“Das dort auf dem Foto ist Conxita, die diese kleine Bar vor vielen Jahrzehnten gegründet hat”, erklärt Fiona, unser Guide bei der Food Tour durch das Gràcia Viertel heute. Die Dame auf dem schwarz-weiß Foto sieht eher aus wie eine Hollywood-Diva, sehr glamourös. An den mit Holzpaneelen verkleideten Wänden hängen über, unter und neben Conxita noch mehr Familienfotos aus alten Zeiten. In den achtziger Jahren haben ihre Töchter die kleine Bar übernommen und noch heute wird sie von Tochter Rosa und ihren Söhnen geführt. Ein echtes Familienunternehmen.

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Food tour Gracia Barcelona Cava Can Tosca

Während Fiona uns die Geschichte der Bar erzählt, probieren wir ein Brötchen mit Butifarra de Perol und ein Gläschen Cava, so heißt der katalanische Sekt. “Das darf man hier in Barcelona schon zum Frühstück trinken, ohne das sich jemand darüber wundert”. Stimmt. Zum zweiten Frühstück trinken die Katalanen gern ein Bier. Warum also nicht auch Sekt? Und woher der Name der Wurst kommt, erfahren wir auch: „Diese besondere Art der Butifarra wurde nach einem Gefäß benannt. Perol ist ein metallener Topf, in dem die früher gekocht wurde.“ Ich finde, dass so ein Perol ein bisschen wie ein Kessel für Zaubertrank aussieht.

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Von Anfang an gefällt mir diese Stadtführung der etwas anderen Art, denn bei der Devour Food Tour wird großer Wert darauf gelegt, die lokalen Läden und Händler des Viertels zu besuchen. Kein Touristennepp, keine angesagten Kettenrestaurants. Viel zu viele dieser sehr kleinen, meist von Familien betriebenen Bars, leiden unter den ständig steigenden Preisen und dem Rückgang der Stammkunden von nebenan.  Besucher, die nur für ein paar Tage in Barcelona sind, finden sich hier sehr selten. Eigentlich schade, denn genau diese kleinen Cafés, Bars und Bodegas machen das eigentliche, das echte Barcelona der Einheimischen, aus.

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Unser nächster Stopp ist die Markthalle, el Mercat de l’Abaceria. Dort besuchen wir drei verschiedene Stände, einen mit Käse, einen mit Oliven und einen mit Schinken. Fiona erklärt, während wir leckere Sachen probieren, wer die Leute sind, die wir gerade besuchen, was das Besondere an dem jeweiligen Happen, den wir in der Hand halten ist, und wirft ganz nebenbei noch interessante Details aus der Geschichte und dem Leben im Viertel heute in unsere kleine Runde.

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Am Schinkenstand erfahren wir zum Beispiel, dass schon die Eltern der heutigen Besitzerin gutes Essen und besonders den Schinken geliebt haben. Sie haben sich sogar hier auf dem Markt kennen und lieben gelernt. Die Leidenschaft für jamón serrano und jamón de bellota haben sie dann auch an ihre Tochter weitergegeben. Wir kosten und Fiona erklärt die wichtigsten Unterschiede der beiden berühmten Schinkensorten. Während der Serrano Schinken heller und milder ist, weil er von hellhäutigen Hausschweinen stammt, wird der Bellota Schinken von den dunkelhäutigen Cerdos Ibéricos gemacht. Die müssen dazu noch mit einer besonderen Diät aus Eicheln und Kräutern ernährt worden sein, damit der Jamón de Bellota (bellota sind die Eicheln der Steineiche) dann diesen ganz besonderen Geschmack hat. Eine spanische Freundin, die eigentlich Vegetarierin ist, hat einmal gesagt „Jamón esse ich trotzdem. Das ist ja kein Fleisch, sondern ein Kunstwerk“.

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Am Olivenstand werden wir von Josep erwartet, der für uns schon kleine Spieße aus Oliven, getrockneten Tomaten und in Salz eingelegtem Kabeljau vorbereitet hat. Es gibt über 200 verschiedenen Sorten Oliven in Spanien! Arbeqina, Manzanilla, Gordal, Hojiblanca – die alle zu kosten würden wir jetzt zeitlich gar nicht schaffen. Schade eigentlich.

