Garrotes, kleine Schokobomben, um die zur Tarnung etwas Blätterteig gewickelt wurde – diese süße Spezialität aus Pamplona muss ich natürlich probieren. Fran, mein Guide, weiß selbstverständlich auch, wo in der Altstadt die absolut besten Garrotes zu finden sind. Aber er ist offenbar nicht der Einzige, der das weiß. Vor einem unscheinbar wirkenden Laden hat sich bereits eine Schlange gebildet. Die Leute stehen wartend vor der Pasteleria Beatriz, einer kleinen Bäckerei.
Während wir uns geduldig in die Riege der Leckerschnuten einreihen, erzählt Fran, warum die Schokoladenkultur ausgerechnet hier im Norden Spaniens so ausgeprägt ist.
Nach der Entdeckung Amerikas, als die Kakaobohne Einzug in Europa hielt, lagen die Verarbeitung und der Handel mit exotischen Gewürzen fast ausschließlich in den Händen der jüdischen Bevölkerung. Es war also nicht weiter verwunderlich, dass sich viele dieser Händler nahe der Handelswege nach Europa ansiedelten. Als im Zuge der Judenvertreibungen immer mehr jüdische Einwohner Spaniens aus den südlichen Regionen fliehen mussten, blieben viele von ihnen – und mit ihnen die Tradition der Kakaoverarbeitung – in den Pyrenäen.
Dann sind wir endlich dran und ich darf eine garrote probieren. Absoluter Schokoschock würde ich mal sagen! Mehr geht nicht! Direkt gegenüber der Bäckerei gibt es gleich noch so einen gefährlichen Laden. Da verkaufen sie ganz köstlich aussehende, sehr klebrige Karamellbonbons mit Kaffeegeschmack („Dos Cafeteras“ megalecker!) und noch mehr hübsch verpackte Spezialitäten. Ich mag Pamplona total. Die gesamte Altstadt ist klein, aber wirklich niedlich. Alles ist so wunderbar ehrlich, noch so echt und untouristisch hier.
Vor dem bunten Rathaus der Stadt versammeln sich jedes Jahr im Juli Tausende Menschen. Alle warten hier ganz gespannt auf den Startschuss zu der berühmten Fiesta de San Fermín, dem weltbekannten Stierlauf. Für manche Besucher ist die Faszination dieses Spektakels nicht unbedingt verständlich, aber für die Einheimischen, die mit dem Fest aufgewachsen sind, stellt San Fermín den Höhepunkt des Jahres dar, den Moment, auf den sie die restlichen Monate hinfiebern.
Geschichte Pamplonas:
Die Stadt Pamplona blickt auf eine lange Geschichte zurück. Die iberischen Stämme der Vasconen, die hier in der Gegend lebten, nannten ihre Siedlung Iruña. Als die römischen Eroberer kamen, errichteten sie zur Absicherung ihres Herrschaftsgebiets befestigte Lager entlang der Grenzen. Nach dem Römer Pompeius wurde dann auch die Stadt benannt, die sich aus der ersten Siedlung entwickelte: Pompeiopolis, oder kurz Pompaelo.
Da im Mittelalter die Mauren den Süden der Iberischen Halbinsel beherrschten, richtete Karl der Große im Norden die Spanische Mark ein. Die Grenzregion der Marca Hispanica verlief südlich der Pyrenäen und sollte ein christlicher Schutzwall gegen die Truppen der Kalifate aus dem Süden sein. Klöster, Dörfer und Wachtürme wurden errichtet, um das christliche Europa vor den Mauren zu bewahren.
Etwas später entwickelte sich Santiago de Compostela zu einem der beliebtesten europäischen Pilgerziele des Mittelalters. Der Handel und die Wirtschaft in den Orten entlang der Pilgerroute blühten und Pamplona war bald eine wohlhabende Stadt.
In Pamplona kreuzten sich wichtige Handelswege: von Barcelona nach Burgos und vom Süden in den Norden. Die Pyrenäen sind hier wesentlich niedriger und leichter zu überqueren als weiter westlich in Katalonien. Perfekt also für die Händler, auf ihrem Weg nach Frankreich und in den Norden Europas. Die Menschen in Pamplona lebten also nicht schlecht von den Zöllen und den durchreisenden Geschäftsleuten. Auch der Jakobsweg entpuppte sich bald als wahre Geldmaschine. Viele verdienten gut an den zahlreichen Pilgern.
