Er selbst nennt sich Spezialist im Eröffnen von Töpfercafés. Mehrmals schon musste Peter nämlich mit seinem kleinen Café umziehen. Jetzt ist er mit seinem Team in der leerstehenden Kirche von Schmerwitz gelandet. Direkt neben einem kleinen Löschwasserteich auf der grünen Wiese erhebt sich die kleine Kapelle, die es unter Peters kundigen Händen zu einer Art Kuchentempel gebracht hat. Seine Schokotorte ist bis ins nahe gelegene Berlin bekannt – ein echter Tipp für Kenner.
Natürlich konnte ich mir so eine Gelegenheit nicht entgehen lassen und habe sie probiert. Zu Recht kommen die Leute aus Berlin hierher! Allein der Schokokuchen lohnt den Weg. Noch besser ist sogar der Käsekuchen! Ob Peter mir wohl das Rezept verrät? Würde ich näher am Schmerwitz dran wohnen, käme ich vermutlich ständig hierher, um Kuchen zu naschen oder zu Brunchen. Dann müsste man mich hier irgendwann wegrollen.
Was Peter zu seinem alle vierzehn Tage stattfindenden Brunch in der alten Kirche auftischt, übertrifft locker einige der Hotels, in denen ich schon gefrühstückt habe! Das Brunchbuffet ist wirklich ein Hammer. Es gibt wirklich alles, was Du Dir zu einem sonntäglichen Faulenzer-Frühstück nur wünschen kannst: frisches Brot und Brötchen, Müsli, Quark, Joghurt, Grießbrei, Kuchen, Ei, Pancakes, Obst, Wurst, Käse und sogar deftige Suppe – und das alles auch noch in echt lecker.
Scarabäus Schmerwitz
Aber das Töpfercafé ist nicht irgendein Café. Es ist Teil des Suchthilfevereins Scarabäus, der auch die Töpferwerkstatt, eine Gärtnerei und die Ferienwohnungen betreibt. Die meist jungen Leute, die hier landen, haben eine lange und meist harte Geschichte hinter sich, erzählt uns Peter. Hier lernen sie wieder in geregelten, festen Strukturen zu leben. Zu einem Tagesablauf gehört es auch, bestimmte Aufgaben zu übernehmen, zu kochen, töpfern, kellnern oder gärtnern. Weil das alles gar nicht so leicht ist, gelten hier strenge Regeln, nach denen sich alle zu richten haben. Drogen sind nicht erlaubt, auch keine Zigaretten und kein Alkohol. Auch Gewaltausübung oder die Androhung von Gewalt ist verboten. Aber das Konzept funktioniert. Indem sie sich selbst helfen und gegenseitig unterstützen, schaffen viele der ehemaligen Abhängigen hier einen neuen Anfang. Leider nicht alle.
Wir dürfen uns nicht nur bei Peter den Bauch vollschlagen, sondern auch Marcel in der Töpferwerkstatt besuchen. Marcel ist mittlerweile Geselle der Werkstatt und bildet Lehrlinge aus. Gerade hat er eine Reihe aufwendig gearbeitete Teekannen fertig gestellt, die wie chinesische Tonsoldaten stumm in Reih und Glied stehen und nur darauf warten, getrocknet und gebrannt zu werden.
Für uns hat er Müslischalen vorbereitet, die wir nicht mehr töpfern müssen, aber dafür bunt anmalen dürfen. Selbst das ist nicht so einfach, wie es sich zunächst vielleicht anhört. Zusammen mit Daniel, der die Töpferscheibe dreht, während ich den Pinsel halte – und umgekehrt – macht es einen Riesenspaß. Ich finde, das Ergebnis, das wir ein paar Tage später abholen dürfen, kann sich durchaus sehen lassen. (Danke Daniel für Deine Mithilfe! Unser gemeinsam erschaffenes Kunstwerk hat einen Ehrenplatz in der Küche!)
