Am Fuße des Montsant, des heiligen Bergs, herrscht absolute Stille. Ein wunderbarer Ort, um hier ein Kloster zu errichten. Das müssen jedenfalls die Mönche im 12. Jahrhundert gedacht haben, als sie sich hier unter dem Schutz des Herrschers Alfons des Keuschen, König von Aragón und Graf von Barcelona (*), niederließen.

 escaladei kloster Kartäuser Priorat

Bruno von Köln hatte im elften Jahrhundert in Chartreuse den Kartäuserorden gegründet. Im Gegensatz zu den meisten anderen Mönchsorden verpflichteten sich die Kartäusermönche zu einem Leben in Stille. Sie schwiegen und lebten in ihren Klosterzellen mehr oder weniger wie Eremiten. Nur an bestimmten Tagen trafen sie sich zum gemeinschaftlichen Gebet in der Kirche.

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König Alfons hatte sich dazu bereit erklärt, den Kartäusern ein Stück Land zu überlassen, wenn sie ihm ein Kloster errichten. Als nun die ersten Kartäusermönche auf die Iberische Halbinsel kamen, fanden sie am Fuße des Montsant den passenden Ort. Der Legende nach sollen sie einen Hirten getroffen haben, der ihnen von einem seltsamen Traum erzählt habe. Jedes Mal, wenn der Hirte unter einer alten Kiefer ein Nickerchen hielt, träumte er denselben Traum. Er sah Engel, die vom Stamm des Baumes aus auf einer endlos scheinenden Leiter hinauf in den Himmel stiegen. Eine Leiter zu Gott, Escaladei, nannten die Mönche daraufhin diesen Ort und bauten genau an dieser Stelle ihr Kloster.

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Die Wiege des Priorat

Auch unter dem nächsten König und Grafen von Barcelona Jaume I der Eroberer, wuchs und gedieh Escaladei prächtig. Die Mönche lebten still und abgeschieden und widmeten ihr Leben dem Gebet und der Herrscher schenkte den frommen Männern bald auch die umliegenden Dörfer. In Anlehnung an das Kloster nannte man die Gegend im Laufe der Zeit nur noch das Priorat.

Aus der Provence hatten die ersten Mönche Weinreben mit nach Katalonien gebracht. Die bauten sie nun auch hier im Kloster an. Das Priorat ist heute nicht nur eines der ältesten, sondern neben Rioja eines der bekanntesten Weinanbaugebiete ganz Spaniens. Die hier erzeugten Weine tragen die höchste Qualitätsauszeichnung, DOCa (Denominación de Origen Calificada).

bogen escaladei kloster

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Doch nicht alle Mönche arbeiteten auf den Feldern. Bei den Kartäusern gab es Priestermönche und Laienmönche. Während die Priestermönche in den abgesonderten Zellen rund um den großen Kreuzgang ein strikt kontemplatives Leben der Suche nach Gott widmeten, kümmerten sich die Laienmönche um die im Kloster anfallenden Arbeiten.

Sobald wir durch die ersten Bögen der alten Klosteruinen schreiten, vorbei an der ehemaligen Klosterkirche, stehen wir zwischen den Überresten des großen Kreuzgangs, von dem die Zellen der Priestermönche abgingen. Eine dieser Zellen ist so restauriert worden, dass man sie betreten und sich einen Eindruck davon verschaffen kann, wie die Mönche lebten. Ich bin ehrlich gesagt ziemlich überrascht, wie groß solche Zellen waren. Denn unter einer Zelle stelle ich mir etwas sehr Enges, Kleines vor. Doch diese Wohnbereiche der Mönche bestanden aus mehreren großzügig geschnittenen Räumen, einem wunderschönen Innenhof und einem eigenen Garten. Da sind die meisten Wohnungen in heutigen Großstädten wesentlich kleiner!

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Aber auch diese beeindruckende Größe der Wohnung war natürlich kein wirklicher Luxus. Die Mönche lebten sehr karg und enthaltsam. Sie hatten nur die allernotwendigsten Möbel und verzichteten darauf, mit anderen Menschen zu sprechen. Um das längere Zeit durchzuhalten, muss man schon einen ziemlich gefestigten Charakter haben, vermute ich. Ich würde das keinen einzigen Tag lang schaffen.

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Zelle escaladei kloster Kartäuser Priorat

Escaladei

Von der alten Klosterkirche stehen heute fast nur noch die Außenwände. Als im neunzehnten Jahrhundert in Spanien ein Gesetz erlassen wurde (Desamortisation von Mendizábal 1835), das Kirchen und Klöster enteignete, und deren Besitztümer in Staatseigentum überführte, mussten die Mönche Escaladei verlassen. Bald schon wurde das Kloster geplündert und die Gebäude begannen zu verfallen. Das Grundstück auf dem mittlerweile nur noch Ruinen standen, wurde versteigert und lange Zeit passierte hier nichts. Erst in den neunziger Jahren beschloss die Familie, denen das Klostergut mittlerweile gehörte, die gesamte Anlage der Generalitat zu schenken, damit zumindest das, was heute von dem einst so prächtigen Kloster Escaladei noch übrig ist, erhalten bleibt.