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Zum Schluss probieren wir noch den Käse. Conxita steht schon seit zwölf Jahren hinter dem Tresen. In ihrer Theke sind nur die allerbesten Käse zu finden. Sie überreicht uns ein Tablett mit drei verschiedenen Sorten. Der Urgelia wird mit Codony, einer Art Quittengelee, serviert. Dieser katalanische Käse ist ziemlich mild und die süße Quitte passt erstaunlich gut dazu. Das zweite Stückchen ist da schon deftiger. Ein baskischer Schafskäse namens Idiazábal – schmeckt sehr gut. Last but not least dürfen wir dann sogar einen oscarreifen Käse probieren: der Dehesa de los llanos, ein klassischer Manchego, hat schon mehrere Preise abgeräumt, unter anderem den World Cheese Award. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt, aber Glückwunsch! Den hat er sich voll verdient.

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Öl und Salz. Hast Du gewusst, dass Spanien der weltweit größte Produzent an Olivenöl ist? „45% des Olivenöls auf der ganzen Welt kommen aus Spanien“, verkündet Fiona. Besonders im Süden wird in manchen Provinzen mehr Olivenöl hergestellt als in ganz Griechenland. Aber auch Italien haben die Spanier längst hinter sich gelassen. Mengenmäßig jedenfalls. Wir probieren drei verschiedene Sorten Aceite de Oliva Extra Virgen, kalt gepresst. Während manche Länder es mit der Kennzeichnung des Olivenöls nicht ganz so genau nehmen, gibt es hier in Spanien richtig strenge Kriterien, deren Einhaltung genaustens überwacht wird.

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Bevor wir den nächsten Laden ansteuern, führt Fiona uns auf die Plaça de la Vila de Gràcia und ins Rathaus von Gràcia. Die Kanadier, Mexikaner und Japaner hören ganz genau hin, als sie von den Traditionen der Festa de Gràcia erzählt, von Gegants und Capgrossos und von den Castells.

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Dann geht es wieder an die Arbeit. Denn nun sollen wir lernen, wie man ein echtes pan amb tomaquet macht. Carlos ist der Besitzer der Tapasbar l’Anxoveta. Gut gelaunt und mit einer sympathischen Portion Selbstironie lacht er über das Vorurteil, dass Katalanen geizig seien, und zeigt uns, in welcher Reihenfolge Tomate, Salz und Öl auf das Brot gehören. Während wir noch eifrig unsere Brote mit den saftigen Tomaten einreiben, verschwindet Carlos kurz und kommt mit einem Teller voller „Bomben“ wieder: gebackene Kugeln aus Rindfleisch und Kartoffeln, in einer Salsa Brava und mit einem Klacks Aioli obendrauf. Ganz schön scharf  – aber sehr lecker! Die Kugeln haben es in sich und ich verstehe schon beim ersten Biss, warum sie Bomben heißen.

Fiona hat natürlich auch hier passende Geschichte zu dem Gericht parat. Erfunden wurden diese Kartoffel-Fleisch-Bomben vor dem Spanischen Bürgerkrieg, in einer Zeit, in der in Barcelona Unruhen an der Tagesordnung waren, Anarchie und Chaos auf den Straßen herrschten und leider ziemlich oft irgendwo eine Bombe in die Luft flog.  Aber die Katalanen wären nicht Katalanen, wenn sie sich nicht auch in diesen schweren Zeiten, selbst auf die Schippe nehmen würden. Und so erfand jemand die Kartoffelbombe, die sich sofort größter Beliebtheit erfreute.

