Strahlenden Sonnenschein hatte die Wettervorhersage für heute versprochen. Doch je mehr wir uns Jerez de los Caballeros nähern, um so dunkler werden die Wolken über unseren Köpfen. Es ist neblig und kalt. Wir parken das Auto an dem kleinen Parque de Santa Lucia, zu Füßen der Stadtmauer. Von hier aus erhebt sich die Stadt auf dem Hügel und eigentlich sollte man hier eine wundervolle Aussicht genießen können. Doch bei dem Wetter ist kaum die Hand vor Augen zu sehen. Auch von einem anderen Mirador aus bleibt uns ein paar Straßen weiter der Blick auf die Kirchtürme verwehrt.

nebel

Also trinken wir Kaffee und wärmen uns auf. Jerez de los Cabelleros ist ein ziemlich ruhiger Ort. Jedenfalls jetzt im November. Hier gibt es keine Einkaufsstraßen mit Läden einschlägiger Modelabels. Wir entdecken eine altmodische Bäckerei, die bollos turcos anbietet (sehr leckere Mandelbrötchen, die ganz ohne Mehl auskommen und nur mit Mandeln gebacken werden), einen Andenkenladen, dessen Schaufenster voller Artikel zum Thema Tempelritter steht, einen winzigen Baufachhandel und ein Computergeschäft.

strasse prozession

Stadt der fünf Türme

Die Türme der Kirchen Santa Maria, San Bartolomé, Santa Catalina, San Miguel und der Uhrenturm, auf dem ein Christus mit ausgebreiteten Armen thront, prägen das Panorama von Jerez de los Caballeros.

Die Iglesia Santa María de la Encarnación ist die älteste Kirche der Stadt. Schon in visigotischer Zeit soll die christliche Kirche geweiht worden sein. Auf einer Säule im Inneren ist sogar das Datum festgehalten: am neunten Tag des Monats Januar im Jahre 594. Man geht aber davon aus, dass die erste Kirche wesentlich kleiner war und in späteren Jahrhunderten immer wieder umgebaut wurde. Vermutlich diente sie unter maurischer Herrschaft als Moschee und wurde erst nach der Eroberung durch die Tempelritter wieder als christliche Kirche genutzt.

jerez de los caballeros extremadura santa maria

Unser Weg führt bergan in Richtung der Iglesia San Miguel. Normalerweise ist der Glockenturm mit dem Erzengel schon von Weitem zu erkennen, doch heute taucht er erst aus dem Nebel auf, als wir schon kurz davor stehen. Der kleine Platz vor der Kirche muss das Dorfzentrum sein. Hier geht es belebter zu. Auf einer Bank sitzt die Statue eines Nazareno, einer der Männer, die sich zu den Osterprozessionen das Büßergewand überziehen und die Heiligen durch die Straßen tragen. Mich erinnert die Tracht der Büßer immer an die Zeit der Inquisition. Doch zum Glück hat dieser Nazareno seine Kapuze abgestreift. Sie liegt neben ihm auf der Bank, als ließe er sich die Sonne ins Gesicht scheinen.

San Miguel (San Miguel im Nebel)

iglesia san miguel jerez de los caballeros(San Miguel später im Sonnenschein)

Zur Semana Santa engagieren sich die Menschen in Jerez de los Caballeros leidenschaftlich. Sie sind in Hermandades, Bruderschaften, und Cofradías organisiert. Die schweren Statuen durch die steilen Gassen der kleinen Stadt zu tragen ist kein Kinderspiel. Damit die Heilige Mutter Gottes nicht von ihrem Podest rutscht, müssen die Träger bei der Prozession die Steigung ausgleichen. D.h. die vorn gehenden Männer müssen in die Knie gehen, um die Straße in dieser unmöglichen Position zu erklimmen, während die hinteren Träger die Last oben auf ihren Schultern balancieren. Und dennoch reißen sich die Büßenden offenbar um diese schwere Aufgabe.

Nazareno

Am höchsten Punkt von Jerez de los Caballeros erhebt sich die Iglesia San Bartolomé, die Kirche des Schutzpatrons der Stadt. Nach dem Erdbeben von Lissabon, das 1755 die Algarve und den westlichen Teil Andalusiens erschütterte, musste der Kirchturm neu gebaut werden. Die seitliche Fassade gestaltete man im prachtvollen andalusischen Barock, eine bunte Mischung aus portugiesischen Kacheln und prunkvollen Bilder. Der heilige Bartholomäus wird stets mit einem Messer und einem Biest in Ketten dargestellt. Das Messer ist Symbol für sein Martyrium (er wurde gehäutet) und das Biest stellt den Teufel, also das Böse dar, das er in Ketten hält. Doch einmal im Jahr lässt Jerez de los Caballeros den Teufel von der Leine. Dann darf er von dem Balkon des Glockenturms den jubelnden Kindern Bonbons und Süßigkeiten zuwerfen.

jerez de los caballeros extremadura kirche san bartolome

Abenteurer und Entdecker

Viele der Eroberer oder Konquistadoren der Neuen Welt kamen aus Extremadura: Pizarro kam aus Trujillo, Hernán Cortés aus Medellín und Vasco Nuñez de Balboa erblickte in Jerez de los Caballeros das Licht der Welt. Nuñez war der Entdecker des Südmeers, der Ozean, den wir heute Pazifik nennen. Von Panama aus startete er verschiedene Entdeckungstouren.