Kreuzgang escaladei kloster Kartäuser Priorat

Vor einigen Jahren grub man den kleinen Kreuzgang wieder aus. Jahrhundertelang war dieses wunderschöne Gebäude von Erde verschüttet und niemand wusste mehr so ganz genau, wo sich der Kreuzgang überhaupt befand. Aber vermutlich hat er sich gerade deswegen so wunderbar erhalten.

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Infos zur Cartoixa de d’Escaladei

Cartuja de Escaladei / Cartoixa de d’Escaladei
Infos zum Kloster Escaladei
Cartoixa de Sta. Maria d’Escaladei
43379 Escaladei – La Morera de Montsant, Tarragona
GPS: 41.255825, 0.810720

Eintritt: 3,50 Euro, mit Führung (auf Spanisch oder Katalanisch) 6,50 Euro. Führungen in deutscher Sprache gibt es nur nach vorheriger Anmeldung

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Rund um das Weinanbaugebiet Priorat liegt übrigens noch ein gutes Weinanbaugebiet: Montsant.

Terra Dominicata

Auf einem Gut, das früher auch zum Kloster Escaladei gehört hat, wurde erst vor Kurzem ein neues Luxushotel eröffnet, das Hotel Terra Dominicata. In den großen Zimmern hast Du einen tollen Blick auf das Tal und sogar Wein wird hier wieder angebaut. Nicht ganz billig, aber definitiv wunderschön gelegen und sehr elegant.

Terra Dominicata – Hotel & Winery
Carretera, T-702, Km 13
43379 Escaladei, Tarragona
Website:  www.terradominicata.com

hotel terra dominicata priorat

Für den kleineren Geldbeutel, zwar mit weniger Luxus, dafür aber mit einer sehr leckeren regionalen Küche und super nettem Service, liegt das Hostal Sport nur 20 KM von Escaladei entfernt:

Hotel Hostal Sport
Miquel Barceló, 4 – 6
43730 Falset, España
Website: www.hotelpriorat-hostalsport.com

(*) Kleine Anmerkung zur Geschichte:

Alfons der Keusche war übrigens nicht nur Sohn Ramon Berenguers IV, Graf von Barcelona und König von Aragón, sondern auch der erste Herrscher der beiden Reiche Aragón und Katalonien, die sich mehr oder weniger zusammengeschlossen hatten. Er war ein großer Verehrer der Kultur der Troubadoure.

Als König Alfons I von Aragón gestorben war, ohne einen Nachkommen zu hinterlassen, holte man seinen Bruder Ramir aus einem Kloster, in das er sich zurückgezogen hatte. Er musste heiraten und einen Nachkommen zeugen. Ein Jahr später wurde Peronella geboren. Nun war der Nachkomme aber ein Mädchen, und so fragte man bei den wohlhabenden Nachbarn, den Grafen von Barcelona, der über ein weites Gebiet beidseitig der Pyrenäen herrschte, und dessen Reich als Seemacht eine vielversprechende Partie zu sein schien, ob Interesse an einer Heirat bestehe. Die Hochzeit war im Mittelalter ein weit verbreitetes politsches Mittel um Pakte zu schließen, Macht zu erhalten oder zu erweitern und Bündnisse zu sichern.

Und so beschlossen Ramon Berenguer IV und Ramir II die Hochzeit und die damit verbundene Quasi-Vereinigung der beiden Reiche, denn nach wie vor wurden die Reiche getrennt voneinder regiert, aber von nun an unter einunddemselben Herrscher. Sobald der Pakt geschlossen war, kehrte Ramir II zurück ins Kloster. Da Ramon Berenguer ein gestandener Mann, Peronella jedoch gerade erst ein Jahr alt war, konnte die Hochzeit in Lleida erst Jahre später stattfinden, als Peronella das vorgeschriebene Alter von 14 Jahren erreicht hatte.

Ramon Berenguer IV verzichtete selbst auf den Königstitel und überliess es seinem Sohn offiziell erster Herrscher beider Reiche zu werden. Bei seiner Geburt wurde Alfons zunächst nach seinem Vater, Ramon Berenguer genannt. Auf Wunsch Peronellas liess man ihn später umtaufen. Die neu entstandene Gemeinschaft der beiden Reiche entwickelte sich in den folgenden Jahrhunderten zwischen dem zwölften und sechzehnten Jahrhundert zu einer der wichtigsten Mächte des Mittelmeerraums.

Alfons der Keusche war übrigens sogar Schwiegervater Friedrichs II des Stauferkönigs und römischen Kaisers deutscher Nation.

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Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Reise zum Thema Nachhaltigkeit im Tourismus, zu der ich von Forum Anders Reisen und Katalonien Tourismus eingeladen wurde.