohnhauses: Zwischen 1883 und 1885 entstand die Villa Quijano, der kleine Palast in Comillas, den die Welt als El Capricho kennt. Wörtlich übersetzt bedeutet es nichts anderes, als eine Laune, eine Schrulle, Caprice, die kostspielige Spielerei eines Menschen, der nicht aufs Geld schauen muss.

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Als wir in Comillas ankommen, folgen wir einfach den Menschen, die offenbar ebenfalls zu dem Bauwerk pilgern. Auch wenn hier ”relativ” viele Besucher unterwegs sind, ist es im Vergleich zu den Menschenmassen, die wir aus Barcelona kennen, angenehm ruhig. Keine langen Warteschlangen und auch eine obligatorische Monate-im-Voraus-Buchung ist nicht notwendig. Wir kaufen unsere Tickets am Schalter und spazieren ein paar Meter durch den grünen Park auf das Gebäude zu.

Im Vergleich zu Gaudís späteren Entwürfen ist das Capricho noch recht geradlinig. Ähnlich wie bei der Casa Vicens erinnert der Bau an eine Mischung aus mittelalterlicher Burg und orientalisch anmutendem Palast. Die Gestaltung der Fassade wirkt filigran, leuchtende Sonnenblumen strahlen von den Kacheln der Außenwände. Schmiedeeiserne Balkongitter schmiegen sich vor die Türen und Fenster, auf den Kapitellen der Säulen an der Haustür ranken Palmenblätter empor und der schlanke, grüne Turm, der das ungewöhnliche Wohnhaus wie ein Burgturm überragt, erinnert in seiner Eleganz eher an das Minarett einer arabischen Moschee.

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In dem Garten hinter der Villa liegt eine Höhle hinter der Steinmauer versteckt. Durch eine kleine Öffnung kann ich von dort aus das Capricho wie ein Gemälde mit steinernem Bilderrahmen bewundern. Von den Möbeln, die einst in den großzügigen Räumen gestanden haben, ist leider nichts mehr erhalten. Dafür wuchert das Grün angenehm üppig in einem schicken Wintergarten. Im Untergeschoss, vor dem Souvenirshop, läuft ein kurzer Erklärfilm in Dauerschleife.

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Außer Gaudí haben auch andere Modernisten in Comillas prachtvolle Bauten und Paläste hinterlassen. Von Domènech i Montaner ist der schöne Brunnen, der auf dem kleinen Marktplatz umgeben von traditionellen Bauten steht. In der Innenstadt zu essen, ist allerdings nicht unbedingt empfehlenswert. In der Bar direkt neben dem Capricho hatten wir das Glück einen Platz zu finden und haben gut gesessen. Bei unserem zweiten Besuch in Comillas, das an und für sich schon teurer ist, als die meisten anderen Dörfer der Nachbarschaft, hatten wir bei einem anderen Restaurant mitten im Zentrum weniger Glück. Die dort servierten Gerichte schmeckten fürchterlich, die Bedienung war unfreundlich und die Rechnung gesalzen.

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Da wir auf Dessert und Café aus genannten Gründen verzichtet hatten, haben wir uns anschließend vor dem Park des Palacio de Sobrellano eine Verschnaufpause bei einem netten Italiener gegönnt. In der Pizzeria Quo Vadis haben wir nicht nur mega leckeren Käsekuchen und den besten Kaffee seit Tagen, sondern auch die Aussicht auf die grüne Anlage mit dem Schloss genossen, das sich Señor López y López als Marqués de Comillas von Joan Martorell, auch ein katalanischer Architekt des Modernisme, errichten ließ. Im Inneren sollen von Gaudí entworfene Möbel zu sehen sein. Das Gebäude war übrigens das erste in ganz Spanien, das aus Anlass eines Besuchs des spanischen Königs, der sich oft und gern in Comillas aufhielt, installiert wurde.

Infos zu Comillas und El Capricho

Adresse El Capricho:
Barrio de Sobrellano
39520 Comillas
Kantabrien
Website
Der Eintritt kostet 7 Euro. Einen Audioguide kann man sich per QR-Code aufs Handy laden (Kopfhörer nicht vergessen!) oder man besucht das Gebäude mit einer Führung (Spanisch).

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Unser Tipp, die Pizzeria Quo Vadis quovadiscomillas.com. Auch nett war La Fuente, direkt neben dem Eingang zu El Capricho. Wird leider nur schnell voll.

Mehr zu den zahlreichen Gebäuden, die Gaudí in Barcelona geschaffen hat, findest Du auf meiner Barcelona-Seite.

(*) Julia Macher hat einen sehr guten Artikel geschrieben, der den Zusammenhang zwischen Modernisme, industrieller Entwicklung und dem ungern erwähnten Sklavenhandel näher beleuchtet.