Doch das kleine Navarra war von mächtigen, großen Reichen umgeben. Die Könige wussten gut zu verhandeln und hatte viele schöne Prinzessinnen zum Verheiraten. Nur so schaffte das Königreich es viele Jahrhunderte lang, seine Unabhängigkeit zu bewahren. Doch die Herrscher Kastiliens wollten das prosperierende kleine Land in den Bergen ihrem eigenen Königreich einverleiben.
Nachdem König Philipp II von Kastilien Navarra schließlich erobert hatte, ließ er eine mächtige Zitadelle errichten. Ein Bollwerk gegen das Reich der Franken. Fran zeigt mir die noch heute sichtbaren Teile der Burganlage, die nach dem ausgeklügelten Prinzip Vaubans gebaut wurde. Vauban* war damals einer der berühmtesten und fortschrittlichsten Festungsbauer, der raffinierte Techniken und Taktiken zur Belagerung und Verteidigung entwarf. Vermutlich hat er die Anlage in Pamplona sogar selbst entworfen. Nur unterzeichnen durfte er die Pläne natürlich nicht, er war ja schließlich Franzose.
Blick auf die Zitadelle von Pamplona
Hemingway in Pamplona:
Der zentrale Platz im Herzen Pamplonas, mit jungen Musikern, die abends die Passanten unterhalten, ist die Plaza del Castillo. Von einem Castillo ist hier allerdings weit und breit nichts mehr zu sehen. Das Schloss, das hier einst stand, ist schon im sechzehnten Jahrhundert abgerissen worden. Seither fanden auf dem Platz Märkte, Paraden, Turniere und Stierkämpfe statt.
Plaza del Castillo
An einer Seite der großen Plaza liegt das geschichtsträchtige Café Iruña. Hier treffen sich die Einheimischen heute wie vor hundert Jahren. Fran sagt, jeder Einwohner Pamplonas hat seine Erinnerungen und persönlichen Erlebnisse, die er mit diesem Ort verbindet. Das Iruña ist Teil ihres Alltags, ihrer persönlichen Geschichte.
An der Bar trinkt gerade ein Mann mit imposantem Schnurrbart seinen Kaffee im Stehen und geht wieder. Es ist der Besitzer des kleinen Familienhotels um die Ecke. Ein Hotel, in dem einst Ernest Hemingway gern abgestiegen ist.
Hier im Café Iruña soll der amerikanische Schriftsteller seine berühmten Tagebücher geschrieben haben. Beim ersten Besuch in Pamplona sei Hemingway mit seiner Frau angereist, erinnert man sich in Pamplona. Nachdem er sie jedoch allein im Hotel zurückgelassen hatte, während er selbst ausgiebig mit Freunden fünf Tage lang feierte, kam er in den folgenden Jahren ohne Begleitung.
Im oberen Stockwerk des Cafés befindet sich ein ganz besonderer Club, ein Verein, nur für Männer. Diese Herrenclubs sind im Baskenland eine typische Einrichtung, die sich offenbar auch hier bis heute gehalt hat. Da wir mit Fran unterwegs sind, werden wir sogar eingelassen. Und er erzählt auch gleich, was es denn mit diesen sociedades (oder txoko) auf sich hat.
„Im Gegensatz zum Süden sind die nördlichen Regionen Spaniens sehr matriarchalisch geprägt“ beginnt er seine Geschichte. Ich spitze die Ohren und bin sehr gespannt, was nun wohl folgen mag.
„Unterhalb des Jakobswegs herrschten die maurischen Kalifen, oberhalb des Jakobswegs lebten die Menschen hier in der Gegend jahrhundertelang vorwiegend von der Viehzucht. Die Männer waren tage- oder wochenlang mit den Schaf- und Ziegenherden auf den Weiden. Die Frauen blieben allein zurück und mussten in der Lage sein, Haus und Hof nicht nur allein zu versorgen, sondern auch zu verteidigen. Kamen die Männer irgendwann schließlich für eine kurze Zeit nach Hause, dachten die Frauen gar nicht daran, ihre Unabhängigkeit im Alltag plötzlich aufzugeben. So kam es also, dass die Männer manchmal einfach das Bedürfnis hatten, unter sich zu sein. Sie kamen und kommen auch heute noch zusammen, um gemeinsam zu kochen, zu essen und vielleicht noch Karten zu spielen.“
Ich schaue mich vorsichtig um. Jetzt verstehe ich auch, warum es hier so leise ist. Die Männer haben gern ihre Ruhe. In einer Ecke sitzen ein paar ältere Herren, stumm. Sie spielen Schach. Einer guckt etwas mürrisch zu uns herüber, dann konzentriert er sich wortlos wieder auf sein Spiel.
