Sancerre liegt mitten in Frankreich, wirklich genau mittendrin. Ich fahre mit dem Auto durch das Département Cher in der Region Centre – Val de Loire. Malerische Landschaften. Auf der Straße bin ich fast allein unterwegs. Nur ab und zu kommt mir ein Traktor oder ein Schulbus entgegen. Jedes Dorf, durch das ich fahre, ist zum Anhalten schön. Eine kleine Kirche, drei oder vier alte Steinhäuser, direkt an der engen Straße stehend, viele Kurven und viele bunte Blumenbeete, die in aller Pracht blühen. Es riecht nach Natur und es ist richtig still und friedlich. Manchmal sehe ich eine Omi die Straße überqueren, oder Kinder, die gerade aus der Schule kommen. Hier haben die Ferien nämlich noch nicht begonnen. Ansonsten gibt es hier nur Landschaft. Aber die dann auch richtig.
Je mehr ich mich Sancerre nähere, umso mehr werden die Weizenfelder von Weinbergen rechts und links am Wegesrand abgelöst. Als ich den kleinen Ort erreiche, bin ich etwas überrascht. In ganz Frankreich ist der Name “Sancerre” wegen seiner Weine sehr bekannt. Ein großer Name also, aber der Ort selbst ist total klein und hat gerade einmal um die 1500 Einwohner. Aber das kleine Städtchen ist bilderbuchhübsch. Es ist genau so, wie man sich ein französisches Dorf vorstellt. Es gibt eine Kirche, einen kleinen Platz mit Cafés und Terrassen und die “Maison de Sancerre”. Das ist kein Museum mit Vitrinen und Sammlerstücken, sondern mehr eine Art Schaufenster und Informationszentrum, das die lokalen Weinbauern ins Leben gerufen haben. Hier bin ich mit Hélène verabredet, die mir gleich alles über die berühmten Sancerre Weine erzählen wird.
Die Maison de Sancerre erklärt in einer sehr nett gemachten Ausstellung die Geschichte des Weinanbaus der Region. Es geht um die Bodenbeschaffenheit, die verschiedenen Herstellungsmethoden von rotem und weißem Wein und auch um die verschiedenen Krankheiten, die die Weinreben befallen können, wie zum Beispiel die berühmte Phylloxera, die Reblaus, die in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts Weinbauern im ganzen Land in den Ruin trieb. Die Phylloxera kenne ich schon aus Katalonien, wo dieses kleine Biest sogar ein bisschen den Lauf der Geschichte beeinflusst hat.
Ich gucke mir also gemütlich auf einem Sofa sitzend ein Video an, lese die Erklärungen und wandere durch die Räume. Draußen, in einem kleinen Innhof der Maison de Sancerre, ist ein Garten angelegt. Große Würfel liegen auf dem Boden und bunte Schilder stecken zwischen den Pflanzen. Es ist ein Lernspiel für Kinder, die sich hier durch die Pflanzenwelt kegeln können.
Im Sancerre werden vorwiegend Weißweine angebaut. Es gibt auch ein paar Rosé- und Rotweine, aber das Gebiet Centre Loire eignet sich eben besonders gut für eine bestimmte Traubensorte, die Sauvignon blanc, die daher auch Dreiviertel des angebauten Weins ausmacht. Vor der Reblauskrise baute man eher Pinot an. Nachdem die Weinreben aber von der Phylloxera komplett vernichtet wurden, wechselte man fast vollständig auf die weiße Traube. Heute macht Pinot Noir nur noch rund 20% der angebauten Trauben aus.
Unter dem Siegel AOC Siegel (Appellation d’Origine Contrôlée – eine kontrollierte Herkunftsbezeichnung) dürfen nur auf ganz bestimmten, ausgewiesenen Parzellen Trauben angebaut werden, deren Weine dann hinterher den Titel der Appellation tragen dürfen. Es herrschen strenge Regeln, deren Einhaltung genaustens kontrolliert wird. Die verschiedenen Böden wie Kalkstein, Kreide und Feuerstein, und das kontinentale Klima, lassen die Trauben im Sancerre eher langsam reifen. Aus dem Zusammenspiel von Traubensorte, Boden, Klima und Anbaumethode entstehen so die besonderen Geschmacksnoten der Sancerre-Weine.