Rita – die gute Seele auf Gut Schmerwitz
Der Vorgängerverein von Scarabäus hatte nach dem Fall der Mauer den landwirtschaftlichen Betrieb Schmerwitz übernommen. Auch als das Gut später in andere Hände überging, blieb der Hof Schmerwitz mit den Menschen, die bei Scarabäus engagiert sind, eng verbunden. Nach wie vor arbeiten der landwirtschaftliche Betrieb und die Suchthilfegruppe eng und gut zusammen. Das alles erklärt uns Rita, die langjährige Managerin und das Herz von Gut Schmerwitz.
Rita hat schon viele Geschichten auf dem alten Gutshof miterlebt. Sie ist hier aufgewachsen und wollte immer schon Bäuerin werden. In Zeiten der DDR wurde aus dem ehemaligen Landgut ein volkseigenes Gut. Rita lernte hier, wie so ein landwirtschaftlicher Betrieb funktioniert, auf dem Feld und in den Büchern. Mit dreißig Traktoristen arbeitete sie viele Jahre in dem großen VEB. Bis dann nach dem Fall der Mauer die Suchthilfeorganisation Synanon das ehemalige Gut erwarb und den Betrieb nach den strengen Normen der ökologischen Landwirtschaft umwandelte.
Für Rita und die anderen Angestellten bedeutete der Wechsel eine echte Umstellung. Aber Rita hat keine Angst vor gar nichts. Sie krempelte wie immer die Ärmel hoch und packte mit an. In diesem Fall hieß das für die gestandene Landwirtschaftsmanagerin noch einmal die Schulbank drücken. Gutgelaunt und eifrig lernte Rita nun also auch noch alles über ökologischen Landbau. Unter ihren kundigen Händen hat sich Gut Schmerwitz zu einem Vorzeige-Biobauernhof entwickelt.
Während wir hoch oben auf einem Traktor durch die Felder fahren, zeigt Rita uns, wie die einst riesigen Felder verkleinert wurden. Rita ließ Hecken und Streuwiesen anlegen, änderte die Fruchtfolge, sodass die Böden mehr geschont werden und Chemie wird hier auch nicht mehr eingesetzt.
Als Synanon den gut funktionierenden Biohof an einen neuen, privaten Investor verkaufte, standen wieder einmal Umstrukturierungen an. Doch Rita blieb und ist mittlerweile das Herz und die Seele von Gut Schmerwitz geworden. Auch wenn sie sich im Laufe der Jahre von vielen Teilen des Gutes trennen musste, wacht Rita wie eine Mutter über das ganze Dorf. Die gesamte Gegend blüht und gedeiht unter ihren Fittichen. Sie hilft wo sie kann, vermittelt, erneuert und erhält. Nur das alte Schloss, das konnte sie bisher noch nicht wieder mit dem Gut Schmerwitz zusammenführen. Hinter einer Mauer vergammelt das schöne alte Gebäude zur Zeit noch. Aber wie ich Rita kennengelernt habe, wird ihr auch das noch gelingen. Ein strahlendes Schloss direkt neben dem Hof! Ich drücke die Daumen!
(hinter den Blumen: Schloss und Hofladen Gut Schmerwitz )
Coconat und Wildnisschule
Einer der alten Höfe, die einst zu Gut Schmerwitz gehörten ist Coconat. Nicht weit von dem alten Gutshof entfernt haben hier ein paar kreative, engagierte Leute einen Coworking Space aufgebaut. Einen Ort, an dem Studenten, Lehrer, Digitale Nomaden, Schriftsteller oder einfach Ruhesuchende, weit weg vom Trubel der Großstadt, arbeiten können. Immer in Kontakt mit den Dorfbewohnern haben Janosch, Julianne und Iris das alte Gebäude umgebaut und wunderschön renoviert. In der gemütlichen Gaststube können dann auch Nachbarn, Berliner und andere Gäste aus aller Welt, zusammenkommen.
Auf einem anderen Hof, der früher einmal zu Schmerwitz gehörte, hat Paul eine Wildnisschule aufgebaut. Bei einem Spaziergang zum nahegelegenen Hagelberg zeigt der Fährtenleser und Wildnispädagoge, was man alles an den Spuren ablesen kann. Nach wenigen Metern schon findet er Abdrücke im getrockneten Schlamm. Vermutlich ist hier ein Reh vorbeigekommen. Paul malt in der Luft ein imaginäres Reh, um uns die Größe des Tieres zu verdeutlichen. Damit es auch wirklich anschaulich wird, zeigt er uns auf allen Vieren, wie das Reh seine Füße gesetzt haben muss.
