Eigentlich ist noch geschlossen. Der Espai Subirachs wird laut Info auf dem Schild an der Tür erst in ein paar Stunden geöffnet. Doch ich habe Glück und eine nette Dame macht mir die Tür auf. „Wenn ich sowie so hier bin, mache ich Ihnen das Licht an. Dann können Sie gern gucken.“ Glück gehabt! Ich freue mich und betrete die Ausstellung.
Das kleine Museum ist privat und kostet keinen Eintritt. Es ist ein echtes Familienunternehmen, denn wie ich erst später mitkriege ist die nette Dame, die mir die Tür öffnet, nicht nur Kunsthistorikerin, sondern die Tochter des Künstlers.
Wer ist Subirachs?
Auch wenn Dir der Name, gesprochen wird er „Subiraks“, vielleicht nicht bekannt vorkommt, wenn Du in den letzten 30 Jahren vor der Sagrada Familia gestanden hast, kennst Du auch ein paar seiner Werke. Von Subirachs stammen nämlich die Figuren der Passionsfassade der Sagrada Familia.
Josep Maria Subirachs stammte aus einer einfachen Arbeiterfamilie im Poblenou. Obwohl die Familie nicht viel Geld hatte, unterstützte der Vater die künstlerischen Talente seiner Kinder, wo er nur konnte. Als Josep Maria noch keine zehn Jahre alt war, brach der Spanische Bürgerkrieg aus und das Land versank im Chaos. Für ein Architekturstudium reichte das Geld nicht. So ging der junge Subirachs bereits mit 14 Jahren bei einem Vergolder in die Lehre. Abends besuchte er die Kunstschule und begann bald eigene Skulpturen zu entwerfen.
Mit zwanzig nahm ihn ein bekannter katalanischer Bildhauer als Schüler auf. Unter dem Einfluss Enric Casanoves entstanden die ersten noucentistischen Werke Subirachs. Noucentisme nennt man den Stil, der den recht verschnörkelten Modernisme ablöste. Statt verspielter Fantasie legte man wieder mehr Wert auf klare Linien und klassische Formen.
Bei einem Aufenthalt in Paris lernte Subirachs andere europäische Künstler wie den Briten Henry Moore kennen. Der Kontakt mit der Avantgarde prägte den jungen Katalanen von da an. Sein Stil wurde zunächst expressionistischer, später immer abstrakter.
In den siebziger Jahren waren seine Werke recht umstritten. In Barcelona konnten viele Menschen mit den oft grotesk verzerrten, expressiven Figuren Subirachs nichts anfangen. Dennoch erhielt er 1986 den Auftrag zur Gestaltung der Passionsfassade der Sagrada Familia. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Bauarbeiten der Kirche lange stillgestanden. Das Geld fehlte und man war sich nicht einig, wie Gaudís Entwurf beendet werden sollte. Subirachs selbst hatte einige Jahre zuvor eine Petition unterzeichnet, die befürwortete, dass die Geburtsfassade der Sagrada Familia unangetastet, das Werk unvollendet bleiben solle.
Doch schließlich setzte sich in Barcelona die Ansicht durch, dass Gaudí durchaus bewusst war, dass der Bau einer solchen Kirche viele Jahrzehnte andauern würde. Und so beschloss man ganz im Sinne des modernistischen Schöpfers, dass die Sagrada Familia wie ein lebendiges, sich entwickelndes Wesen, von anderen Architekten im Stil ihrer eigenen Zeit zu Ende gebaut werden solle.
Die Wahl fiel auf Subirachs. Der Druck war hoch und die Kritik heftig. In Anlehnung an Gaudís Tod durch einen Unfall mit der Straßenbahn soll es sogar Stimmen gegeben haben, die bedauerten, dass es keine tramvia mehr gebe. Heftig! Subirachs war sich bewusst, dass er mit der Sagrada Familia nicht nur die Figuren einer Kirche, sondern das Gesicht seiner Heimat für kommende Generationen prägen würde. Während Barcelona sich für Olympia herausputzte, ein Ereignis, das die Stadt in einschneidender Weise verändert hat, arbeitete Subirachs an den Figuren der Passionsfassade.
L‘home es l‘únic animal que coneix la mort
„Der Mensch ist das einzige Tier, das sich des Todes bewusst ist“ (Subirachs). Seine Figuren sind nicht hübsch, sondern ungebändigt. Ausdrucksstark. Sie wollen nicht gefallen, sondern nehmen den Betrachter mit, lassen ihn die raue Kraft dieser Welt fühlen.
Der Espai Subirachs ist kein großes Museum. Zwischen den Zeichnungen weiblicher Körper und ihrer Rundungen und den Skulpturen kantiger alter Männer, tauche ich für einen Moment in dieses kleine Universum ein. Subirachs ist so viel mehr als die Sagrada Familia.
Ich mag dieses kleine private Museum und auch das Poblenou. Subirachs Geburtshaus liegt nur ein paar Meter entfernt. Es ist ein einfaches Viertel, ein Arbeiterviertel, das jahrzehntelang von den Textilindustrie geprägt wurde. Hässliche Fabriken und schlichte Backsteinbauten können nicht mit dem schicken Passeig de Gràcia oder den mittelalterlichen Gassen des gotischen Viertels wetteifern. Doch dafür ist das Poblenou einfach und ehrlich. In den letzten Jahren zogen immer mehr Start-ups in diese Gegend und trugen dazu bei, dass der Stadtteil immer lebendiger und bunter wurde. Seine industrielle Vergangenheit ist noch heute überall präsent, aber inzwischen auf eine sehr angenehme Art.
Infos Espai Subirachs
Espai Subirachs
Carrer de Batista, 6
08005 Barcelona
Website
Metro: L4 Poblenou
Der Eintritt ist kostenlos.
Geöffnet ist der Espai Subirachs Dienstag, Mittwoch und Samstag zwischen 17-20 Uhr oder auch auf Anfrage. Wenn Du Glück hast, ist Judit Subirachs selbst vor Ort und führt Dich durch die Ausstellung.
Viele der Werke Subirachs findest Du im öffentlichen Raum. Auf der Plaça Catalunya steht zum Beispiel das Monument a Francesc Macià, am Palau del Lloctinent findest Du die Porta Sant Jordi. Die Tür zum Archiv im Palau del Lloctinent erzählt in unzähligen Details die Geschichte Kataloniens und in Girona erinnert L’arquitecte an die Erbauer der Kathedrale.
Porta Sant Jordi – Palau del Lloctinent
L’arquitecte – Girona
Das DOR Museum in der Nähe von Girona hat einen ganzen Ausstellungsaal mit Skulpturen Subirachs gefüllt.
Sant Jordi – DOR MUSEUM
Gaudí – DOR MUSEUM
DOR MUSEUM
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