Als wir durch das niedrige Gartentor schreiten, klopft es bereits von drinnen ans Fenster. Josep erwartet uns schon. Josep Bastons ist einer der berühmtesten Havaneres Komponisten in Katalonien und zusammen mit Jochen, einem Journalisten aus der Schweiz, bin ich heute bei ihm zu Hause eingeladen. Ich freue mich darauf, Josep kennenzulernen und seine Geschichte zu hören. An der geöffneten Tür empfängt Josep uns mit einem herzlichen Lächeln.

Josep Bastons 

Josep komponiert Havaneres und Boleros. Er ist Musiker durch und durch. Schon in jungen Jahren fing er damit an, Musik zu machen. Erst als Sänger, später dann auch mit seiner Gitarre. Mit verschiedenen Orchestern ist er schon quer durch Europa gereist und natürlich in ganz Katalonien aufgetreten. “Warum ausgerechnet Havaneres?“, frage ich ihn. “Warum komponierst du keine Sardanas? Oder Rock‘n Roll?“ Josep lächelt. Seine Augen erzählen ganz eigene Geschichten. Früher habe er auch andere Sachen gespielt, sagt er, Tango zum Beispiel. Aber die Boleros und Havaneres seien nun einmal seine Musik. Diese Seemannslieder von Liebe und Leidenschaft passen einfach zu ihm. Man glaubt ihm die Sehnsucht, wenn er vom Meer und von den Palmenstränden der Karibik singt.

josep bastons Havaneres Interview

Havaneres waren die Lieder, die vor rund hundert Jahren von den nach Kuba ausgewanderten Indianos mit in die Heimat zurückgebracht wurden. Denn im neunzehnten Jahrhundert hatten sich viele Spanier und Katalanen auf den Weg nach Kuba gemacht, um in Übersee ihr Glück zu versuchen. Einige wurden wirklich reich und kamen mit viel Geld zurück – diese Leute nannte man Indianos. Andere hatten weniger Glück und kamen gar nicht wieder in die Heimat zurück. Aber diejenigen, die es geschafft hatten, brachten eine unstillbare Sehnsucht nach der Karibik mit. Und so fanden diese Lieder ihren Weg aus Havanna an die Costa Brava.

Josep berichtet davon, wie es dazu kam, dass Palafrugell zur heimlichen Hauptstadt dieser alten Seemannslieder wurde.

Cantada d‘ Havaneres

Irgendwann drohten die Havaneres, die ursprünglich nur auf Spanisch gesungen wurden, zu verschwinden. In den sechziger Jahren versuchten ein paar Leute in Palafrugell dann dieses traditionelle, musikalische Genre zu erhalten. Wort für Wort sammelten sie die Lieder, genau so, wie die Fischer sie sangen. Alles wurde zusammengetragen, um die Havaneres für die Nachwelt zu erhalten. Ein Buch wurde herausgebracht und vorgestellt. Über den großen Erfolg der Aktion waren die Organisatoren selbst überrascht. Die Leute waren begeistert! Ein Jahr später fand dann die erste Cantada d’Havaneres statt. Ein Festival war geboren. In diesem Jahr feiert Palafrugell die Seemannslieder zum fünfzigsten Mal.

Einer der Höhepunkte des Abends ist jedes Jahr der Moment, in dem das Orchester „La Bella Lola“ anstimmt. Alle Zuschauer zücken dann weiße Taschentücher, mit denen sie winken. Eigentlich ein Kuriosum, denn Josep hat mir verraten, wie dieser Brauch zustande gekommen ist. „Das mit den Taschentüchern ist irgendwann spontan entstanden, als einmal weiße Taschentücher als Werbegeschenk, wie man heute sagen würde, verteilt wurden.“ Eigentlich also ziemlich unromantisch, aber trotzdem voll schön!

Havaneres-josep-bastons-calellaFoto © by Caro Wagner

Schon am Tag vor dem großen Ereignis werden am Strand von Calella mehrere Bühnen aufgebaut. Jede kleine Bucht kriegt ein eigenes Podest. An der Platja del port Bo sitzen die Musiker auf der großen, ins Wasser gebauten Hauptbühne, umgeben von zahlreichen Booten. Die Zuschauer sitzen auf den Rängen an Land oder machen es sich mit einem Picknick am Strand gemütlich. Wer ein eigenes Boot hat, egal ob Fischerboot, Motorjacht oder Schlauchboot, positioniert sich nahe der großen Bühne, um das Spektakel von dort aus zu verfolgen. Tausende von großen und kleinen Booten liegen dicht an dicht in der Bucht vor Anker.

Der Mann mit der Gitarre

Und Josep wird wie jedes Jahr wieder mittendrin sein. Heute Abend soll er das Orchester dirigieren, das viele der Lieder spielen wird, die er selbst komponiert hat. Das Besondere an Joseps Havaneres ist, dass es neue Lieder im alten Stil sind, und dass die Texte Katalanisch sind. Für seine Verdienste um die katalanische Kultur ist Josep vor ein paar Monaten sogar mit dem Verdienstkreuz Sant Jordi ausgezeichnet worden.

Aber noch mehr als diese ehrenvolle Auszeichnung hat ihn etwas ganz anderes gefreut. Sichtlich bewegt erzählt er von dem Tag, an dem ein paar befreundete Musiker ihn bei einem Konzert auf die Bühne holten. Als sie anfingen “L‘Home de la guitarra” (dt: Der Mann mit der Gitarre) zu spielen, merkte Josep zunächst gar nicht, dass ihm dieses Lied gewidmet war. Alle waren eingeweiht, nur er selbst war total ahnungslos. Um so größer war dafür die Überraschung und seine Freude! Die Noten hat er sich eingerahmt. Stolz zeigt er mir das Bild. Als er mit dem Rahmen in der Hand anfängt, sein Lied anzustimmen, bin ich selbst richtig bewegt, gerührt von seiner ehrlichen und doch so bescheidenen Freude. Josep ist so ein herzlicher Mensch!

A Cau d orella Josep bastons havaneres

Als ich ihn frage, ob er denn auch eine Lieblingshavanera habe, fallen ihm auf Anhieb gleich mehrere ein. Eine davon spielt er uns vor. Es ist „A cau d’orella“, ein Liebeslied. Er singt so schön, scheinbar völlig in Gedanken versunken, dass ich völlig gefesselt zuhöre. Man merkt es ihm einfach an, dass er die Musik über alles liebt und dafür lebt, Musik zu machen. Trotz seiner großen Erfolge als Komponist ist Josep so bescheiden und dankbar. Ein wunderbarer Mensch, strahlend, und lebenslustig, der mich tief beeindruckt hat.

Josep Bastons Havaneres Strand palafrugellFoto © by Caro Wagner

Schon ein paar Tage nach unserem Interview treffe ich Josep wieder. Am Strand von Tamariu spielt er für uns seine Havaneres. Aber davon erzähle ich ein anderes Mal.

Infos zur Cantada d‘ Havaneres:

Die Cantada d’Havaneres de Calella de Palafrugell findet jedes Jahr am ersten Wochenende im Juli statt. Der Termin der nächsten Cantada d’Havaneres 2019:  6. Juli
Website: www.havanerescalella.cat

Mein Interview mit Josep Bastons entstand im Rahmen eines TV-Berichts von Jochen Frenzer Explore the Ocean. Das Treffen in Tamariu fand in Zusammenarbeit mit einer Produktion des WDR statt.