Während Paul die Spuren liest, betrachtet Rita den Weizen auf dem Feld mit kritischem Blick. Sie nimmt eine Ähre in die Hand und verreibt sie, bis sich die Spelzen vom Korn getrennt haben, und probiert. Der Weizen ist noch nicht reif. Er ist noch zu weich. Wäre er zur Ernte bereit, müsste er jetzt schon deutlich trockener sein. Dieser Sommer ist wirklich hart für die Bauern. Während alle anderen sich über den anhaltenden Sonnenschein freuen, fehlt hier auf dem Land das dringend benötigte Regenwasser. Vermutlich muss dieses Jahr notgerntet werden. Rita rechnet mit hohen Ernteausfällen.
Ein paar Meter weiter findet Paul wieder etwas am Wegesrand. Dieses Mal hat ein Kothaufen seine Aufmerksamkeit geweckt. In dem Haufen entdeckt er unverdaute Knöchelchen. Das ist ein Hinweis darauf, dass es sich hierbei um die Hinterlassenschaft eines Wolfes handelt, von denen es hier in der Gegend einige gibt. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass vor Kurzem das kleine Reh von einem Wolf verschlungen wurde. Ich weiß gerade gar nicht so genau, ob ich das alles wissen will, aber ich bin schon schwer beeindruckt, was Paul, der Spurensucher, so alles sieht.
Dann beginnt der Aufstieg, denn wir sind mittlerweile am Fuße des Hagelbergs angelangt. Oben auf dem immerhin 200 Meter hohen Hügel steht ein Gipfelkreuz. In weniger als zwei Minuten sind wir oben. Paul lädt uns ein, einen Moment lang die Augen zu schließen, damit unsere Gedanken nicht von dem abgelenkt werden, was wir sehen. Wir sollen einen Augenblick lang im Hier und Jetzt sein, den Boden unter unseren Füßen spüren und den Vögeln lauschen. Mit geschlossenen Augen lauschen wir den Vogelstimmen. Paul erklärt leise, wer da gerade zwitschert. Als wir die Augen wieder aufmachen, geht leuchtend orange die Sonne unter.
Infos zum Gut Schmerwitz & Co. :
Schmerwitz ist ein echt kleines Dörfchen im Fläming, kurz vor Potsdam. Für das Töpfercafé, Königsblau, und den Hofladen des Guts habe ich darum auch nur ein und dieselbe Adresse gefunden. Wenn Du in Schmerwitz ankommst, musst Du einfach fragen. Ist aber alles leicht zu finden.
Schmerwitz 8
14827 Wiesenburg/Mark
Töpfercafé:
Alle zwei Wochen gibt es Brunch vom Feinsten. Das Töpfercafé in der Kirche ist leider nur eine Übergangslösung. Früher oder später ziehen Peter und sein Team in ein neues, größeres Gebäude auf dem Hof um.
Königsblau Töpferwerkstatt:
Verkauf der Töpferwaren, nach vorheriger Anmeldung auch Kurse wie unserer zum Anmalen
Ferienwohnung:
Geschlafen haben wir in den Ferienwohnungen, die der Verein Scarabäus vermittelt. Enrique hat uns alles super erklärt. Die Wohnungen sind echt groß, sauber und gemütlich eingerichtet.
Verein Scarabäus Schmerwitz
Website Scarabaeus
Hofladen Gut Schmerwitz:
Verkauf von Produkten aus biologischem Anbau
Website Hofladen
Wildnisschule Hoher Fläming
Grützdorfer Weg 1
14806 Bad Belzig
im Naturpark Hoher Fläming
Website wildnisschule-hoherflaeming.de
Coconat Co-Working Space
Klein Glien 25
14806 Bad Belzig
Website coconat-space.com
Hinweis: Dieser Artikel entstand im Rahmen eines Blogtrips durch die Region Fläming. Alle hier dargestellten Ansichten und Erlebnisse beruhen einzig und allein auf meinen Erfahrungen und drücken meine ganz persönliche Meinung aus.
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