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Schon vor der Tür riecht es verführerisch nach frischem Gebäck. Mustafa kam einst aus Syrien nach Barcelona und betreibt hier im Viertel gemeinsam mit seiner katalanischen Frau seit vielen Jahren eine kleine Pastisseria. In Gràcia gab es schon immer viele Einwanderer. Sie gehören genauso zur Kultur des Viertels, wie die Castellers und die Tapasbars. Mustafa ist einer von ihnen. Jeden Morgen um fünf Uhr früh steht er in seiner Backstube und bereitet über zweitausend dieser kleinen, klebrig süßen Gebäckstücke zu. Einen Teil davon liefert er an verschiedene Restaurants, den anderen Teil verkauft er in seinem kleinen Laden, ein Stück Orient in Barcelona.

Wir dürfen uns einen kleinen Leckerbissen aussuchen. Ich nehme das Häufchen mit  Kokos-Haselnuss, das wie eine dicke Feige geformt ist, nur in weiß – ein Gedicht! Ich könnte gleich noch eins nehmen, aber wir haben ja noch vier weitere Stationen vor uns und so ein Happen hat es ganz schön in sich.

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Weil es mittlerweile schon Mittag ist, gehen wir nun einen Vermut trinken. In der schönen alten Bodega erklärt Fiona diese typisch katalanische Tradition. Die Bodega liegt ganz versteckt in einer ruhigen Straße. Hinten in der Bar sitzen vier ältere Männer und trinken bereits ihren Vermut. Sie gehören praktisch zum Laden dazu. Man trifft sich, unterhält sich mit den Nachbarn tauscht die neusten Nachrichten aus dem Viertel aus und macht sich dann wieder auf den Weg nach Hause zum Mittagessen. Der Laden ist total genial, rustikal und bodenständig, mit einer Deko, die sich seit den fünfziger oder sechziger Jahren nicht mehr verändert hat. Hier sind garantiert keine Touristen anzutreffen (außer denen von Devour Food Tour).

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Als in Zeiten wirtschaftlicher Krise, die Frauen im Viertel anfangen mussten mitzuarbeiten, um die Familie zu ernähren, entstanden in Gràcia die ersten kleinen Take-Away Läden. Obwohl nun Männer und Frauen den ganzen Tag arbeiten mussten, blieb der Haushalt an den Frauen hängen. Nach einem langen Arbeitstag standen sie also noch stundenlang in der Küche, denn die günstigen traditionellen Gerichte sind sehr zeitaufwendig: Hülsenfrüchte müssen stundenlang einweichen und lange kochen. Um Zeit zu sparen, konnte man in diesen kleinen Läden vorgekochte Bohnen oder Linsen kaufen. Eine geniale Idee damals. Allein von dem Verkauf eingeweichter Bohnen könnte heute allerdings kein Laden mehr überleben. Daher gibt es hier ein kleines Sortiment, komplett fertiger Gerichte, selbst gekocht zum Mitnehmen. Schmeckt wie bei Muttern. Lecker!

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Es ist schon unglaublich, was man alles in vier Stunden essen und trinken kann. Zum Glück sind wir zwischendurch hoch und runter, kreuz und quer durch Gràcia gewandert. Als krönender Abschluss geht es in eine schöne, alte, katalanische Pastisseria, in der wir einen Kaffee und die Spezialität hier, Cremats, kosten dürfen. Cremats sind mini-kleine Törtchen, die mit einer Art Crema Catalana gefüllt sind. Ein kleiner süßer Happen, der direkt im Mund verschwindet. Die Pastisseria ist auch einer der kleinen Familienbetriebe, die sich in Gràcia zum Glück noch gehalten haben. Damit dass auch so bleibt, langen wir ordentlich zu und lassen es uns schmecken.

food tour gracia barcelona cremat

Infos zur Food Tour durch Gràcia:

So eine gleichzeitig kulturelle und kulinarische Stadtführung, wie diese Food Tour durch das Gràcia Viertel, kannst Du bei devourbarcelonafoodtours.com buchen. Ich war echt sehr positiv überrascht und begeistert über die vielen Infos zum „echten“ Barcelona!

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Hinweis: Devour Food Tours hat mich zu diesem kulinarischen Bummel durch Gràcia eingeladen. Die hier dargestellten Ansichten sind davon unberührt und drücken ausschließlich meine eigene, ganz persönliche Meinung aus.