Museum nunez balboa

Angeblich sei Nuñez nicht nur an Reichtum und Macht interessiert gewesen. Man weiß von ihm, dass er sich gern in Kneipen herumtrieb, Schweine züchtete und öfter in Schwierigkeiten geriet. Er heiratete die Tochter eines einheimischen Häuptlings und machte sich auf die Suche nach den Goldschätzen am sagenumwobenen Südmeer. Obwohl er alle Gefahren des Dschungels überlebt hatte, brachte ihm die Entdeckung des Pazifiks kein Glück. Einige Jahre später wurde er von seinem Schwiegervater (einem geldgierigen, spanischen Soldaten, nicht dem Häuptling) enthauptet.

Ein kleines Museum erinnert an den Sohn der Stadt. Die Casa Museo de Nuñez de Balboa hat sogar einen Architekturpreis gewonnen. Das Gebäude bewahrt die alte Aufteilung und gibt einen Einblick in die Epoche der Konquistadoren. Die moderne Fensterfront im oberen Stockwerk ist so konstruiert, dass sie eine Spiegelung der Kirche Santa Catalina zeigt.

Xerez, Juwel des Templerordens

jerez de los caballeros t

Als wir an der ehemaligen Festung der Templer ankommen, reißt der Himmel endlich auf. Die Sonne strahlt, als wäre nichts gewesen. Ein großes Stück der erhabenen Burgmauer wurde erst vor kurzem freigelegt. Mehrere kleine Hütten, hinter denen sie verschwunden war, wurden abgerissen. Durch das Tor von Burgos schreitet man in die Anlage.

jerez de los caballeros extremadura blick durch das stadttorPuerta de Burgos

jerez de los caballeros alcazar burg

Nachdem König Alfonso im Jahre 1230 die maurische Stadt Xeris erobert hatte, schenkte er sie dem Orden der Tempelritter, die bei der Eroberung geholfen hatten. Unter ihrer Herrschaft wuchs der Ort rasch. Auf den Grundfesten der maurischen Alcazaba errichteten sie eine neue Festung. Sie verstärkten die Stadtmauer und verschönerten die Kirchen. Von den insgesamt sechs Eingangspforten sind heute noch die Puerta de Burgos und die Puerta de la Villa erhalten. Den Menschen ging es gut und Jerez de los templarios gehörte bald zu den wohlhabenden Städten Kastiliens.

Tempelritter Jerez de los caballeros

jerez de los caballeros extremadura maurische ermitaEl Morabito 

Doch schon zu Beginn des 14. Jahrhunderts war Schluss mit der blühenden Epoche unter der Herrschaft des Ordens. Papst Clemenz und der König von Frankreich hatten beschlossen, die Tempelritter zu vernichten. 1312 wurde der Orden aufgrund einer Bulle des Papstes aufgelöst, seine Mitglieder verhaftet oder getötet. In Jerez de los Caballeros verschanzten sich die letzten Verteidiger der Stadt in der Torre de Homenaje. Als man sie besiegt hatte, wurden ihnen die Köpfe abgeschlagen und den Berg hinuntergeworfen. Daher nennt man den Wehrturm auch Torre sangrienta. Die Stadt und die Ländereien der Templer gingen in den Besitz der kastilischen Krone über, doch der Beiname Jerez de los Caballeros blieb.

jerez de los caballeros extremadura blick auf kirche

Als wir wieder an dem kleinen Park ankommen und Jerez de los Cabellaros verlassen, scheint die Sonne strahlend vom Himmel.

jerez de los caballeros extremadura park

Infos zu Jerez de los Caballeros:

Tipp: Egal was Dein GPS sagt, fahre bloß nicht mit dem Auto in die engen Gassen, sonst stehst Du irgendwann vor einer Treppe. Am besten lässt man das Auto am Parque de la Santa Lucia stehen und geht zu Fuß weiter. Die Einheimischen können hier fahren, weil sie sich auskennen und die Maße ihrer Straßen und Hausecken genau im Kopf haben. Ortsunkundige sollten besser aufs Auto verzichten.

stadtmauer

jerez de los caballeros blick auf santa maria

  • Semana Santa: Die Osterprozessionen müssen beeindruckend sein. Für die Einheimischen ist die Osterwoche die wichtigsten Zeit des Jahres.
  • Festival templario: Ich persönlich würde mir gern das Festival der Tempelritter im September ansehen. Für vier Tage verwandelt sich die Stadt dann wieder in eine mittelalterliche Festung. Und die weißen Gewänder mit rotem Kreuz erinnern an die Blütezeit unter der Herrschaft des Templerordens.
  • Salón del jamón: In Extremadura ist das dritte wichtige Datum des Jahres natürlich dem Schinken gewidmet. Das wäre was für den Schatz, der so verliebt in die Dehesas ist, die Landschaft voller Eichen, unter denen die schwarzen Schweine bellotas futtern.
  • Website der Stadt

jerez de los caballeros Extremadura

jerez de los caballeros extremadura kirche san miguel

Tipp: Als Guide kann ich die liebe Sara nur empfehlen. Sie ist super lieb und witzig und hat ihren Teil dazu beigetragen, dass wir Extremadura so bezaubernd finden 🙂