Dann stehe ich vor dem letzten Raum der Ausstellung, einem kleinen Kino. Ich kriege eine 3-D Brille in die Hand gedrückt und nehme in einem der plüschig-roten Sessel Platz. Der Film beginnt mit einem Weinbauern, der seine Weinreben untersucht und erzählt ungefähr dasselbe, was in den anderen Ausstellungsräumen zu sehen ist. Nur eben zusammengefasst und sehr viel anschaulicher, eben in 3-D. Zusammen mit einem sprechenden Marienkäfer, der mich durch den Film geleitet, fliege ich durch wunderschöne Landschaften. Mein Sitz rüttelt und wackelt, wenn wir eine Kurve fliegen. Sehr niedlich. Wir besuchen einen Weinbauern und naschen an einer Weintraube. Vor mir auf der Leinwand schlängelt sich eine kleine Schlange zwischen den Reben dahin. Plötzlich bewegt sich etwas zwischen meinen Beinen. Ich springe vor Schreck fast vom Sessel und muss lachen. Aber da fliegt der Marienkäfer auch schon durch eine Sprinkleranlage und ich werde auch noch ein wenig nass gespritzt. Das ist vierdimensionales Kino! Ungelogen das Beste, das ich bisher gesehen habe! Ich amüsiere mich köstlich. Für Kinder muss das unglaublich sein. Meine sind ja leider schon zu groß, um mit mir zu reisen. 🙁 Als mein virtueller Flug durch die Landschaften dann viel zu schnell zu Ende ist, erwartet mich Hélène schon zur Verkostung.
Sancerre Weine:
Unter die Appellation Sancerre fallen auch einige Weine der benachbarten Ortschaften:
Sancerre
Pouilly-Fumé
Menetou-Salon
Quincy
Reuilly
Coteaux du Giennois
Châteaumeillant
Ich verkoste unter fachkundiger Anleitung. Wie gesagt sind die Sancerre-Weine vor allem weiße Weine. Ein paar Domaines produzieren Roséweine, die übrigens aus Pinot Noir Trauben gemacht werden, und ein paar sehr leichte Rotweine gibt es auch.
Der Experte erkennt die Sancerre-Weine sofort an charakteristischen Noten wie frisch, fruchtig, eine gewisse Zitrusnote, ohne aggressiv zu sein, und teilweise mit einer mineralen Note, die offenbar vom Feuerstein im Boden kommt, aber insgesamt immer sehr rund im Geschmack.
Nach der kleinen Verkostung bleibt noch Zeit für einen kurzen Spaziergang durch das Dorf, bevor Hélène und ich dann hungrig in die Auberge La Pomme d’Or einkehren. Es gibt ein köstliches Mahl aus Spargel, Zander und ein Dessert mit frischen Beeren und einem Sorbet, und ein sehr langes, nettes Gespräch über Wein, über Sancerre und ein bisschen auch über Spanien. Und natürlich gibt es Käse! Aus dem Nachbarort Chavignol stammt nämlich der berühmte Crottin de Chavignol.
Nützliche Infos zum Nachreisen:
Mehr Infos über Sancerre findest Du auf der Website www.tourisme-sancerre.com
Maison de Sancerre
3 Rue du Méridien
18300 Sancerre
Restaurant:
Auberge la Pomme d’Or
Place de la Mairie
18300 Sancerre
Geschlafen habe ich im Hotel Panoramic. Wie der Name erahnen lässt, ist die Aussicht auf die Weinberge fantastisch!
Hotel Panoramic
Rempart des Augustins
18300 Sancerre
Website: www.panoramicotel.com
Hinweis: Diese Reise entlang der Loire wurde von Atout France unterstützt. Vielen Dank an Hélène, die mich durch Sancerre geführt hat! Die hier dargestellte Meinung spiegelt selbstverständlich ausschließlich meine eigenen Ansichten und Erlebnisse wieder.
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