Infos Pamplona, Tipps und Sehenswürdigkeiten:
In vielen Teilen Navarras ist bis heute das baskische Erbe spürbar. Die Grenze zwischen der sich selbst eher baskisch und der eher kastilisch empfindenden Bevölkerung, verläuft mehr oder weniger quer durch Navarra. Nördlich von Pamplona spricht man Spanisch und Baskisch, südlich von Pamplona Spanisch. Das ehemalige Königreich Navarra umfasste nämlich nicht nur das Gebiet der heutigen Provinz, sondern erstreckte sich weit nach Süden und nach Osten. Das gesamte heutige Baskenland, Bilbao, San Sebastian, Santander, Burgos und Teile des heutigen Aragón zählten zum Reino de Navarra.
Kathedrale Pamplona
Kathedrale Pamplona
Calle Curia
31001 Pamplona, Navarra
Die Kathedrale Santa Maria erhebt sich auf einer Anhöhe inmitten der Altstadt. Besonders schön soll der Kreuzgang sein. Leider hatten wir keine Zeit, die Kirche zu besichtigen, vielleicht nächstes Mal.
Website: www.catedraldepamplona.com
Gran Hotel La Perla
Plaza del Castillo, 1
31001 Pamplona, Navarra
Mehr Infos zur Hemingway Route und andere Sehenswürdigkeiten in Pamplona findest Du auf der Website Turismo Navarra.
Café Iruña
Plaza del Castillo, 44
31001 Pamplona , Navarra
Website: cafeiruna.com
Pastas Beatriz
Calle de la Estafeta, 22
31001 Pamplona, Navarra
Hotels in Pamplona:
Hotel Pompaelo Urban Spa
Plaza Consistorial, 3
31001 Pamplona, Navarra
Website: www.hotelpompaelo.com
Das kleine Hotel liegt super zentral, mitten in der Altstadt. Von meinem Balkon aus konnte ich direkt auf den Rathausplatz sehen. Mein Zimmer glänzte im traditionellen Rot und Weiß, wie zu den Feiern des San Fermin. Frühstück gibt es im Keller.
Hotel Puerta del Camino
Calle Dos de Mayo, 4
31001 Pamplona, Navarra
Website: www.pamplonacatedralhotel.com/home.html
Ein nettes, kleines Hotel auf der anderen Seite der Altstadt. Hier kommt der Hammer beim Frühstück. Das wird nämlich in einer echten Kapelle serviert, die zum Hotel gehört. Ganz in Weiß, viel zu schön, um nur schnell ein Brötchen zu essen.
Restaurant Iruñazarra
Calle Mercaderes, 15
31001 Pamplona, Navarra
Website: www.irunazarra.com
Eines der ältesten Restaurants der Stadt, ein echter Klassiker. Oben gibt es Tapas im Stehen an der Bar, unten kann man an Tischen Platz nehmen. Wir durften ein Tapas-Menü mit Leckereien der Jahreszeit kosten.
Restaurant Casa Manolo
Calle García Castañón, 12
31002 Pamplona, Navarra
Website: www.restaurantecasamanolo.com
Fiesta San Fermin
Fran, Francisco Glaria Baines, ist nicht nur mein Reiseführer und ein wunderbarer Geschichtenerzähler. Auf seiner Website findest Du viele Infos über die berühmten Fiestas in Pamplona: www.pamplonafiesta.com
Lesetipps
Ernest Hemingway: Fiesta
Der berühmte amerikanische Schriftsteller kommt aus dem bohemischen Paris nach Pamplona und verliert sich in den Fiestas de San Fermin – ein Klassiker.
(*) Albert Sanchez Piñol: Victus
Es geht eigentlich um die Niederlage Barcelonas 1714, aber Protagonist der Geschichte ist ein Schüler des großen Festungsbaumeisters Vauban. Seit ich dieses Buch gelesen habe, verstehe ich endlich diese pompösen Mauern und Burgen. Ein wirklich faszinierendes Buch!
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Pressereise, zu der ich von Turismo Navarra eingeladen wurde. Die hier dargestellte Meinung ist davon unbeeinflusst und beruht ausschließlich auf meinen ganz persönlichen Ansichten.
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