Wir fahren an goldgelben Getreidefeldern und grünen Hügeln vorbei. Dunkle Wolken verdecken den Himmel und die Gipfel der Berge. Der Weg schlängelt sich durch eine Landschaft, die uns alle paar Meter in Staunen versetzt. Am Rande des Naturparks Els Ports liegt Horta de Sant Joan. Ein Dorf, das so entlegen ist, das es vor über hundert Jahren einen jungen Mann namens Pablo Ruiz Picasso faszinierte. Heute muss man von Tortosa aus nicht mehr auf Mauleseln hier hinaufreiten, aber auch diese „neue“ Straße zieht sich eher gemächlich zwischen Weinbergen und Olivenhainen dahin.
Als Pablo Picasso 1898 mit gerade achtzehn Jahren hierherkam, war er mehr oder weniger auf der Flucht vor dem Druck und den Erwartungen seines Vaters. Der junge Maler war sehr begabt, weigerte sich jedoch den Weg der klassischen Malerei einzuschlagen, den sein Vater für ihn vorgesehen hatte. Statt an der Akademie in Madrid, wohin Papa Ruiz den jungen Pablo geschickt hatte, fleißig zu arbeiten, trieb er sich lieber in Parks und Kneipen herum. Als er an Scharlach erkrankte, kam Pablo Ruiz Picasso auf die Idee gemeinsam mit seinem Freund Manel Pallarès eine Weile nach Horta de Sant Joan zu gehen. Der Vorschlag in einem abgelegenen Bergdorf zu malen und Ruhe zu finden, gefiel den Eltern. Sie betrachteten Pallarès als guten Einfluss für ihren Sohn.
Manel Pallarès stammte aus Horta de Sant Joan und kannte das Dorf gut. Die jungen Männer fanden Unterkunft im Haus seiner Eltern, verbrachten viel Zeit in der Natur, malten Dorfszenen und Landschaftsbilder.
Für den jungen Picasso eröffnete sich in Horta de Sant Joan eine gänzliche neue Welt. Er kannte bislang nur das Leben in großen Städten wie La Coruña, Barcelona oder Madrid. Der harte Alltag der Dorfbevölkerung, der enge Bezug zur Natur, faszinierten ihn. Picasso und Pallarès verbrachten Tage lang in einer Höhle der Muntanya de Santa Barbara. Dort beschlossen sie vermutlich auch sich für den Sommer komplett in die Wälder des Naturparks zurückzuziehen, um dort zu malen.
Viele neue Eindrücke und ein Gefühl von Freiheit überkamen Picasso wie eine Erleuchtung. Während die jungen Männer in die ungezähmte Natur eintauchen wollten, machte ein heftiges Unwetter allerdings nicht nur einen großen Teil ihrer Arbeit zunichte. Beinahe hätte das Abenteuer Pablo Picasso sogar das Leben gekostet.
Später soll der Maler über diese Zeit einmal sagen, er habe alles was er wisse hier in Horta de Sant Joan gelernt. Picasso fühlte sich stark und frei von Druck. Er war glücklich und wusste nun was er wollte. Picasso kam verändert nach Barcelona zurück. Statt wie der Herr Vater es erhofft hatte, an die Akademie zurückzukehren, erklärte der selbstbewusste junge Mann seine akademische Ausbildung für beendet und reiste nach Paris, wo er an der Universalausstellung teilnehmen wollte.
Paris war um die Jahrhundertwende the place to be. Nicht nur der unbekannte spanische Künlster bemühte sich um die Gunst der Mäzenin Getrude Stein. Picasso begann zwar erste Bilder zu verkaufen, doch sein Erfolg war mäßig. Zu leicht ließ sich der junge Maler in Paris ablenken. 1906 ging Picasso eine Zeit lang nach Gósol, 1909 kehrte er noch einmal nach Horta zurück, um in der Ruhe und Einsamkeit zu arbeiten. Seine ehemalige Geliebte und Freundin Fernande begleitete ihn. Wie aus ihren Briefen an Gertrude Stein hervorgeht, sollte sie wohl ein Auge auf den jungen Mann haben und dafür sorgen, dass Picasso dreißig Gemälde anfertigte.
Als das Paar 1909 in Horta de Sant Joan ankam, konnte Picasso nicht wie bei seinem ersten Besuch im Haus der Familie Pallarès unterkommen. Pablo und Fernande waren nicht verheiratet, so etwas war hier nicht gern gesehen. Die beiden mussten ins Hostal del Trompet an dem Platz vor der Kirche ziehen. Als dann auch noch Freunde aus Paris zu Besuch kamen, jagte bald ein Skandal den nächsten. Schon die Art der Damen sich zu kleiden, die Schamlosigkeit sich als Frau allein im Dorf zu bewegen, sorgten für Ärger. Die Freizügigkeit der jungen Pariser prallte auf die konservative Prüderie der Dorfbevölkerung. Doch trotz alledem fand Picasso hier die Ruhe, die er in Paris vermisst hatte, und ließ seiner Kreativität freien Lauf. Seine Gemälde aus dieser Zeit trugen erste kubistische Züge.
Jordi lebt seit über 30 Jahren hier und behauptet scherzhaft er sei nach Picasso und ein paar Schweizer Künstlern der dritte Tourist, der Horta de Sant Joan entdeckt habe. Doch das einst abgelegenen Dorf hat ihn in den Bann geschlagen, denn Jordi ist geblieben. Begeistert erzählt er uns Picassos Geschichte während wir durch die einsamen Gassen bummeln. Auf einem kleinen Platz, den Picasso in seinem Gemälde „La Bassa“ verewigt hat, muss sich früher ein kleiner Weiher befunden haben. Heute treffen wir hier die Dorfbewohner, die wie wir einen morgendlichen Kaffee trinken. Jordi hat noch so viele Geschichten zu erzählen, von Tempelrittern und Katharern, von einem Franziskanermönch und dem Kloster Sant Salvador. Ich muss mich heute leider mit dem Blick auf das Kloster am Fuße der Muntanya de Santa Barbara begnügen, aber ich schwöre, ich komme wieder.
Infos Horta de Sant Joan
Centre Picasso
Carrer de l’Hospital
43596 Horta de Sant Joan
Website: centrepicasso.cat
In dem kleinen Centre Picasso in Horta de Sant Joan sind Reproduktionen der Skizzen und Gemälde zu sehen, die in dieser Zeit entstanden sind. Sie bilden Menschen und Landschaft ab, die Picasso damals umgaben. Jordi als Guide kannst Du hier finden: ruta-de-picasso oder conficon-turisme. Außer der Picasso-Route gibt es da noch andere Geschichten zu entdecken.
Nicole, fue un placer teneros por Orta (sí sí, sin hache, otra historia que me queda por contaros). Me encanta tu publicación. Os esperamos de nuevo por aquí tantas veces como queráis.
segur que tornarem 🙂 fins aviat!